Es ist, als ginge im Kasperletheater der Vorhang auf. Manche Puppen sind zwar neu, doch ihre Rollen längst bekannt, und dennoch tun alle so, als ob ein neues Stück beginnt. So ungefähr fühlt sich die Vorstellung der neuen Berliner Landesregierung an.
Während die Klebe-Extremisten versuchten, den Verkehr in der Hauptstadt zu behindern, haben die Berliner nun gestern ganz offiziell erfahren, wie sich ihr neuer Senat zusammensetzen wird, nachdem auch der CDU-Landesparteitag dem Koalitionsvertrag zugestimmt hat. Und im Unterschied zu der knappen SPD-Mehrheit von 54,3 Prozent bei der Mitgliederabstimmung bekam die Koaltion beim Landesparteitag der CDU eine 100-prozentige Zustimmung. Alle 275 anwesenden Delegierten sollen am Montag für das schwarz-rote Bündnis stimmen, ohne Gegenstimmen und ohne Enthaltungen. Manch DDR-Sozialisierter bekommen bei hundertprozentigen Abstimmungsergebnissen immer ein so mulmiges Gefühl, aber bei der Berliner CDU des Jahres 2023 kann sich wohl kein Parteitagsdelegierter gezwungen oder genötigt gefühlt haben, dem Vertrag gegen seine Überzeugung zuzustimmen.
Dennoch ist es bemerkenswert, dass die Sozialdemokraten einem inhaltlich von ihnen dominierten Regierungsprogramm nur mit knapper Mehrheit zustimmen, während sich die CDU, die inhaltlich nicht so viele sichtbare Spuren im Koalitionsvertrag hinterlassen hat, hundertprozentig hinter selbigen stellt.
Anschließend wurde auch von der CDU kundgetan, wer welches Senatsamt übernehmen werde. Die SPD hatte dies ja bereits zuvor getan. Franziska Giffey wird Vize-Regierende und Wirtschaftssenatorin, Iris Spranger bleibt wie in rot-rot-grünen Zeiten Innensenatorin, Senator für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen wird der bisherige Vize, Christian Gaebler. (mehr dazu hier)
Diese Besetzungen stehen für ein „Weiter so“. Und wer kommt nun von der CDU-Seite ins Amt? Klar ist natürlich, dass Kai Wegner Regierender Bürgermeister wird. Dass der Musikmanager Joe Chialo Kultursenator werden würde, war ebenso gesetzt. Die Süddeutsche Zeitung präsentierte ihn beispielsweise vor zwei Wochen unter der Überschrift „Türsteher, Sänger, Senator“ so: „Joe Chialo, 52, Musikmanager und Mitglied im Bundesvorstand der CDU, lässt selten eine Möglichkeit aus, sich zu Wort zu melden. Im Focus plädierte er im Meinungsbeitrag für ein gesellschaftliches Dienstjahr, in der Welt forderte er nach der Randale zum Jahreswechsel in Berlin 'tough love' gegenüber den Tätern, 'liebevolle Strenge'.“
Der 1970 in Bonn geborene Sohn einer katholischen Diplomatenfamilie aus Tansania war aber früher nicht nur Türsteher und später Musikproduzent, sondern hatte zuvor eine Berufsausbildung zum CNC-Fräser absolviert und ein Politikstudium begonnen. Er hat sein Geld jahrelang mit eigenen Firmen verdient. Er war in den neunziger Jahren einmal Mitglied bei den Grünen, trat dort aber wieder aus und 2016 – wie es heißt, wegen Angela Merkels „Flüchtlingspolitik“ – in die CDU ein. Diesen Merkel-Anhänger hatte schon Kanzlerkandidat Armin Laschet in sein Wahlkampfteam geholt. Der Mann hat eine interessante Biographie, aber steht er für einen Politik-Wechsel in Berlin?
Hoffnungszeichen nur für Kenner?
Wer sind die anderen CDU-Senatoren? Der langjährige Abgeordnete und Generalsekretär der Berliner CDU, Stefan Evers, soll Finanzsenator werden. Als Bildungssenatorin ist die bisherige bildungspolitische Sprecherin der CDU-Fraktion, Katharina Günther-Wünsch, vorgesehen.
Senatorin für Verkehr und Klimaschutz soll die stellvertretende CDU-Landesvorsitzende Manja Schreiner werden, eine promovierte Juristin mit Erfahrung in der Baubranche, wie die Welt schreibt. Das Justizressort wird die Vizepräsidentin des Bundesamts für Verfassungsschutz, Felor Badenberg, übernehmen, die bislang in der Berliner Landespolitik nicht bekannt war und auch nicht Mitglied der CDU ist.
Vielleicht vermag ein intimer Kenner der Berliner CDU in diesen Personalien Hoffnungszeichen zu erkennen. Immerhin läge für eine bessere Landesregierung als die bisherige die Latte nicht hoch. Nur die Erwartungen etlicher Berliner CDU-Wähler dürften höher sein. Zwar sind es die Hauptstadt-Bewohner gewöhnt, von ihren Landesregierungen enttäuscht zu werden, nur diejenigen, die diesmal für die CDU stimmten, werden von einem weiteren Versuch vielleicht wieder Abstand nehmen. Es wäre außerdem interessant gewesen, welches Ergebnis eine Mitgliederabstimmung bei den Christdemokraten gebracht hätte. Aber das wird man nie erfahren.
Wenn es mit dem neuen Senat, der nun vom Abgeordnetenhaus gewählt wird, wie im Kasperletheater weitergeht, dann müsste das Stück ja ein gutes Ende finden. Man braucht allerdings sehr viel Phantasie, um sich vorzustellen, wie das gehen könnte.