Haben Sie schon den aktuellen „Star-Wars“- Film, Episode 8, gesehen? Alles ist wie immer. Zu Anfang eine minimale Einführung für „Star-Wars“-Unerfahrene, also nicht für notorische Fans wie mich. Sie verschwindet in den Weiten des Weltalls, besonders in 3-D ein schöner Effekt, und der Sternenhimmel ist großartig.
Wie sonst auch im täglichen Leben weiß man nicht, ob die Guten die Guten bleiben und die Bösen die Bösen, die „Macht“ ist ein menschlich' Ding, sie hat immer beide Seiten. Die Landschaften sind traumhaft, wie so oft karg und wüstenartig, es gibt rotes Salz unter weißer Schneedecke, und ein ganz Mutiger leckt daran, obwohl es doch Kaliumhexazyanoferrat-II sein könnte oder – etwas harmloser – irgendwas mit Chrom oder Kupfer.
Gern gehen am Horizont zwei Sonnen auf oder unter, und Spielcasinos sind diesmal eher „retro“ und bedauerlich arm an lustigen Aliens, nur ein kleiner Dicker macht ein bisschen Slapstick. Waffenhändler beliefern – das kennt man – beide Seiten, Kinder sind unsere Hoffnung, und, wie immer: kein Sex. Selbst die Liebe in den Zeiten des Sternenkriegs hat etwas rührend Großherziges, immer gilt es, jemand zu retten, ein Individuum oder besser noch gleich die ganze Galaxis.
Nackte Brüste gibt es dennoch zu sehen, sie sind graugrün und gehören einer Art Kreuzung aus Saurier, Tapir und Kuh, und sie geben leckere, grünliche Milch. Hautfarben und Geschlechter sind auch sonst gut verteilt, allerdings gibt es keine Transgender, außer bei den Aliens – vielleicht. Wieso die einsame Admiralin auf der Brücke ihres Kreuzers erst die halbe Flotte ihrer in Rettungskapseln sitzenden Mannschaft hops gehen lässt, bis sie endlich zur guten alten, kaiserlich-japanischen Kamikaze-Taktik greift, erschließt sich dem geneigten Zuschauer nicht sofort. Auch nicht, warum sich Mark Hamill nach intensiver Jedi-Meditation nebst Fernkampf in Luft auflöst. Es muss einfach ziemlich anstrengend gewesen sein, sich drei Minuten lang mit Photonentorpedos beschießen zu lassen und ein Laserschwert im Bauch zu haben, wenn auch nur in Gedanken.
Das Ende des Unkorrekten
Man merkt auch, wie sehr Han Solo fehlt; der flapsige, politisch völlig unkorrekte Typ ist angestrengten, nachhaltig ergebnisorientierten Rebellen gewichen, die sich durchaus über Befehle hinwegsetzen, desertieren und meutern dürfen, ohne irgendwelche disziplinarischen Konsequenzen befürchten zu müssen wie weiland der Prinz von Homburg. Das liegt wohl weniger an der Toleranz der weiblichen Führungsebene, die sie „mag“, als an der Tatsache, dass am Ende knapp 400 Rebellen – wie einst das Häuflein der Spartaner an den Thermopylen – auf eine Gruppe von etwa zehn Leuten zusammengeschrumpft sind gegen eine vor allem technologische Übermacht, die – außer auf dem Flugdeck, denn dort gibt es plötzlich Sturmtruppen in Reichsparteitagsstärke – auch nicht viel mehr interessantes Personal aufbieten kann.
Erschüttert blickt man auf den Nacken des Vatermörders Ben Solo, den von hinten der Rand eines klassischen schwarzen Waffen-SS-Helms ziert. Na gut, dass kennen wir von Lord Vader auch, aber der Helm zerbricht, von seinem Träger selbst zerdeppert. Dieser ziemlich gebrochene Antiheld mit der Prinz-Eisenherz-Frisur und dem ständigen Dackelblick, auch seine wie immer ferngewürgten Kumpane, sehen fortan in ihren langen schwarzen Mänteln eher aus wie Neo und seine Gegenspieler in „The Matrix“. Irgendwie fehlt er mir, Darth Vader, Lord Helmchen .
Ich fand früher immer, dass etwas Wahres daran ist, wenn er mir von der Leinwand aus gepresst zuraunte: „Ich bin Dein Vater!“ Das mag an meinem Vater liegen, der einst NSDAP-Mitglied gewesen war. Das Zerbrechen des Ben-Solo-Helms deutet vielleicht, ebenso wie das erwartungsgemäße Ausscheiden der Figuren der Prinzessin Leia und des Luke Skywalker an, dass nicht nur die Nazi-Masche nicht mehr richtig zieht, sondern dass auch das gute alte Laserschwert nichts anderes ist als einen Staffelstab, der nun endgültig, zur Not mal wieder per Telekinese, weitergegeben wird an die nächste Generation. Es ist eine Generation, die in ihrer Moral – seltsamerweise – noch viel deutlicher verunsichert ist als meine.
Integration für Tiere
Auch der Wortwitz ist ihr abhanden gekommen. Das alte Duo C3PO / R2D2 hat kaum einen gemeinsamen Auftritt. Für die Gags müssen Tiere herhalten, der Wookie-Affe Chewbacca wird notgedrungen zum Vegetarier, obwohl der gegrillte Vogel schon an seinem Spieß steckt. Die süßen Vögel – oha, es sind jene, die offenbar schon länger dort leben – beschweren sich. Sie landen, bei erhöhten G-Kräften, auch schon einmal hilflos flatternd am Fenster des von ihnen instandbesetzten Uralt-Raumschiffs. Auch das kann also passieren, wenn plötzlich Fremde aus anderen Kulturen zum Grillen kommen. Aber, man lernt einander tolerieren, integriert sich und hört schnell wieder auf mit den Gags und Mäkeleien. Dafür lerne ich ganz grauzonenfrei, dass man nicht zuerst das vernichten soll, was man hasst, sondern das retten, was man liebt.
Am Ende sind dann die Rebellen gegen die neue Ordnung des Imperiums entsprechend stark dezimiert, ohne dass man Leichen sieht. Und es weitet sich der Blick aus dem Alien-Pferdestall der Amüsierstadt auf die Weiten des Universums, im Vordergrund ein zur Kinderarbeit als Alien-Pferdepfleger missbrauchtes Kind, dessen Insignien ein Besen und der Ring der Rebellen sind. Die Sache mit Gut und Böse, der „Macht“ und dem Häuflein der idealistischen Benachteiligten zielt also bereits auf die übernächste Generation.
Damit wir uns nicht falsch verstehen: Der Film ist glänzend gemacht. Wie früher bei den Klausuren, die ich schreiben musste, ist im besten Fall einfach „alles drin“. Am Ende war ich ehrlich gerührt, vor allem wohl vom Sternenhimmel, den Landschaften, den Spezialeffekten und den eigenen Erinnerungen an die Zeit, als ich dreizehn Jahre alt war und fasziniert von der ersten Folge. Wie heißt es doch in Episode 8: „Todesstern-Technologie“.
Und es bleibt, vielleicht deshalb, ein schaler Beigeschmack zurück: Die alte Garde ist abgetreten, die Prinzessin und ihr früher himmelsstürmender Bruder glänzten vor allem durch gebrochene Sentimentalität, gebrochene Spiritualität und gebrochene Selbstzweifel. Auch sie sind also alt geworden. Und auch die galaktischen Nazis und die geschliffenen, lässigen, ironischen Dialoge früherer Episoden – oder, war es doch nur die erste? – gehören nun wohl für immer einer interstellaren, relativistischen Vergangenheit an. Irgendetwas sagt mir das über meine Zeit, und ich werde diese einfachen Dinge vermissen.
Auf dem Rebellenparkplatz?
Am Ende schlenderte ich im Parkhaus des Kinos an den Frauenparkplätzen vorbei und fragte mich, wo denn die Parkplätze für Männer, Alien-Transgender, intergalaktische Nazis, Rebellen, Schwarze, Asiaten, Wookies und Roboter sind, und irgendwie kamen mir dabei Zweifel an der universellen Gerechtigkeit.
Hoffentlich stehe ich mit meiner alten, Sturmtruppen-weißen deutschen Diesel-Mühle auf einem Rebellenparkplatz. Aber, an meinem stand gar nichts. Danach musste ich zurück ins Kino, Wasser holen, wie auf einem Wüstenplaneten, weil der Wagen anzeigte, ich solle Kühlwasser auffüllen, sofort: „Lesen Sie die Bedienungsanleitung!“.
Scheiß Technik. Aber, ich schaffte es auch so. Bei „Star Wars“ fliegen auch die ramponiertesten Kisten noch mit Überlichtgeschwindigkeit. Ich kam mit Tempo 50 nach Hause. Irgendwie sind sie da bei „Star Wars“ also auch schon ein bisschen weiter.