Wie angenehm ist es doch, kein Amts- oder Würdenträger zu sein, sondern nur ein Kolumnenschreiber. Man kann sich seiner Meinungsfreiheit unbeschwert erfreuen. Ist man ein Außenminister, vor allem einer namens Westerwelle, oder ein Bischof namens Mixa, löst man aufgeregte Proteste aus, sobald man etwas sagt, was jemandem nicht in den Kram passt.
Der aktuell übliche Vorwurf lautet: „Verhöhnung“ Guido Westerwelle verhöhnt Millionen Arbeitslose; Walter Mixa verhöhnt die Opfer des sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche. Wirklich?
Schauen wir uns den Hohn noch einmal kurz an. Guido Westerwelles Kernsatz lautete, dass diejenigen, die arbeiten, mehr haben sollten, als diejenigen, die nicht arbeiten. Das so unverblümt zu sagen, gilt in unserem lieben Deutschland als provokant. Und Herzenswärme zu verbreiten, sei es auch nur verbal, ist sicher seine Stärke nicht. Aber seine Aussage ist doch so korrekt, dass man sie banal nennen möchte.
Und was hat Bischof Mixa gesagt? Er hat den sexuellen Missbrauch scharf verurteilt. Er hat darauf hingewiesen, dass die katholische Kirche nicht die einzige Großorganisation ist, in der es Sünder gab und gibt. Und er hat die Meinung geäußert, dass unsere sexuell freizügige Gesellschaft nicht ganz unschuldig daran sei, dass Menschen auf Abwege geraten.
Da verteidigt ein Bischof seine Kirche und weist mit dem Finger auf die Gesellschaft insgesamt. Das muss man nicht mögen. Aber wo ist da die Verhöhnung der Opfer? In der Tonlage vielleicht? Bei Westerwelle kann man, wenn er mit scharfer Stimme vor spätrömischer Dekadenz warnt, mit Mühe einen Hauch von Hohn hinein hören. Aber Mixa, mit seiner milden Bischofsstimme, ist, was den Tonfall angeht, geradezu hohnunfähig.
Wäre Westerwelle kein Minister, man würde ihm vielleicht zurufen: „Komm, Westerwelle, mach mal halblang.“ Und Walter Mixa würde man vielleicht sagen: „Komm, Bischof, versuch nicht, dich rauszureden.“ Aber so einfach ist das bei ihnen nicht. Sie sind in Amt und Würden; darum gelten sie gleich als Menschheitsverhöhner, wenn sie den schmalen Pfad erwünschter Meinungsbreite verlassen.
Dabei gehört es doch zur Bürde des Amtes, dass man sich nicht sklavisch oder opportunistisch auf diesem schmalen Pfad bewegt. Und ich meine, in einem freien Land sollte dieser Pfad breiter sein, eine richtige Straße, auf der man gelassen fahren kann.
Auf einer breiteren Straße erträgt man auch leichter diejenigen, die immer gleich „Verhöhnung“ rufen.