Peter Grimm / 06.05.2018 / 16:00 / Foto: Pink Sherbet / 16 / Seite ausdrucken

Satnam und die Macht der Liebe

Die deutsche Zuwanderungspolitik mag ja irre sein. Sicher ist es schwer zu erklären, warum man Menschen mit der Aussicht auf soziale Vollversorgung und spätere regelmäßige Zahlungen als Belohnung für das Erreichen Deutschlands ins Land lockt. Natürlich ist es nicht besonders klug, daran nichts zu ändern, obwohl man weiß, dass so das Geschäft der Schleuser gefördert und subventioniert wird. Es mag kaum nachvollziehbar sein, wieso dafür jährlich mehrstellige Milliardenbeträge fließen, während für Flüchtlinge, die nahe ihrer Krisengebiete bleiben und die für eine Flucht nach Europa zu arm sind, höchstens Millionenbeträge erübrigt werden. Und es ist selbstverständlich absurd, wenn jedermann ohne Papiere ins Land und ins Sozialsystem kommen kann und dann auch in beidem bleiben darf, obwohl er kein Bleiberecht bekommt, weil man ihn ja ohne Papiere nicht abschieben kann. Aber bei all dieser Kritik sollten wir uns auch an den schönen Geschichten freuen, die das Leben dank all dieser Absurditäten schreiben kann.

Die Geschichte von Satnam beispielsweise wäre doch netter Drehbuch-Stoff für einen schönen Vorabendfilm. Die Dresdner Neuesten Nachrichten haben sie immerhin jüngst in einem Gerichtsbericht aufgegriffen.

Satnam ist Inder und kam schon 2010 nach Deutschland, um einen Asylantrag zu stellen und sich fortan in die Fürsorge des deutschen Staates und seiner Steuerzahler zu begeben. Sicherheitshalber variierte er bei den Angaben zu seiner Person ein wenig und erklärte, keinen Pass oder andere Papiere zu besitzen. Er wusste wahrscheinlich, dass ihm sein Heimatland mangels systematischer politischer Verfolgung kaum glaubhafte Asylgründe mitgegeben hatte. Nach der unanfechtbaren Ablehnung des Antrags konnte er nicht abgeschoben werden, weil er ja angeblich keinen Pass hatte. Und wenn Satnams Heimat auch keine Asylgründe bot, so kooperiert sie doch zu seinem Glück auch nicht übermäßig eifrig bei der Rücknahme abgelehnter Asylbewerber.

Wie hunderttausende andere abgelehnte Asylbewerber erhielt Satnam eine Duldung, die insgesamt 13 Mal verlängert wurde. Dabei muss der Duldungsgrund offiziell jedes Mal neu geprüft werden, aber in Satnams Fall war das ja leicht: Da er angeblich über keine Papiere verfügte, wurde die Aussetzung der Abschiebung jedes Mal verlängert. Die Ausländerbehörden sollen sich zwar bei der indischen Botschaft um neue Dokumente bemüht haben, aber dabei hätte Satnam trotz Mahnungen nicht mitgewirkt. Ernste Konsequenzen hatte das nicht, er konnte weiter friedlich von Sozialleistungen in Dresden leben. Auch das ist ja bekanntlich kein Einzelfall.

„Aus generalpräventiven Gründen“

So hätte es noch lange weitergehen können, und der mittlerweile 41-jährige Mann hätte regelmäßig bei der Ausländerbehörde erscheinen müssen, um seine Duldung zu verlängern, wenn ihn nicht die Liebe errettet hätte. Denn – so hieß es vor Gericht – der Angeklagte habe sich in Deutschland in eine Frau verliebt, so innig, dass er sie unbedingt heiraten wollte.

Nun kann man zwar heutzutage als Zuwanderer in Deutschland leben, sich versorgen lassen und Sozialleistungen beziehen, ohne selbst einen Identitätsnachweis beibringen zu müssen, doch zum Heiraten braucht man Personaldokumente. Für die Hochzeit, also für die Liebe, riskierte Satnam nun ganz mannhaft ein deutsches Strafverfahren, indem er seinen indischen Pass präsentierte, ausgestellt im Jahre 2006 und mit anderen Angaben zur Person, als er sie selbst bis dahin gemacht hatte.

Wegen Erschleichens von Aufenthaltstiteln durch falsche oder unrichtige Angaben in 13 Fällen landete Satnam nun unter seinem richtigen Namen vor dem Dresdener Amtsgericht. Der Staatsanwalt plädierte – so berichtet es der Gerichtsreporter – für die Härte des Rechtsstaats: „Jeder Hartz IV-Empfänger, der falsche Angaben macht, wird auch für jeden Folgeantrag abgestraft. Er hat die Behörden über Jahre belogen. Das muss aus generalpräventiven Gründen verfolgt werden, so etwas darf keine Schule machen.“

Das klingt nach einer zu erwartenden harten Strafe für den Liebenden, doch wie in einem schönen Vorabendfilm, der Macht der Liebe preist, ging auch diese Geschichte gut aus. Das Gericht verurteilte Satnam zu fünf Monaten auf Bewährung. Er muss nicht ins Gefängnis, er muss auch nie wieder seine Duldung verlängern, und er muss auch nie wieder in die Heimat zurückkehren, denn mit dem wiedergefundenen Pass hatte Satnam ja heiraten können. Und die Ehe mit der liebenden Frau, die schon länger hier lebte, hat ihm einen richten Aufenthaltstitel verschafft.

Dieser Beitrag erschien auch hier auf sichtplatz.de

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Archi W. Bechlenberg / 06.05.2018

Damit das im Deutschen Staatsfernsehen ein echter Tränenzieher wird, empfehle ich folgenden Plott: Satnam hatte natürlich Papiere, als er nach Deutschland flüchtet, die verliert er allerdings 2010 auf dem Weg zur Meldebehörde, als er von einer Horde Nazis verfolgt wird und nur knapp mit dem nackten Leben davon kommt. Die Papiere werden von einer alten Dame, die schon länger hier lebt, gefunden, aber nicht abgegeben, da sie nicht gut zu Fuß ist und liegen lange unbeachtet in ihrer Küchentischschublade. Ihr nichtsnutziger Enkel Maik entwendet die Brieftasche Jahre später auf der Suche nach Geld für Drogen und wirft sie auf der Straße wieder weg, da nur seltsame Papiere drin sind. Ein syrischer Facharzt aus Marrakesch findet die Brieftasche und bringt sie umgehend zum nächsten Fundbüro. Der dort tätigen Sachbearbeiterin kommt der Mann auf dem Passfoto bekannt vor, und richtig, es ist Satnam, ihr zukünftiger Gatte! Überglücklich schließt dieser noch am selben Abend seine Papiere und seine Verlobte in die Arme.

Christa Blessing / 06.05.2018

Wie schön, dass in DE offensichtlich das ganze Jahr über “närrische Zeit” herrscht. Ein ewiger Karneval. Jeder Ankommende macht, was ihm beliebt und der Staat wird an der Nase herumgeführt und zwar gründlich. Aber laut Herrn Steinmeier sei DE immer noch ein Rechtsstaat. Ach, ja? Irgendwie hat ein Rechtsstaat doch gewisse Rechtsvorgaben, Gesetze, Regeln usw einzuhalten. Ein Rechtsstaat schützt normalerweise seine Grenzen, in einem Rechtsstaat bestimmen normalerweise nicht irgendwelche Zuwanderer welche Gesetze für wen gelten und welche nicht, in einem Rechtsstaat geben normalerweise nicht kriminelle Schlepper vor, wer einreist und wer nicht. In einem Rechtsstaat haben die Bürger den Glauben an Recht und Ordnung nicht verloren und in einem DEMOKRATISCHEN Rechtsstaat ist immer noch das Volk der oberste Souverän. Aber vielleicht lebt es sich mit soviel Narretei lustiger? Wer weiss. Die Leute hätten es ja in der Hand zu sagen, was sie wollen.

Monique Basson / 06.05.2018

Die Religionen haben in der Vergangenheit schon genügend Unheil angerichtet und statt froh zu sein, dass das Theater endgültig Geschichte ist haben wir vorzivilisatorische Gedankenwelten fröhlich und gutherzig importiert.

R. Schneider / 06.05.2018

Na ja. Solche und ähnliche Geschichten kann ich nicht mehr hören und lesen. Es dauert nur noch einige Jahre und dann ist alles endgültig unumkehrbar.

Cornelia Buchta / 06.05.2018

Aha - was lernt man daraus: es ist egal, wie dreist man betrügt - der deutsche Staat ist und bleibt dumm. Er erwartet Skrupel. (!) Loyales verantwortungsvolles Verhalten wird zwar von allen (zahlenden) Bürgern erwartet, aber nicht belohnt. Belohnt wird derjenige, der durch seine Sozialisierung von klein auf gelernt hat, am cleversten zu bescheißen. Er kann sich auf die Schulter klopfen, denn er hat ein erfolgreiches Verhalten an den Tag gelegt. Ich bin sicher, auch diese Story hat sich schon viral im Netz verbreitet und neue Anregungen für Nachahmer geliefert.

C. J. Schwede / 06.05.2018

Absurd! So etwas lässt sich kein anderer Staat bieten. Und wenn es um Familienzusammenführung geht - warum können die beiden Liebenden nicht in Indien ihr gemeinsames Glück ausleben, zumal der künftige Bräutigam mit seinen Betrügereien ja bewiesen hat, dass er den hiesigen Staat und damit diese Gesellschaft nicht achtet?

Stephanie Lenz / 06.05.2018

Die grenzenlose Liebe schreibt doch noch immer die schönsten, bezauberndsten Geschichten. Wenn doch nur Amor noch viel mehr Pfeile verschießen würde… Millionenfach! Dann würde die zutiefst humanistische One-World-Utopie ganz im Sinne unserer romantischen Kanzlerin endlich Realität, oder?

Simon Schwarzenberg / 06.05.2018

Sehr geehrter Herr Grimm: Interessant ist ja auch, dass es außer dem Inder Satnam, über den die DNN berichteten, noch einen anderen Probleminder in Dresden zu geben scheint, Amit. Über den schrieb die Sächsische Zeitung unter dem Titel “Die Grenzen der Liebe”. Die beiden Rührstücke ähneln sich. Nun stelle ich mir die Frage: Gibt es zwei (oder noch mehr) Probleminder in Dresden, könnte dahinter also eine (indische) Methode stecken, oder sind Amit und Satnam ein und derselbe? Wenn ja: Wieso schreibt dann die SZ das eine—und die DNN das andere? Aus indischen Gründen? Oder weil Dresden und Neu-Delhi schon viel verbindet?

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