Hier ein Ausschnitt aus dem Inhaltsverzeichnis von meinem neuen Buch:
Kulturelle Entscheidungen
Urlaub am Meer
Urlaub in den Bergen
Die Beatles sind die Größten
Die Stones sind die Größten
Hoch die Fleischeslust
Für eine strikt vegetarische Ernährung
Sean Connery: der einzige James Bond
Roger Moore: kein anderer 007
Es wird alles immer schlimmer
Es wird alles immer besser
Bequem anziehen!
Kleide dich modisch!
Goethe war der Beste
Schiller war viel besser
SMS: voll cool
SMS: voll daneben
Wein ist fein
Bei Bier schrei´n alle hier
Wagners Musik ist groß
Wagners Musik ist grauenhaft
Vive la France
À bas la France
Viererkette!
Dreierkette!
Der schönste aller Planeten: der kriegerische Mars
Der schönste aller Planeten: die friedliche Venus
Rauchen macht schlank
Ohne Rauch geht´s auch
Kultur!
Zivilisation!
Mmmmmmm, Kaffee
Mmmmmmm, Tee
Wirtschaftliche Erwägungen
Steuern soll man hinterziehen
Steuern soll man bezahlen
Bargeld ist schick
Kreditkarten sind Trumpf
Hoch das Sparbuch
Hoch das Aktienpaket
Für den Altruismus
Für den Egoismus
Nichts geht über eine Eigentumswohnung
Nichts geht übers Mietezahlen
Der Kommunismus ist eine tolle Idee
Der Kommunismus war keine so tolle Idee
Politische Diskussionen
Es lebe die bürgerliche Demokratie
Für eine Herrschaft der Mandarine
Amerika ist eine prima Supermacht
China wäre als Führungsmacht viel besser
Atomkraft? Nein danke
Atomkraft? Ja bitte
Demografiedebatten sind notwendig
Demografiedebatten sind rassistisch
Feministinnen sind doof
Der Feminismus, er lebe dreimal hoch
Folter ist manchmal leider notwendig
Folter ist immer falsch
Der menschgemachte Treibhauseffekt: eine wissenschaftlich nachgewiesene Tatsache
Der menschgemachte Treibhauseffekt: ein ausgewiesener Blödsinn
Israel müsste nach Deutschland verlegt werden
Der Palästinenserstaat müsste im Iran gegründet werden
Religionsfragen
Argumente für Gott
Argumente gegen Gott
Aktive Sterbehilfe ist gnädig
Euthanasie ist ein Verbrechen
Das Chaos ist gut
Die Ordnung ist schön
Hier spricht der Muslim
Hier spricht der Ungläubige
Sehr gerecht: die Todesstrafe
Die Todesstrafe ist widerlich
Ich liebe Windows
Ich liebe Macintosh
Abtreibung ist Mord
Abtreibung ist keine Sünde
Auf den Hund
Für die Katz
Wir brauchen mehr Yin
Wir brauchen mehr Yang
Sexuelle Ausschweifungen
Hässliche Menschen sind besser im Bett
Schöne Menschen sind besser im Bett
Mehr Romantik beim Liebesakt, bitte
Für mehr sexuelle Sportlichkeit
In der Sauna gucken ist verwerflich
Wer in der Saune nicht guckt, ist uncharmant
Argumente für die Polygamie
Argumente gegen die Polygamie
Zu mir
Zu dir
Und hier noch ein kleiner Schlagabtausch als Exempel:
WAGNERS MUSIK IST GROSS
Woran erkennt man große Kunstwerke? Daran, dass sie einen nicht unverwandelt zurücklassen: Es gibt ein klares „Davor“, als man ihnen noch
nicht begegnet war, und ein „Danach“ – man wird bis ins Innere seiner Existenz von ihnen erschüttert.
Das gilt etwa für das monumentale Eingangsportal von Bachs Matthäuspassion („Töchter Zions, helft mir klagen“), das gilt für Mozarts „Requiem“. Und es gilt für Richard Wagners „Rheingold“: Nehmen wir die Stelle, wo Wotan und Loge sich nach Nebelheim begeben und die Musik lautmalerisch nachmacht, wie die Zwerge mit Hämmern auf Ambosse schlagen. Und plötzlich kapiert der Hörer: Das, was hier in Musik gegossen wurde, ist der Anfang der Industrialisierung – wie überhaupt „Der Ring des Nibelungen“ eine einzige grandiose Parabel auf die Moderne ist. Dazu gleich mehr.
Doch zuvor sollte eines der primitivsten Vorurteile gegen Wagner ausgeräumt werden: das Vorurteil nämlich, er habe sich ausschließlich aufs Lautstarke, Bombastische verstanden. Das können nur Leute behaupten, die außer dem „Ritt der Walküren“ nichts anderes von ihm kennen. (Der ist nun wirklich grässlich, taugt aber immerhin noch als effektvolle Filmmusik.) Derjenige, dem sich Wagners Opernwelt einmal geöffnet hat, weiß: Dieser Komponist wusste Musik von einer Zärtlichkeit zu schaffen, dass dem Hörer kaltheiße Schauer über das Rückgrat laufen. Denken wir an den zweiten Akt von „Tristan und Isolde“, wo die Heldin am Morgen darauf wartet, dass die Jagd endlich vorbei sein soll – und Wagner nun die Dämmerung in Szene setzt. Es ist die zarteste Versuchung, seit es Harmonien gibt.
Wagner konnte mit einem Orchester nicht nur Sturm und Getöse nachahmen, sondern auch den rosigen Morgennebel. Und er wusste alles über die Liebe und die vielfältig-interessanten Weisen, wie sie scheitern kann.
„Der Ring des Nibelungen“ ist eine Oper, die gründlich missverstanden wurde: Viele Hörer glaubten nämlich, Wagner habe hier ein abschließendes Urteil über die Moderne gesprochen. Die Musik wurde dann so gehört, als bedaure Wagner das Ende der mythisch-magischen Welt oder als rufe er dazu auf, möglichst viele Helden nach dem Vorbild des blonden Recken Siegfried zu erschaffen. Tatsächlich lässt Wagner die Sache in der Schwebe. Er ist nicht für die Moderne, aber er ist auch nicht gegen sie.
Sicher ist nur eines: Siegfried kann auf keinen Fall als Idealgestalt gesehen werden (auch wenn die Nazis es gern so gehabt hätten). Schließlich ist er ein „tumber Tor“, nicht mehr. Ungeheuer ansprechend ist diese Riesenoper nicht nur für das Gefühl, sondern auch für den kühlen Verstand des Zuhörers. Denn was bei Bach noch ein geschlossenes Universum war – der Kosmos der Theologie –, das bricht bei Wagner nun auseinander in die Sphären der Politik, der Soziologie, der Ökonomie, und man findet hier mehr als nur erste Spuren der Psychoanalyse.
Im Jargon der Nazis zu sprechen: Wenn es je einen „Kulturbolschewisten“ and „Asphaltliteraten“ gegeben hat, dann diesen. Insofern ist es ein schlechter Witz, dass Wagner ausgerechnet von den Granden des Dritten Reiches posthum vereinnahmt wurde.
WAGNERS MUSIK IST GRAUENHAFT
Es wäre ausgesprochen unfein, an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass Wagner ein stinkender Antisemit, ein Parvenü, ein gescheiterter Revoluzzer, ein chronischer Schnorrer – kurzum: in fast jedem Detail die Vor- oder Urform eines Nazi war.
Also lassen wir das. Es hat schon so viele Antisemiten gegeben, die große Klangkunstwerke geschaffen haben und es waren schon so viele miese Typen unvergleichliche Dichter, dass das im Ernst kein Argument sein kann. Nein, gegen Richard Wagner sprechen einzig und allein seine rundherum grässlichen Opern!
Mark Twain hat zwar einmal angemerkt, Wagners Musik sei besser, als sie sich anhört, aber das war leider gelogen. Es ist alles wirklich so schauderschlecht: Note um Note und Takt für langweiligen Takt. Wahrscheinlich hat der musikalisch eher unbegabte Wagner irgendwann einfach aufgehört, sich auch nur die geringste Mühe zu geben. Er versuchte also nicht mehr, tönende Schönheit zu schaffen und den Ohren mit Harmonien zu schmeicheln; statt dessen wollte er die brutale Überwältigung des Publikums. Dafür setzte er den ganzen künstlerischen Reichtum ein, den er gar nicht hatte, dafür war ihm jedes Mittel recht.
Deshalb tat Wagner so, als gäbe es in seiner Musik unglaublich viel zu ahnen, als täten sich da laufend Abgründe von Bedeutung auf – in Wahrheit ist die Sache aber nur hohl. Es ist der pure Bombast, in dem dann nichts zur Erscheinung kommt: kein Gedanke, keine Haltung, keine Substanz.
Wagners Musik erinnert an die gespreizten Verse eines Stefan George, in denen auch dauernd so getan wird, als ließe sich dahinter Gott weiß welcher Tiefsinn vermuten, aber wenn man genau hinschaut, ist die Gespreiztheit schon der ganze poetische Gehalt.
Lässt sich über Wagner also gar nichts Positives vermelden? Doch: Er verstand es, seine Werke hübsch und geschickt zu instrumentieren. Das ist seine künstlerische Leistung, das war es schon. Und jetzt müssen wir – auch wenn es sich nicht gehört – doch noch einmal auf Wagners Antisemitismus zu sprechen kommen.
In seinem niederträchtigen Pamphlet „Über das Judentum in der Musik“, das zeigt, dass Hitlers Liebe zu Wagner nicht auf einem Missverständnis beruhte, spricht dieser Komponist den Juden ja die Fähigkeit zu wahren Empfindungen ab. Nur der voll im Deutschtum verwurzelte Künstler sei imstande, echte, tief empfundene Leidenschaften zu gestalten, während der Jude nur oberflächliches Larifari in Töne zu setzen vermöge. –
Interessant ist dieser Befund nur aus einem Grund: Er macht wieder einmal klar, wie mächtig das ist, was die Psychoanalytiker „Abspaltung und Projektion“ nennen. Denn tatsächlich war es ja Wagner selbst, der ständig seine Unfähigkeit bewies, Gefühle zu gestalten. Er war es, der in seinen Opern mit hängender Zunge der echten Leidenschaft manisch hinterher hechelte.
Darum benötigte er auch so viel Hoihottaho und Tschingderassabumm, und seine Begabung erschöpfte sich im Wesentlichen darin, für die Vortäuschung von Gefühlen die passenden Instrumente auszuwählen.