Der Streit darüber, ob nun die Leser dümmer sind als die Redakteure ihrer Leib- und Magenblätter, oder ob es sich gerade anders herum verhält, ist nie eindeutig entschieden worden. Was auch damit zu tun hat, dass sich Leser und Journalisten nach einer gewissen Zeit anzugleichen pflegen, wie Herrchen und Hunde. Leserbriefe in der FAZ zum Beispiel stehen in Bezug auf Länge, Unverständlichkeit und Korinthenkackerei den Artikeln, auf die sie sich beziehen, oft in keiner Weise nach. Kunststück, denn ihre Autoren – Prototyp ist der seit ca. 46 Jahren emeritierte Professor einer Geisteswissenschaft, von welcher kein Normalbürger je etwas vernommen hat – entstammen häufig demselben Fachbereich wie die Verfasser der Stücke.
Eines indes ist in Medienkreisen unbestritten: „Spiegel“-Leser besserwissen mehr….
Das „Ham wer doch schon imma jewusst!“-Gekrähe ihres Leitmediums, sobald irgendein Kind in den Brunnen plumpst, hallt von den Leserspalten des Magazins als schauriges Echo zurück. Anlässlich der Titelgeschichte in Heft 50/08 („Die Geburt der Deutschen“), die sich mit dem Sieg der Germanen über die Römer befasste, fiel Spiegel-Leser Gert Hans Wengel sofort die Analogie ein:
„Die Germanen wollten sich nicht von der römischen Dekadenz infizieren lassen und leisteten erbitterten Widerstand. Vergleichbar ist die Situation im Irak.“ Und Leser Wolfram Kroll: „Eine überlegene Militärmacht zieht in ein fremdes Land, um Kultur und Ordnung zu schaffen. Die Einwohner haben keinen Bock auf eine fremde Kultur, verbünden sich und führen mit Erfolg einen Guerillakrieg. Fazit: Moralische Überlegenheit kann von technischer nicht besiegt werden.“
Am luzidesten aber der Kommentar von Leser Holger Baumann: „Was folgte, war ein mehrtägiges Gemetzel, an dessen Ende eine hochgerüstete, römische Militärmaschine vernichtet war und in dessen historischem Verlauf zwei Weltkriege, der Holocaust und die Stunde null standen“. Noch mal, zum Mitsingen: wären die Römer im Teutoburger Wald nicht solche Weicheier gewesen, so wären die Weltkriege und Holocaust nicht passiert, weil es ja keine Deutschen gegeben hätte, die man dazu benötigte. Und das noch viel Schlimmere, das der Welt wegen der Unfähigkeit des feigen Itakerpacks angetan wurde, nämlich diese entsetzliche Stunde null, die hätte dann auch keinem geschlagen.
Letztlich ist es wohl gerecht, wenn die Einkommen der Spiegel-Redakteure höher sind als die der meisten Kollegen. Wer solche Leser hat, muss sich jeden Abend was auf die Lampe schütten, bis der Kolben glüht.
Geht ins Geld, auf Dauer.