Wolfram Weimer / 02.08.2016 / 16:07 / Foto: Lvcvlvs / 10 / Seite ausdrucken

De Maizière ist Merkel-Verteidigungsminister

Terroranschläge erschüttern Deutschland. Politisch rücken schlagartig zwei Innenminister in den Fokus der Republik: Thomas de Maizière und Joachim Herrmann. Sie sind zuständig für Sicherheit, Terrorbekämpfung und Polizei, der eine in Berlin, der andere in Bayern. Beide zeigen in der Krise eine verblüffende Rund-um-die-Uhr-Präsenz, beide suchen mit sonoren Stimmen die richtigen Worte zu bitteren Wahrheiten, beide sind politisch hoch erfahren, beide gelten als integer, kirchlich engagiert, beide sind Juristen, Reserveoffiziere, beide starteten ihre Unions-Karrieren beim RCDS, beide haben jeweils drei Kinder und beide spielen auch noch privat Klavier.

Und doch zeigen die beiden Innenminister große Unterschiede im Handling der Krise. Herrmann schlüpft konsequent in die Rolle des Polizisten, Mahners und Beschützers. De Maiziere gibt sich als Integrationsbeauftrager, Besänftiger und Versöhner. Der Bayer spricht Klartext über die Sicherheitskrise im Land, äußert auch unbequeme Wahrheiten zum Zusammenhang von Flüchtlingszustrom und Terrorismus. Der Berliner mahnt hingegen permanent vor „Generalverdacht“ wie „voreiligen Schlüssen“, der eine fordert „Schutz“, der andere „Besonnenheit“. Der Bayer will die Grenzen schützen und das Asylregeln verschärfen, der andere appelliert für bessere Integration.

Mit jedem Tag, in dem der eine als schwarzer Sheriff auftritt, der andere aber als grün-roter Merkelversteher, wird der politische Unterschied schroffer sichtbar. Denn Herrmann sieht in der Offentor-Flüchtlingspolitik von Angela Merkel mit der unkontrollierten Massenzuwanderung von muslimischen Männern ein enormes Sicherheitsrisiko für die Republik. De Maizière wirkt dagegen wie der Merkel-Verteidigungsminister. Er weiß, dass die Terrorwelle die ohnedies angeschlagene Akzeptanz der Kanzlerin in der Flüchtlingsfrage weiter schwächt – also verteidigt er die Linie der Kanzlerin demonstrativ und redet Gefahren eher klein, wo Herrmann sie frontal adressiert.

De Maizière verliert mit seiner Nibelungstreue zu Angela Merkel Glaubwürdigkeit

Für de Maizière ist die Nibelungstreue zu Angela Merkel schwierig. Er verliert in der Öffentlichkeit an Glaubwürdigkeit, und auch in der eigenen Partei schwindet sein Rückhalt. Denn eigentlich, so heißt es im Führungskreis der CDU, müsste der Innenminister in dieser Lage Kante und Entschiedenheit zeigen, um die liberale Zuwanderungslinie der Kanzlerin besser zu flankieren als sie bloß zu kopieren. Viele in der CDU würden sich – schon weil das Thema wahlentscheidend werden dürfte – auch in Berlin lieber einen „schwarzen Sheriff“ der Republik wünschen.

Ganz anders ergeht er Herrmann. Er gewinnt enorm an Popularität – so sehr, dass manche in ihm bereits den „gefühlten Ministerpräsident“ sehen. Tatsächlich galt Herrmann bereits früher als denkbarer Kandidat für das Amt des bayerischen Ministerpräsidenten. 2008 zog er seine Kandidatur jedoch zu Gunsten von Horst Seehofer zurück. Heute heißt es mit Blick auf die offene Seehofes-Nachfolge: „Je eher, desto Herrmann“. Je früher Seehofer sich zurück ziehen werde, desto höher sei die Chance Herrmanns. Laut einer Umfrage wünschten sich bereits im Januar mehr bayerische Wähler einen Ministerpräsidenten Herrmann als einen Regierungschef Markus Söder. Jetzt sind seine Werte noch besser geworden.

Doch vorerst wächst Herrmann zum innenpolitischen Taktgeber der Republik. Im Zuge der Flüchtlingskrise drängte er die Bundesregierung zur Verschärfung des Asylrechts und zur Ausweitung der sicheren Herkunftsstaaten. Dass Deutschland wieder Kontrollen an der Grenze zu Österreich einführte, gilt auch als Herrmanns Verdienst. “Es kann nicht sein, dass wir nicht wissen, wer sich in unserem Land aufhält”, so der Innenminister. Außerdem brachte er eine Obergrenze für Flüchtlinge in Höhe von 200.000 Menschen jährlich ins Spiel.

Herrmann klingt wie ein Hardliner - wird aber kaum gescholten

Die Ereignisse dieser Tage empfinden viele in der CSU als Bestätigung seiner Politik. Nun fordert er den Einsatz der Bundeswehr zur Terrorbekämpfung sowie eine Verschärfung der Asylregeln für straffällig gewordene Migranten im Asylbewerberverfahren. „Wir müssen auch anderen deutlich machen: Jeder hat die Rechtsordnung dieses Landes zu akzeptieren.“ Das deutsche Recht stehe über dem Recht des Korans der der Scharia. Wenn das jemand anders sehe und dagegen verstosse, müsse schon auf niedrigerer Schwelle als bisher deutlich werden, dass er das Land wieder zu verlassen habe.

Herrmann klingt damit wie ein Hardliner, doch selbst beim politischen Gegner wird er für solche Töne kaum gescholten. Auch Margarete Bause, Fraktionschefin der Grünen im bayerischen Landtag und wichtigste CSU-Kritikerin in Bayern, hält den Innenminister grundsätzlich „für einen besonnenen Mann“. Unter den SPD-Kollegen gilt er als konziliant. “Wir pflegen eine sehr gute und konstruktive Zusammenarbeit", sagt Bremens Innensenator Ulrich Mäurer gegenüber tagesschau.de. Herrmann sei ein “sehr sympathischer Kollege”, zu dem er ein “herzliches Verhältnis” habe. Im September feiert Herrmann seinen 60. Geburtstag. Er wird dann seit neun Jahren Innenminister sein und dürfte nicht ruhen, die Fehler der Berliner Migrationspolitik offen zu kritisieren. Zum Leidwesen von Thomas de Maizière.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf The European.

 

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Leserpost

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Dietrich Horak / 02.08.2016

Auf jeden Fall ist mir der MP Seehofer und der schwarze Sheriff von Bayern sympathischer als die ganze Bundesregierung.

Hans-Peter Hammer / 02.08.2016

@ Dietrich Herrmann (Sie sind nicht etwa verwandt oder verschwägert mit ihm? Ich mein ja nur, wegen der Nachnamensgleichheit! - Nein, war nur ein Scherz!) Entschuldigung, ein Landesinnenminister der zu einem klaren Urteil eines Gerichts (gemeint ist das Urteil zum “Bayern Trojaner”) sagt: “Das ist die Meinung des Gerichts!” und damit zu verstehen gibt Behörden, Ministerien und Minister wären an solche Rechtsprechung nicht gebunden, stünden über dem Gesetz, ihnen hätten Gerichte nichts zu sagen, den möchte ich keinesfalls als Bundeskanzler! Der würde - wenn vielleicht auch mit anderen Vorzeichen - die gleichgelagerte derzeitige Politik, die auch meint an Recht, Gesetz und Verträge nicht gebunden zu sein, nur fortsetzen! Nein, davon haben wir inzwischen wirklich genug!

Heinrich Rabe / 02.08.2016

Minister De Maizière hat keine Wahl. Er kann nach der Bundestagswahl 2017 nur mit Merkel im Amt bleiben. Gewinnt sie und bleibt Kanzlerin, muß er dann die ganze Zeit hinter ihr gestanden haben. Verliert sie Wahl und Amt, bringt ihm auch eine zwischenzeitlich abgesetzte Positionierung in einer Oppositions-CDU viel mehr Nach- als Vorteile. Er wird seinen Kurs nur im Kielwasser der Kanzlerin ändern, und die sagt unverändert “Eisberge? Unsinn. Volldampf voraus!” Insofern ist Minister Herrmann der wesentlich interessantere Politiker, weil er - das genaue Gegenteil von Minister De Maizière - für Ministerpräsident Seehofer auch als “Vorhut” für einwanderungskritische bzw. stabilisierende Positionen auftritt und dabei eigenständig Akzente setzen kann.

Rainer Boldom / 02.08.2016

“Mit jedem Tag, ... wird der politische Unterschied schroffer sichtbar.” Das kann man aber auch anders sehen. Wie Vera Lengsfeld schon gestern feststellte: Die CSU betreibt nichts als Dampfplauderei. Rechts blinken und einfach weiter gerade aus fahren. Mich hat der Verdacht schon im vergangenen Herbst beschlichen, daß CSU und CDU hier das Spiel guter Bulle, böser Bulle spielen - oder meinetwegen auch pointierter: Dr. Jekyll und Mr. Hyde. Die CSU hat im heißen Herbst und Winter lautstark protestiert und Bayern hat den besten Job im Land gemacht. LaGeSo kann sich da Scheiben dutzendweise abschneiden. Die bundesweite Ausdehnung der CSU ist ja augenscheinlich vom Tisch. Wenn jemand, dann kann nur die CSU eine weitere Kanzlerschaft von Merkel sicherstellen. Wer was ändern will, kann die Etablierten nicht wählen. Ob man andere wählen kann, das muß sich erweisen. Zitat Lichtenberg: Ich weiß nicht, ob es besser wird, wenn es anders wird. Aber ich weiß, daß es anders werden muß, wenn es besser werden soll.

Dietrich Herrmann / 02.08.2016

Also - ich könnte mir den Herrn Herrmann auch sehr gut als Bundeskanzler vorstellen…

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