Alan Posener (Gastautor) / 13.05.2009 / 13:08 / 0 / Seite ausdrucken

Bekenntnisliteratur allenthalben

Eine der schrecklichsten Erscheinungen des modernen Journalismus ist die Bekenntnisliteratur: “Wie ich wurde, was ich bin.” Augustinus light. Im Augenblick ist es in Deutschland schick, konservativ geworden zu sein, schon wegen des hier eingebauten Antiamerikanismus - in den USA schlägt der Pendel ja gerade wieder nach links aus. Christine Eichel etwa erklärt uns demnächst, warum sie wieder betet, obwohl das kein Schwein interessiert, nicht einmal mich, der ich Christine Eichel gern und in guter Erinnerung von vielen Jour Fixes im Garten bei Stölzels habe. Und der Spiegel-Mann Jan Fleischhauer erkennt mit 46 Jahren, dass er “unter Linken” ein falsches Leben im Richtigen oder ein richtiges Leben unter Falschen geführt hat. Bisschen spät, oder, Herr Fleischhauer? Na, jedenfalls guten Morgen. Statt aber programmatisch mit der konservativen Wende der Linken spätestens seit Habermas und Derrida ins Gericht zu gehen, wiederholt Fleischhauer einfach all die seit 20 Jahren unter Spießern, die sich Bürger nennen, kursierenden dummen Vorurteile über Linke: Sie hätten bis 1989 nicht gemerkt, dass irgendwas mit der DDR nicht stimmt, sie hätten alle ein Haus in der Toskana, sie essen keine Hamburger und trinken keine Cola, sie dominierten die Meinungslandschaft, sie verachteten das hart arbeitende Volk, also die Spießer - und belegt das anekdotisch mit seiner eigenen äußerst begrenzten Erfahrung.  Das Buch erscheint bei Rowohlt, wo man mir noch vor zehn Jahren beschied, eine Biographie über Maggie Thatcher könne im Rahmen von “Rowohlts Monographien” nicht erscheinen, weil man ja seiner linksliberalen Tradition etwas schuldig sei. Dieses Jahr ist es umgekehrt so, dass Rowohlt mein Papst-Buch nicht haben wollte, weil man irgendeine junge Frau pusht, die sich zu ihrem Katholizismus bekennt. Soviel zum Pluralismus unter konservativ gewordenen Leuten. Ätsch. Leute, ich bin jetzt bei Ullstein. Aber das ist nicht der Punkt. Der Punkt ist, dass von einer Meinungsdiktatur der Linken, wie sie Fleischhauer unterstellt, weiß Gott keine Rede sein kann: Vorabdrucke aus seinem Buch erschienen im “Spiegel” UND in der “Welt am Sonntag”. Alles Weitere dazu in meiner Blattkritik.

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