Cora Stephan / 02.11.2023 / 10:00 / Foto: Sequajectrof / 24 / Seite ausdrucken

Die Stimme der Provinz: Abschied vom Kulturerbe

Der Klimawandel, so wird europaweit behauptet, zwingt uns einen neuen Lebensstil auf, der alle Gewissheiten infrage stellt. Die EU zwingt mit, u.a. zu mehr Energieeffizienz. Alte Steinhäuser, die das Gesicht der idyllischen Dörfer des Vivarais prägen, befinden sich, was Energieeffizienz betrifft, am unteren Ende der Skala und sind dadurch bedroht.

In unserem kleinen Dorf im Vivarais sterben die Alten weg. Nun stehen allein in unserer Straße sechs Häuser zum Verkauf, alte Steinhäuser aus dem 19. Jahrhundert oder älter. Jedes ein Stück Geschichte. Doch die Käufer scheinen sich zu zieren: Weil die Erwartungen an den Verkaufserlös der Verkäufer zu hoch seien, sagen die einen. Weil es einen Preissturz gibt: Denn niemand weiß, ob Häuser dieser Art die nächsten Jahre überleben. Die Alternativen, Niedrigenergiehäuser in Leichtbauweise, stehen bereits am Dorfrand auf der grünen Wiese.

Erwartungen beeinflussen Entscheidungen. Wir treffen sie nicht nur nach eigenem Gusto, nach Abwägen von Vor- und Nachteilen, nach Kosten-Nutzen-Analyse. Sondern auch nach unseren Zukunftserwartungen. Kein Wunder also, dass derzeit Unsicherheit herrscht: Worauf kann man sich verlassen, in absehbarer Zeit? Wann kommt wieder einer mit einer neuen irren Idee um die Ecke, um irgendeiner Gefahr zu wehren, an die wir längst nicht mehr glauben?

Gut, Optimisten bauen Häuser auch dort, wo es schon einmal ein verheerendes Hochwasser gegeben hat, so im Ahrtal. Aber vielleicht sind sie auch nur vergesslich oder hören ungern den Älteren zu, die mit dem weißbehaarten Kopf wackeln und vom Krieg und anderem Unheil erzählen. Wird schon nix passieren. Und wenn ja, dann ist nicht die eigene Sorglosigkeit schuld, sondern der Klimawandel. Klar doch. 

Der Klimawandel ist bedrohlich, vor allem die Rede davon. Der Klimawandel, so wird europaweit behauptet, zwingt uns einen neuen Lebensstil auf, der alle Gewissheiten infrage stellt. Europa, so will es die EU, soll bis 2050 „klimaneutral“ werden.

Müßig, zu fragen, was das denn sein soll. „Klima“ ist eine Durchschnittsgröße, die man weder „neutral“ machen noch „freundlich“ behandeln kann. Egal: Da der Irrglaube nicht auszurotten ist, die Emission von CO2 beeinflusse diesen Durchschnittswert, etwa durch große Hitze oder andere extreme Wetterereignisse, soll alles getan werden, um CO2 „einzusparen“. Und das heißt, unter anderem, Häuser „energieeffizient“ zu machen.

Schießscharten und Schimmel

Doch so einer der alten Steinkästen, wie sie das Gesicht der idyllischen Dörfer des Vivarais prägen, befindet sich, was Energieeffizienz betrifft, am unteren Ende der Skala. Das senkt schon mal den Preis, denn der Käufer müsste investieren – bis Ende 2024 sollen jährlich 700.000 Wohnungen „energetisch saniert“ werden. Und das ist erst der Anfang. Darüber freuen sich höchstens die Baubranche und die Heizungsinstallateure. 

Der neue Götze ist der „U-Wert“, die Wärmedurchlässigkeit eines Bauteils, einer Wand, eines Daches, von Fenstern und Türen. 

Dichte Fenster? Das ginge ja noch, ist nur, wenn man statt schlichter Glasflächen eine ästhetische Unterteilung durch Sprossen haben möchte, verdammt teuer. Es sei denn, man mauert die Fenster einfach zu. Auch eine Lösung.

Überhaupt: Auch das Verhüllen und Verputzen ist aufwändig und ändert das Dorfbild – nicht zum Besseren. Und schließlich müssen Heizungsrohre durch bis zu vierzig Zentimeter dicke Bruchsteinwände geführt werden, wenn es eine Zentralheizung statt Kamin, Ofen oder der in Frankreich beliebten Elektroheizung sein soll. 

„Es ist unter dem Gesichtspunkt kollektiver, industriegesteuerter und leider auch politisch forcierter Panikmache leicht nachvollziehbar, durchaus verständlich, dass nicht wenige Bauherren bereit sind, für rund 200 bis 300 € Energieeinsparung im Jahr rund 10.000 € Kredit aufzunehmen. Zuzüglich Zinsen!! Und vor lauter U-Wert entwickeln wir immer mehr eine Luft- und winddichte Burgmentalität!“, schreibt ein kritischer Vertreter von Steinhäusern. 

Genau: Schon ist bei gut gedämmten Bunkern mit ein paar wenigen an Schießscharten erinnernden Fenstern der Schimmel unterwegs. Oder Algen. Oder andere gesundheitsschädigende Wesen. Ganz zu schweigen von den Gespenstern aus der Vergangenheit, die in rauen Nächten klagend durch die miefigen Zimmer ziehen… „Wer hat mein Dorf so zerstört.“

Sentimental? Rückwärtsgewandt? Naja: Ich stelle mir Frankreichs einst stolze, jetzt verlassene Hameaus vor, über die die Raben kreisen, während sich die Bevölkerung in den Neubauvierteln mit Schimmelbekämpfung amüsiert und den Windkraftdingern auf den Bergspitzen zuwinkt. 

Adieu, Patrimoine. 

 

Cora Stephan ist Publizistin und Schriftstellerin. Viele ihrer Romane und Sachbücher wurden Bestseller. Soeben ist ihr neuer Roman „Über alle Gräben hinweg. Roman einer Freundschaft“ erschienen.

Foto: Sequajectrof, CC BY-SA 3.0, Link

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Gus Schiller / 02.11.2023

Unter “Reisereporter” findet man 12 deutsche Fachwerkstädte, die dann bald keinen Pfifferling mehr Wert sein werden. (z.b.Bacharch, Rothenburg, Lemgo, Quedlinburg u.v.m). Schei…egal, hauptsache das Klima stimmt.

finn waidjuk / 02.11.2023

Man zeige mir auch nur ein schönes Haus, das jünger als 100 Jahre ist. Alles, was nach dem art deco kam, ist nur noch eine optische Zumutung. Das gilt auch und besonders für die Kästen des Bauhauses. Ganz besonders schlimm finde ich die Repliken regionaler Baustile. Mir wird jedesmal speiübel, wenn ich in einer Neubausiedlung den Klon eines “mediterranen Hauses” (was zur Hölle das auch sein mag) neben einem “Friesenhaus” stehen sehe, direkt neben einer rotlackierten Holzkiste, die sicher irgendwie “skandinavisch” rüberkommen soll. Gemeinsam haben sie alle, dass es sich um überteuerten Müll aus den Katalogen irgendwelcher Fertighaushersteller handelt mit dem Wohnklima einer Plastiktüte.

Dr. Thomas Dörfler / 02.11.2023

Wie bestellt (gewählt), so geliefert… Es möge sich keiner beschweren, der GRÜN, SPD, SED, FDP, CDU/CSU…. gewählt hat. Oder die gleiche Mischpoke in Frankreich ;-)

Andreas Bitz / 02.11.2023

Ideologisch verbohrte Kulturbanausen zerstören - mit Dämmung, Windkraftanlagen, Agrarwenden - über Jahrhunderte gewachsene Strukturen, Gebäude, Kulturlandschaften. Die einzige Lösung; Abwahl - und die Auszählung kritisch begleiten.

Michael Schroeder / 02.11.2023

Sorry, wenn die Leute so dämlich sind und das u.ä. mit sich machen lassen, kein Mitleid…

Bernd Keller / 02.11.2023

Pfui! Mit dieser Einstellung bin ich fast aus dem Meisterkurs “Instandhaltung historischer Bausubstanz” geworfen worden. Aber 80cm Bruchstein habe nun mal auch einen U-Wert und ein Haus von 1789 scheint irgendwie sinnvoll konstruiert wenn es nach ein paar Jahrzehnten, Generationen und Kriegen immernoch steht. Obacht auch bei “Experten” die einen “Fachmann” kennen… Solar kommt jetzt trotzdem in den Garten - das Brennholz soll ja trocken lagern. Nachfolger wollen ja auch was zum Gruseln auf dem Dachboden finden, für die alten Flaggen unter wechselnden Kriegsherren hat man ja auch immer ein Loch zum Reinstopfen gefunden.

armin wacker / 02.11.2023

Wenn es wärmer wird, dann sind die alten Steihäuser ultimativ im Vorteil. Die brauchen nämlich keine Klimaanlage. Also da wo ich lebe, wäre eine Erwärmung um fünf Grad durchaus wünschenswert.

Nikolaus Neininger / 02.11.2023

In Ergänzung zu Herrn Cremer: es gibt dazu auch eine Studie, die untersucht hat, wie viel des “menschengemachten” CO2 überhaupt in der Atmosphäre bleibt: maximal ein Drittel! Die restliche Steigerung ist demnach natürlichen Ursprungs. Die Unterscheidung geht so: Die Atmosphäre enthält einen bestimmten Anteil von radioaktivem Kohlenstoff-14 (14C). Es gibt ein Gleichgewicht zwischen der Erzeugung durch kosmische Strahlung und dem radioaktivem Zerfall mit 5730 Jahren Halbwertszeit, sodaß dieser Anteil in der Atmosphäre praktisch konstant ist. Alle Lebewesen mit Stoffwechsel zeigen dann ebenfalls diesen Anteil. Mit dem Tod kommt kein frisches 14C mehr nach und der Anteil nimmt entsprechend der Halbwertszeit ab - das benutzen dann z.B. die Archäologen für die Altersbestimmung (“Radiokarbon-Methode”). Jetzt kommt (endlich) der Trick: Kohle, Öl und Gas sind so alt, daß dort kein 14C mehr enthalten ist, das CO2 aus ihrer Verbrennung ist entsprechend ebenfalls frei von 14C. Entsprechend der Zunahme des CO2 aus der Verbrennung fossiler Stoffe müßte also entsprechend der mittlere Gehalt an 14C in der Atmosphäre sinken - tut es aber nicht im erwarteten Maß.

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