Cora Stephan / 01.06.2023 / 11:00 / Foto: Pixabay / 23 / Seite ausdrucken

Cora Stephan: Die Stimme der Provinz: Die Flucht aus den Städten

Wieder einmal hat das Landleben Konjunktur. Insbesondere junge Familien verlassen die Städte. „Die Zahl der Fortzüge aus den kreisfreien Großstädten in kleinere Städte und ländliche Regionen ist im Vergleich zu 2019 um 1,8 Prozent angestiegen, gleichzeitig sanken die Zuzüge in die Großstädte um 5,4 Prozent. Damit ist das Binnenwanderungssaldo der Großstädte auf einem so niedrigen Niveau wie seit 30 Jahren nicht mehr, als es eine deutliche Abwanderung in das Umland (Suburbanisierung) gab.“ Diese Zahlen hat das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) in Wiesbaden auf Grundlage von aktuellen Daten des Statistischen Bundesamts berechnet.

Hat es so etwas nicht immer schon gegeben? Der Welle der „Aussteiger“ aus dem „kapitalistischen Verwertungszusammenhang“ verdankte Italien, Frankreich und Deutschland bereits in den 70er und 80er Jahren ein Wiederaufblühen der Jahrzehnte zuvor verlassenen Provinz. Verbunden übrigens nicht gerade selten mit dem Gedanken einer völligen Abnabelung auch, was die Versorgung mit Lebensmitteln betrifft. Stadtkinder machten sich damals kundig mit Büchern wie der Biogarten-Bibel oder der „Stimme des Bodens“ und scheiterten meist schon bei Ansetzen einer Spritzbrühe aus Brennesseln. Nur wenige machten aus dem selbsterzeugten Schafskäse ein blühendes Geschäft. 

Die Städter, die jetzt vermehrt aufs Land ziehen, dürften andere Vorstellungen haben. Bio gibt es schließlich auch im Supermarkt, den Rest bringt amazon, weshalb noch nicht einmal ein Lastenfahrrad nötig ist.

Die Gründe für die Konjunktur der Provinz liegen offenbar in den Nachteilen der städtischen Umgebung. Entweder sind die Mieten unerschwinglich oder man konkurriert mit den Zuwanderern um günstigen Wohnraum. Entweder gibt es keine Kitaplätze oder in den Schulklassen wird kaum noch Deutsch gesprochen. Die Coronamaßahmen richteten überdies  einen gigantischen Flurschaden an, was Shopping, Theater, Kino betrifft, ganz zu schweigen von Restaurants und Kneipen. Zugleich lernten viele die Vorzüge des Home Office schätzen – und das geht, Internetanschluss vorausgesetzt, auch auf dem Land.

Glückliche Provinz?

Ungern wird in den aktuellen Untersuchungen erwähnt, dass auch die Anwesenheit unterbeschäftigter junger Männer aus anderen Kulturen im Straßenraum nicht immer Freude macht, zumal dann, wenn sie mit Drogen dealen oder erwarten, nicht nur die öffentlichen Verkehrsmittel, sondern auch die Läden ohne Bezahlung nutzen zu dürfen – und bei Widerstand oder auch nur Widerspruch schon mal gewalttätig werden. 

Ein Arbeitsplatz muss nicht unbedingt in der Stadt liegen, zumal es auf dem Land keineswegs nur Landwirtschaft gibt. Die deutschen „hidden champions“ agieren meistens jenseits der Städte. Sofern man sie nicht mit hohen Energiekosten vertreibt.

Nun, für die Provinz ist der Drang aufs Land nicht unbedingt eine glückliche Angelegenheit. Die Neubaugebiete wachsen – und deren Bewohner haben selten auch nur Kontakt zum alten Dorfkern. Dass die weitere Zersiedlung der bereits von Windparks zugekleisterten Landschaft nicht unbedingt sinnvoll ist, liegt auf der Hand, insofern muss man, wenn auch ungern, Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) zustimmen, wenn sie meint, es sei „ökonomisch und ökologisch unsinnig“, wenn jede Generation neue Einfamilienhäuser baue. Nicht nur die Stadt Münster will keine Einfamilienhäuser mehr zulassen, egal, was die Bürger wollen.

Schöner wäre es natürlich, es gäbe mehr Verrückte, die gar nicht neu bauen wollen, sondern alte Fachwerkhöfe restaurieren. Dieses Risiko aber wird kaum einer noch eingehen, der die berechtigte Furcht hat, dass Robert Habecks „Wärmewende“ den sicheren Tod für den Altbestand an Häusern bedeuten würde, da der für die Wärmepumpe erforderliche Sanierungsaufwand nicht nur zu teuer, sondern auch ruinös wäre. Kein Fachwerk hält die dämmende Burka aus.

Was tun? 

Wir hier in der Provinz würden es begrüßen, wenn die Städte wieder mehr Platz bekämen für all die Fachkräfte, die die Regierung anwerben will. Man denke an die Latifundien, die eigentlich nicht mehr gebraucht werden: etwa die Studios und Sendesäle der Rundfunkanstalten, die man zu Geld machen könnte, statt der schwindenden Zuhörer- und Zuschauerschaft mehr „Demokratieabgabe“ abzupressen. Mit den heutigen Möglichkeiten kann man vieles erledigen, ohne ein Rundfunk- oder Fernsehstudio zu betreten. Sendesaal als Flüchtlingsunterkunft? Auch eine Idee. 

Und erst Berlin! Was könnte man an Platz gewinnen (und Geld sparen), wenn der Ausbau überdimensionierter Kanzlerämter, Parlamentsbüros und Ministerien sofort gestoppt würde samt ihrer klimaschädlichen Ausdünstungen.

Achja. 

Man wird ja wohl noch träumen dürfen. 

Foto: Pixabay

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Stephan Bender / 01.06.2023

Als eingeborener Berliner, abgehärteter Großstädter und Intellektueller werde ich oft gefragt, was ich denn eigentlich unter Provinzialität verstehe. Meine Antwort lautet regelmäßig: Wenn zum Beispiel jemand versucht, in einer Titelüberschrift zwei Doppelpunkte unterzubringen…

gerhard giesemann / 01.06.2023

@jan b.. Ihre Befürchtungen teile ich. Die SPD hätte damit nicht die erste Republik ruiniert. Was für Idioten. Gruß aus Gleiwitz.

Ronald Mader / 01.06.2023

Punkto Altbestand/Fachwerk restaurieren müsste ich, als ehem. Ofensetzer - handwerkl. gebaute Grundöfen, Kachelöfen, Kamine - erst nachrechnen. Doch ich lebe in einem Holzblockhaus von ca. 1740 und erreiche je nach Rechenart locker Energieklasse “D”, mit etwas Geschick ;-) sogar “C”. Außerdem ist die angedachte Energieverbrauchserfassung nach m² Unsinn. Denn um seriös den tatsl. Wärmebedarf/Energiebedarf zu berechnen, benötige ich u.a. auch die Wand- und Fensterflächen. Logischerweise benötigt ein 50 m² Raum mit 2,20 m Höhe weniger Wärmeenergie, als ein 50 m² Raum mit 3,50 m Höhe. Minderwertig gebaut wurde, meist durch Geldmangel, immer. Speziell in den letzten 100 Jahren. Der großflächige Baupfusch begann, als man den Leuten Hohlkammerziegel, quasi Luft statt Speichermasse, verkaufte. Dann begann nachträgliche Dämmung, tls. mit schlimmen Folgen. Jedenfalls werden Holz- und Lehmbauten, als auch die alten Vollziegelbauten mit entsprechend dicken Wänden schwer unterschätzt. Ich kann jedem nur eine gut erhaltene alte Hütte empfehlen - überdauerte nicht ohne Grund die Jahrhunderte -, oder nach alter Kunst zu bauen.

Sam Lowry / 01.06.2023

“Insider: In Saporischschja naht nukleare Katastrophe” (n-tv). Man kann nur noch beten, dass der Wind dann gut für uns steht…

Sam Lowry / 01.06.2023

Wer Kabul importiert, hilft nicht Kabul, sondern wird selbst zu Kabul…

Peter Holschke / 01.06.2023

Wenn die Fütterung in den Großstädten ein- bzw. umgestellt (Fresst Ungeziefer!) wird es dort unlustig. Besser man haut vorher ab.

Ralf Ehrhardt / 01.06.2023

Mir vollkommen unverständlich wenn Sie, Frau Stephan, der Aussage der Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) zustimmen, die da meint, es sei „ökonomisch und ökologisch unsinnig“, wenn jede Generation neue Einfamilienhäuser baue.  Die Zersiedelung und Zerstörung (!)  der Landschaft findet ganz überwiegend allein durch riesige überdimensionierte Wind- und Photovoltaik-Parks statt.  Und übrigens: ...jeder Umzug aus der Stadt in ein EFH auf dem Land macht Wohnraum in der Stadt frei, der doch angeblich so dringend benötigt wird; ...oder?

Matthias Ditsche / 01.06.2023

Kita. Shopping. Home Office. Hidden Champions. Frau Stephan, falls Sie mal wieder auf dem Lande sind, entsorgen Sie diesen Sprachmüll doch bitte auf dem nächsten Misthaufen. Typischer Großstadt -Hippster -Sprech. Wenn Sie Pech haben, wird sich der hiesige Biobauer diesen Sondermüll verbitten, genau wie die anderen Marotten der städtischen Zuzügler. Klugscheißer und Oberlehrer sind dort nämlich nicht gerne gesehen. Und, Schlepper fahren mit Diesel - und nicht mit grünen Hirngespinsten.

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen

Es wurden keine verwandten Themen gefunden.

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com