Mein Freund G., ein Sammler, der sein Haus mit mehreren Dutzend Knarren aller Kaliber und Preisklassen bestückt hat, aber wegen begrenzter Auswahl seit Jahren nur noch selten den Waffenladen um die Ecke aufsucht, wird sich über die Nachricht freuen, daß es—wie auch in deutschen Medien kolportiert—hier in den USA ab Anfang 2016 ein neues Programm auf der Glotze gibt: Gun TV.
Denn nun kann G. an seine über die Jahre etwas verkümmerte Sammelwut von der Couch seines Wohnzimmers aus anknüpfen, um weitere Tresore zu installieren und mit den neuesten Pistolen, Jagdflinten und Schnellfeuergewehren zu bestücken. Was er damit macht? Er guckt sie verliebt an, reinigt sie gelegentlich, probiert sie jeweils vielleicht einmal auf dem Schießstand unseres Ballervereins aus—und behauptet, es sei eine sichere Geldanlage in unserer zinslosen Zeit, womit er durchaus ein bißchen recht haben könnte.
So wie G. denken und handeln viele Amerikaner, obwohl es in den Handschuhfächern ihrer Autos höchstens Platz für eine Glock oder einen Colt gibt und zusätzlich in die Hosentasche oder Handtasche vielleicht noch ein kleiner Derringer oder eine kurzschnäuzige Taurus aus Titanium passen. (Naja, wer es sich leisten kann, hat in der Nachttischschublade außerdem eine Smith & Wesson Magnum liegen und in der Garderobe neben der Haustür eine Remington oder Mossberg stehen.) Man sollte glauben, der Markt sei hier voll gesättigt, wo doch die Zivilbevölkerung mit schätzungsweise 250-300 Millionen Handfeuerwaffen bereits Overkill praktiziert und die meisten Menschen schon aus Platzgründen wenig Interesse an massenmordfähigen Maschinengewehren haben. Und doch, so berichtet der einschlägige Einzelhandel, sind vorige Woche an einem einzigen Tag, dem “Black Friday” nach dem Thanksgiving-Donnerstag, weitere fast zweihunderttausend Feuerwaffen unter die Leute gekommen. Von Sättigung keine Spur; selbst wenn alle Menschen in diesem Lande, einschließlich Babies, Irrenhausinsassen und illegaler Einwanderer, in der Lage wären, wie im Wilden Westen gleichzeitig zwei Pistolen zu zücken, bliebe der tief in die Psyche vieler Amerikaner gekerbte Wunsch nach Arsenalaufstockung unersättlich.
Gun TV wird ein Einschaltequotenerfolg werden und sich schon wegen der mitgesendeten Werbung für die Betreiber lohnen. (Meine Hoffnung: Daß dadurch der bescheuerten Duck Dynasty-Entenjägersendung endlich der Garaus gemacht wird.) Und während die Kronen der Schöpfung auf Shopping-Kanälen nach überflüssigen Klamotten und Schmuckschnäppchen lechzen, läuft ihren Machos beim Anblick all der zum Verkauf angebotenen, doch für Selbstverteidigung und Jägerei überwiegend unnützen Waffen, all der entbehrlichen Patronen und Holster das Wasser im Mund zusammen. Ob es dann allerdings altmodischen Kriminellen, mehr oder weniger spontanen Amokläufern sowie Terroristen in spe gelingt, sich über den Fernsehversand genauso effektiv einzudecken wie bisher über den traditionellen Handel, wird die Zukunft zeigen.
P.S.: Ich hab im Laufe der Jahre mehrmals was über die amerikanische Kanonenkultur veröffentlicht—zuerst 2005 in meiner “Forsicht, Freddy”-Kolumne auf Henryk Broders buntem Blog, ein Eintrag, den es zwar nicht mehr per Suchmaschinen zu finden gibt, den Kenner aber dank des wunderbaren Webarchivs der WayBackMachine weiterhin aufrufen können, und zwar hier.