Vera Lengsfeld / 13.01.2013 / 22:49 / 0 / Seite ausdrucken

Karl, Rosa und der lebendige Stalinismus

Seit 2006 gibt es an der Gedenkstätte der Sozialisten in Friedrichsfelde, wo die Linke, früher PDS, früher SED jährlich im Januar der ermordeteten Gründer der KPD Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg gedenkt, auch einen Gedenkstein für die Opfer des Stalinismus. Dieser Gedenkstein ist ein Stachel im Fleisch von Stalinisten, Neo-Stalinisten und Unbelehrbaren aller Couleur auch und gerade, da die Führung der Linken nach der Ehrung der KPD-Gründer immer auch am Gedenkstein für die Opfer des Stalinismus Blumen ablegt. Der Gedenkstein ist deshalb immer wieder Ziel von Angriffen und wird regelmäßig geschändet. So auch letztes Jahr wo diese Attacke bei der Luxemburg-Liebknecht-Demo aus den Reihen der linksextremen kurdischen Neostalinisten kam.

Der Verband der Opfer des Stalinismus (VOS) wollte deshalb dieses Jahr auch eingedenk des 25-ten Jahrestages der Luxemburg-Liebknecht-Affäre ein Zeichen für die Linksparteiführung setzen, dass solcherlei Attacken nicht geduldet werden dürfen.

Auf Grund der Schwierigkeiten mit den extremen Kräften in der Hauptdemo hat die Linksparteiführung die Luxemburg-Liebknecht Ehrung vor die eigentliche Demonstration gesetzt. Pünktlich um 9:30 war es soweit - unter den Klängen von „Unsterbliche Opfer“ setzte sich setzte sich der Zug mit Gregor Gysi an der Spitze zügig in Bewegung. Sarah Wagenkecht und ihr persönlicher und politischer Partner Oskar Lafontaine waren im Wahljahr natürlich auch dabei. Wobei auffällig war, dass es insgesamt zu diesem Zeitpunkt viel weniger Menschen vor Ort waren als man nach den Berichten und Meldungen der vergangenen Jahre annehmen musste. Am Gedenkstein traf die Linksparteiführung dann auf die dem VOS-Aufruf gefolgten Mahner unter meiner Führung. Die neu gebaute Einfriedung des Gedenksteins (auch eine Reaktion auf die früheren Anschläge) war mit kleinen VOS-Schildern eingerahmt, die an Opfer des Stalinismus erinnerten. Die Stiftung Aufarbeitung des SED-Unrechts hatte auch schon einen Kranz abgelegt. Gregor Gysis Gesicht war eine einzige Gewitterwolke, als er sich über die Tafeln beugen musste, um seine Nelke abzulegen. Auch der Rest der Parteiführung war sichtlich genervt. Obwohl es ein Dietmar Bartsch oder eine Petra Pau schon schafften einer Vera Lengsfeld auch die Hand zu geben. Was aber sehr auffällig war: Frau Wagenknecht und Oskar Lafontaine waren plötzlich nicht mehr unter ihren Spitzengenossen, obwohl Sarah Wagenknecht ja eine Spitzenkandidatur bei der Bundestagswahl und mindestens einen Vorsitz in der neuen Bundestagsfraktion anstrebt. Hat Sarah Wagenknecht immerhin vielleicht einen Rest Sensibilität bewiesen, denn wie hätte sie sich vor den Opfern des Stalinismus verneigen können? Sie die 1992 noch Ulbricht gelobt und die Politik Stalins als faktisch alternativlos charakterisiert hat?

So wurde heute auf dem Sozialistenfriedhof wieder das Dilemma der Linken deutlich: auch nach über zwanzig Jahren hat sie außer Gysi keinen vorzeigbaren Spitzenkandidaten und die mögliche Spitzenkandidatin denkt nicht daran, sich von ihrer Ulbrichtverehrung und Stalinapologie ernsthaft zu distanzieren. Mehr noch. Mit der Parteiführung waren praktisch nur die „Reformer“ gekommen und mit dem Hauptdemonstrationszug kann sich diese Linke schon lange nicht mehr sehen lassen.

Und dies aus guten Grund, denn als sich der eigentliche Demonstrationszug dem Friedhof näherte, änderte sich das friedliche, von Nelken dominierte, Bild vollständig. Im Zug gab es lautstarke totalitäre Parolen, aggressive Transparente und jede Menge Lenin-, Thälmann-, und vereinzelt auch Stalinbilder. DDR-Fahnen wurden geschwenkt und FDJ-Hemden über der Thermowäsche getragen. Hier marschierten die totalitären Linken. Kein Wunder, dass sich die Linksparteiführung von diesen Gruppierungen separiertiert hat. Hier waren ein paar Tausend unterwegs, die die LL-Demo in die Tradition der Erste- Mai- Randale stellen wollen.

Tatsächlich kam es am Gedenkstein für die Opfer des Stalinismus wieder zu Ausschreitungen von gewaltbereiten Linksradikalen. Die linken Ordner, die in diesem Jahr speziell aufgestellt worden, um den Gedenkstein zu schützen, wurden angepöbelt und bedrängt. Stalin gehöre schließlich zum Kommunismus. Die Polizei musste eingreifen um Schlimmeres zu verhindern. Hier war etwas von dem Geist von Frau Wagenknecht zur materiellen Gewalt geworden.

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