Hermann Schulte-Vennbur, Gastautor / 04.06.2023 / 10:00 / 26 / Seite ausdrucken

Italien retten oder das Klima?

Teile Italiens litten erst an Trockenheit, dann traf den Norden eine Flutkatastrophe. Und verantwortlich in allen Fällen ist – glaubt man den meisten deutschen Medien – der Klimawandel. Vielleicht sollte man aber erst einen Blick in die jüngste Vergangenheit werfen.

Auch das Jahr 2017 war in der Emilia Romagna sehr trocken, der Po füllte nicht einmal die Hälfte seines Bettes aus. Ich fragte den Wirt unseres Agriturismo, etwa 10 km vom Po entfernt gelegen, wie er mit der Trockenheit zurecht käme. Unser Wirt lachte nur, und erklärte, dass sei kein Problem: Er brauche nur gut einen Meter tief zu bohren und erreiche bereits das Grundwasser.

Große Flächen des Po-Deltas liegen unterhalb des Meeresspiegels. Erste Versuche, die sumpfigen Ebenen urbar zu machen, macht Herzog Alfonso II De´Este, Herzog von Ferrara, ab 1580. Erst in den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts gelang es mit Hilfe dampfbetriebener Pumpen, die Poebene großflächig zu entwässern, bewohn- und bewirtschaftbar zu machen. Insbesondere der Reisanbau in der oberen Poebene ist auf eine Feinsteuerung von Ent- und Bewässerung angewiesen.

E-Autos in Quarantäne

Um in diesem hydrogeologisch schwierigen Gelände dauerhaft die Balance zwischen austrocknen und versumpfen zu halten, bildeten sich die sogenannten Consorzii di bonificazione, Anstalten öffentlichen Rechts, finanziert durch Abgaben. Diese sind zuständig für die Ewigkeitsaufgabe der Pflege und des Ausbaus von Dämmen, Gräben, Rückhaltebecken und Pumpanlagen. Diesen öffentlichen Einrichtungen ist in den letzten Jahren die Arbeit schwer gemacht worden: Gesichtspunkte des Tier- und Naturschutzes wurden in den Vordergrund geschoben und haben die Pflegearbeit der Consorzii praktisch zum Stillstand gebracht.

Der Bürgermeister von Ravenna, Michele de Pascale, erklärte, es seien in den letzten Jahren unsinnige Prioritäten gesetzt worden. Man habe z.B. dem Schutz der Nutrias, die Löcher in die Deiche graben, Vorrang gegeben. Und man habe weitgehend auf das Zurückschneiden des Bewuchses verzichtet. Die entsprechenden Verwaltungsvorschriften, so der Bürgermeister “…schützen mehr die Bäume und die Nutrias als die Menschen”.

De Pascale fordert mehr Macht und neue Mittel, um wieder das Notwendige im Sinne der Bonificazione tun zu können.

Eine Vorsorgemaßnahme der Kommune Ravenna betraf E-Fahrzeuge. Nachdem ein feucht gewordenes E-Auto in Brand geraten war, hat die Kommune angeordnet, dass E-Fahrzeugbesitzer ihren Wagen 15 Tage lang, der öffentlichen Sicherheit wegen, nicht nutzen dürfen. Die Autos müssen im Freien abgestellt werden, in einer Entfernung von mindestens 5 Meter zu anderen Fahrzeugen oder zu Gebäuden.

Politische Verantwortung oder moralische?

Gibt es einen politisch Verantwortlichen für die Überschwemmungskatastrophe? “Piove – governo ladro / es regnet, Diebesbande Regierung” ist ein Spruch, der die italienische Neigung karikiert, für jedes Übel die Regierung verantwortlich zu machen. Die Regierung in Rom ist erst acht Monate im Amt, das wird schwierig mit der Verantwortungszuschreibung. Obwohl es Hardcore-Linke gibt wie Roberto Saviano, der ehemalige Mafia-Jäger, die auch das versuchen und die Regierung dafür anklagen, bisher den Klimawandel nicht aufgehalten zu haben.

Die Emilia Romagna ist allerdings, wie die Toskana, seit Kriegsende fest in der Hand der Linken, früher des PCI, heute des Partito Democratico. Die alte Linke hatte früher den Ruf, saubere Verwaltungsarbeit zu leisten. Die neue Linke ist auch in Italien woke und ökosozialistisch. Wichtiger als die Pflege der komplexen Be- und Entwässerungssysteme der Poebene und wichtiger als der projektierte, aber bisher nur zum Teil realisierte Bau neuer Rückhaltebecken ist der Kampf gegen den Klimawandel. Und das bedeutet in Italien vor allem, Photovoltaikanlagen zu installieren. Wenn der Klimawandel schuld auch an der letzten verheerenden Flut ist, müssen diese Anlagen folglich der beste Schutz vor weiteren Überschwemmungen sein.

Der für das Thema Klimarisiken bei der italienischen Gesellschaft für Umwelt-Geologie zuständige Geologe Massimiliano Fazzini erklärt in einem Interview, dass der politische Druck in Richtung Klimaschutz in der Regionalregierung der Emilia Romagna so massiv war, dass in den letzten zehn Jahren in Sachen Infrastruktur nichts geschehen sei. Fazzini: “Man kann nicht zu allem nein sagen, sonst sind wir in 10 Jahren ruiniert."

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Leserpost

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MarcusCato / 05.06.2023

Es gibt nichts Schöneres, als lokale Problem auf eine vermeintlich globale Entwicklung zurückzuführen. Das befreit Politiker von der Schuld, die sie durch ihre Verfehlungen auf sich geladen haben.

W. Renner / 04.06.2023

Um Italien zu retten fehlt mir das Geld und das Klima zu retten (welches denn bitte schön, und vor was oder wem?) verbittet mir der Respekt vor der Natur.

H.Wess / 04.06.2023

...ach es regnet auch in Italien… ist jetzt der Stiefel voll?

Dr. Olaf Borkner-Delcarlo / 04.06.2023

Seit nunmehr 47 Jahren bin ich mit meiner wunderbaren Frau aus der Emilia zusammen und seit 30 Jahren leben wir abwechselnd in Deutschland und Italien, in dem ererbten Haus meiner verstorbenen Schwiegereltern. Vignola heißt das Städtchen und liegt am Ufer des Panaro, einem Nebenfluss des Po. Jeden Tag machen wir unseren Spaziergang entlang des Panaro. Über Jahre war der Panaro ein kleines Rinnsal, das man trockenen Fußes leicht überschreiten konnte und zu Beginn unserer Beziehung wunderte ich mich, warum der Panaro, dieses kleine Rinnsal mit riesigen, bis zu zehn Meter hohen Mauern eingerahmt war. Ja, der Panaro ist ein kleines Rinnsal, doch wenn das Wasser aus dem Appenin kommt, dann kommen riesige Massen. Das ist ein Vorgang, der nicht oft vorkommt, aber dennoch so gravierende Folgen für die kleinen Städtchen entlang des Flusses zeitigt, dass man sich seit Jahrhunderten davor schützen musste. Noch der Großvater meiner Frau wurde im Dialekt der Gegend um Spilamberto ‘Barcarol’ genannt, dessen Aufgabe es war, bevor die Brücke in Spilamberto über den Panaro gebaut wurde, als Fährmann Mensch und Ware über den Panaro zu bringen. Der Fluss kann zu einem reißenden Strom werden und das schon seit Menschengedenken. Und damals wie heute hilft man sich und auch heute hilft die Jugend mit, ohne große Worte zu machen, so, wie es hier üblich ist. Wenn jetzt die Grünen wieder einmal vom menschengemachten Klimawandel schwafeln und dafür ausgerechnet dieses Hochwasser instrumentalisieren, dann zeugt das nur von großer Dummheit und Unkenntnis der Situation.

Gerd Maar / 04.06.2023

Wo bleibt der Don Camillo der den Peppones von heute die Meinung geigt?

Peter Robinson / 04.06.2023

Der Mann im Fernseher sagt, wenn wir alle viel mehr Steuer an die Grünen und Blackrock abgeben wird es kühler in Kuala Lumpur.

Ingo Minos / 04.06.2023

Das Hochwasser in der Emilia Romagna ist in der Literatur von Giovanni Guareschi schon in den vierziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts thematisiert worden. Diese Literatur von Giovanni Guareschi hatte auch eine Titelfigur, und das war und ist DON CAMILLO. In dem Film DON CAMILLOS RÜCKKEHR aus dem Jahr 1953 spielt das Hochwasser und die Überflutungen in der Emilia Romagna eine wesentliche Rolle. Wer auf YouTube nach DON CAMILLO HOCHWASSER sucht, wird fündig. Das Gebet, welches DON CAMILLO in dieser Sequenz des Films spricht ist in diesen Zeiten auch hochaktuell.

Talman Rahmenschneider / 04.06.2023

Es war alles schon schlimmer: Carnian pluvial episode, 1-2 Millionen Jahre Regen vor 232-234 Millionen Jahren. Bemerkenswert an der Sache: Wir waren nicht da. Hatten die frühen Saurier Maschinen?

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