Peter Grimm / 29.01.2024 / 14:00 / Foto: Montage/Achgut.com / 53 / Seite ausdrucken

Der knappe Sieg vom Herrgott über die AfD

Etliche deutsche Redakteure, Kolumnisten und Politiker feiern, dass der Thüringer CDU-Generalsekretär die Stichwahl knapp gegen den AfD-Kandidaten gewonnen hat, als großen Sieg im „Kampf gegen rechts“. Meinen die das ernst?

Christian Herrgott hat nicht nur einen eindrucksvollen Namen, er scheint auch der neue Hoffnungsträger all jener zu sein, die die Erfolgswelle der AfD stoppen wollen, ohne die eigene Politik zu ändern. Der Thüringer CDU-Generalsekretär hat es geschafft, die Stichwahl zum Landrat des Saale-Orla-Kreises mit 52 Prozent der Stimmen gegen den AfD-Kandidaten Uwe Thrum zu gewinnen. Allerdings war CDU-Generalsekretär Herrgott in diesem Wahlgang quasi der Kandidat aller Parteien, außer der AfD. Gemessen daran war das Ergebnis jetzt nicht herausragend. Doch immerhin hat die Alle-zusammen-gegen-die-AfD-Taktik mal wieder funktioniert, im Gegensatz zur Landratswahl im thüringischen Sonneberg, wo der AfD-Kandidat trotzdem gewann und seiner Partei den ersten Landratsposten überhaupt einbrachte.

Jetzt nun unterlag der AfD-Kandidat, und die Sieger gefallen sich in Drachentöterpose. Gern wird nun auf die Rolle der von vielen Organisationen ins Leben gerufenen Demonstrationen gegen alles, was rechts ist, verwiesen. Sie sollen diesen Sieg mit ermöglicht haben. Stimmen, wie diese hier bei Thüringen24, waren am Montagmorgen recht häufig zu vernehmen:

Auch in Thüringen gab es zahlreiche Anti-Rechts Demos. Laut Politikwissenschaftler Brodocz habe das in der Stichwahl eine entscheidende Rolle gespielt. „Die bundesweiten Demonstrationen haben einen demokratischen Grundkonsens geschaffen, der viele motiviert hat, dieses Mal die CDU zu wählen“, so Brodocz.

Auch Torsten Oppelland von der Universität Jena sieht einen Zusammenhang zwischen den Demos und der Pleite der AfD-Thüringen im Saale-Orla-Kreis. Es sei zwar schwer, den Zusammenhang in Zahlen festzuhalten, denn dazu lägen keine Daten vor. Doch die höhere Wahlbeteiligung in der Stichwahl deute auf einen Mobilisierungseffekt hin. „Da kann die Demonstrationswelle durchaus einen Ausschlag gegeben haben“, so Oppelland.“

Dann waren die Hunderttausenden also nicht umsonst in der Kälte auf der Straße, sondern konnten immerhin die Machtergreifung im Saale-Orla-Kreis verhindern. Soll man das so verstehen? Es gab auch etliche Stimmen, die die Entwicklung des Zuspruchs für die AfD an einem Wendepunkt sehen. Vor allem freuten sich etliche Politiker und Meinungsbildner augenscheinlich darüber, dass sich die AfD besiegen lässt, auch ohne den Wählern politische Zugeständnisse zu machen. Doch vielleicht freuen sie sich etwas zu stark und zu früh, denn für einen Wendepunkt-Sieg ist der Herrgott-Wahlerfolg etwas zu undeutlich.

Eine Trendwende sieht anders aus

Für einen Allparteien-Kandidaten sind 52 Prozent kein übermäßig klarer Sieg. 2.200 Stimmen lagen hier zwischen Sieger und Unterlegenem. Einen Wendepunkt hätte das Ergebnis nur markieren können, wenn die Zustimmung für den AfD-Kandidaten zurückgegangen wäre. Im ersten Wahlgang kam dieser auf 45,7 Prozent der Stimmen. Im zweiten Wahlgang erzielte er – bei einer auf 68,6 Prozent gestiegenen Wahlbeteiligung  47,6 Prozent. Also hat auch der AfD-Kandidat Stimmen hinzugewonnen. Für den Sieg hat das nicht gereicht, aber eine Trendwende sieht anders aus. Wenn das das Ergebnis der vielen, vielen Demonstrationen „gegen rechts“ sein soll, dann ist die Erfolgsbilanz wohl eher bescheiden.

Das verwundert auch nicht, denn diese Demonstrationen setzen eher die Bilder zur Selbstvergewisserung der Teilnehmer, der Organisatoren und der verunsicherten Regierungspolitiker, als dass sie die AfD-Wähler erreichen. Sie nähren die Hoffnung, man bekäme den Zuspruch für die AfD-Opposition eingedämmt, ohne die eigene Politik so stark zu ändern, dass es dem Eingeständnis eigener grundlegender Fehler gleichkommt. Das aber ist das Signal, das der Großteil der AfD-Wähler mit ihrer Stimmabgabe seit etlichen Jahren an die Regierenden und etablierten Parteien senden will. Würden die darauf mit praktischer und unideologischer Politik auch in solch heiklen Fragen wie Energie oder Zuwanderung reagieren, würden die AfD-Zustimmungswerte schnell sinken. Doch solange solche Reaktionen ausbleiben, eben nicht.

Vielleicht hat die Anti-AfD-Kampagne trotzdem über die Zeit den gewünschten Erfolg, und manche bisherigen AfD-Wähler nehmen von der Partei wieder Abstand. Nur suchen sich die Unzufriedenen dann andere Wege, um ihre Wünsche an die Politik kundzutun. Das Angebot wird größer, denn das Parteienspektrum erweitert sich gerade. Und die von der Regierung mit zu verantwortenden Krisen werden wahrscheinlich in den nächsten Monaten dafür sorgen, dass der Unmut massiv wächst. Möglicherweise auch unter denen, die jetzt noch gegen Rechts auf die Straße gehen und dann vielleicht trotzdem auch gegen den Regierungskurs protestieren wollen.

 

Peter Grimm ist Journalist, Autor von Texten, TV-Dokumentationen und Dokumentarfilmen und Redakteur bei Achgut.com.

Foto: Montage Achgut.com

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Gerhard Schweickhardt / 29.01.2024

Wie kann man nach dem Fall Kemmerich die CDU wählen? AKK hatte keinen Einfluss auf die Thüringer CDU und ging wieder. Dann schlug Linder mit der Nötigung zu, dass Kemmerich zurück trat. Was ist das nur für ein hässliches Schauspiel in diesem Land?

Jochen Brühl / 29.01.2024

Größeren Erfolg als die ganzen anti-rechts-besoffenen Berufsdemonstranten wird vermutlich Hans-Georg Maaßen verzeichnen, der AFD Prozente abzunehmen, wonach dies zurecht dem BSW nicht oder nur sehr wenig zu gelingen scheint. Das liegt dann eben an einem grundlegend anderem Politikangebot, aber eben auch daran, dass Maßen keine Brandmauer als geistige Form des antifaschistischen Schutzwalles kennt und er damit glaubwürdig das Signal aussendet, dass eine Wahl seiner Partei nicht zur Weiterführung grüner Politik beiträgt.

Peter Meyer / 29.01.2024

Das bedeutet im Klartext, sobald eine Partei der „demokratisch-nationalen Front“ (Oder war es die „Volksfront von Judäa“, ach nee, die „jüdäische Volksfront“) die 5%-Hürde nicht schafft, was im Osten sowohl der FDP als auch der SPD blühen könnte, die AfD eine absolute Mehrheit hat. Aber rechnen ist bei den Altparteien keine geschätzte Fähigkeit mehr…

Fritz Dieterlein / 29.01.2024

Mir tut der Herr Herrgott wirklich leid. Obwohl ich die von der CDU/csu niemals mehr wählen würde. Warum: Der Herr Herrgott war mit seiner Wahl sichtbar überfordert. Was soll von solchen Gewählten noch gutes kommen außer das sie ihre Partei und ihrer Ideologie vertreten.                    M.f.G.

Ulla Schneider / 29.01.2024

Dieser ganze “Demonstationsmist” erinnert mich doch stark an die AKWs-Demos, die seinerzeit aus der gleichen Richtung organisiert wurde. Mit Bussen aus den Unis abgeholt und fürVerpflegung gesorgt. Die dickste Nummer war die in Bonn. - Und trotzdem war das Wahlvolk nicht so maßlos “dämlich” wie heute, wenn auch immer wieder in die linke Ecke geschoben wurde. Sie hatten die Einverleibung der CDU vergessen.  Das wird heute nachgeholt. -Bei diesen Vertretern eine der leichtesten Übungen.

G. Männl / 29.01.2024

Der Mann von der CDU hat erst einmal einen sicheren Posten, zumindest bis zur Gebietsreform die immer noch aussteht. Die große Minderheitsregierung in Erfurt schafft ja nichts. Bei ca. 68% Wahlbeteiligung bei 2 konservativen Kandidaten bleiben für 3 linke Parteien zur Landtagswahl nur ein paar Prozente.

H.-J. Pöschl / 29.01.2024

Lt. Ansage der Tagesschau hat nicht der CDU-Kandidat gewonnen, sondern “die Wahl des AfD-Kandidaten wurde verhindert”.

Lutz Gütter / 29.01.2024

Trotz des faden Nachgeschmacks war die Wahl doch ein Erfolg. Für die AfD, wiel knapp 50% in der Runde “Einer gegen Alle” doch recht bemerkenswert sind, für die restlichen Parteien, weil für einen Augenblick das “Wir” gewonnen hat. Ich befürchte jedoch, daß dieser Burgfrieden nicht lange hält. Herr Herrgott zieht mit einer ganzen Menge Verbindlichkeiten ins Amt, denn früher oder später werden die Unterstützer sich melden und ihn daran zu erinnern wissen, daß er ohne deren uneigennütziges Zutun nicht in Amt und Würden wäre. Im Falle des linken Spektrums vielleicht sogar etwas früher, da ab dem 01.02.2024 die Bezahlkarte für Flüchtlinge auch im Saale-Orla-Kreis eingeführt werden soll. Warten wir es mal ab. Für Herrn Thrum sieht das Ergebnis so gut aus, daß ein Direktmandat bei der LTW im Herbst durchaus realistisch erscheint.

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen

Es wurden keine verwandten Themen gefunden.

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com