Alles beginnt am Freitag, dem 01. Oktober um 18:45 Uhr in Lyon. Ein Mann stiehlt eine blaue Jacke im Wert von 39 Euro im C&A Store in La Part-Dieu. Der mutmaßliche Dieb wird dann von den Sicherheitskräften in den Korridoren des Einkaufszentrums gestellt und der Polizei übergeben. Im Polizeigewahrsam weist er sich mit einem tunesischen Reisepass aus, der auf den Namen von Ahmed Hamachi, 29 Jahre, ausgestellt ist. Er behauptet, obdachlos zu sein, im dritten Arrondissement von Lyon zu leben und von Zeit zu Zeit als Maler tätig zu sein. Auch behauptete er, ein harter Drogenkonsument zu sein.
Schnell stellt sich an Hand der Fingerabdrücke heraus, dass der Tunesier sich illegal in Frankreich aufhält und sein Abschiebeverfahren läuft. Seit 2005 wurde er zehnmal wegen krimineller Delikte wie Verstoß gegen das Einreisegesetz, Drogenhandel und Diebstahl verhaftet, aber nie verurteilt. Stattdessen bekommt er 2009 eine befristete Aufenthaltsgenehmigung bis zum Januar 2017. Danach wird sein Abschiebeverfahren eingeleitet, aber nicht durchgeführt.
Bei seiner Verhaftung in Lyon stellt sich außerdem heraus, dass er bei seinen Straftaten acht verschiedenen Identitäten angegeben hat. Die Polizei beantragt daraufhin einen Haftbefehl. Dieser wird allerdings nicht vollstreckt, da der zuständige Beamte der Präfektur an einem Samstag bei einer Militärfeier ist, sich niemand traut, seinen Stellvertreter anzurufen, und das Verwaltungs-Abschiebegefängnis Lyon Saint-Exupéry sowieso überfüllt ist. Der Tunesier wird schließlich am Samstag gegen 15 Uhr entlassen.
241 Menschen von Islamisten ermordet
Am nächsten Tag, einem Sonntag, fährt er früh mit dem Zug von Lyon nach Marseille. Dort stürzt er sich nach seiner Ankunft um 13.45 Uhr auf der prächtigen und weiten Außentreppe des Bahnhofsvorplatzes mit einem Küchenmesser auf eine junge Frau, schlitzt ihr die Kehle auf und ruft "Gott ist groß". Danach ersticht er eine weitere junge Frau. Ein Passant bewaffnet sich mit einer Fahnenstange und schlägt den Terroristen nieder, eine Militärpatrouille der Sentinelle eilt herbei. Der Täter rappelt sich hoch und stürzt sich mit weiteren „Allahu Akbar“ Rufen und mit zwei Messern bewaffnet auf die Soldaten, die ihn mit zwei Schüssen in Notwehr töten.
Die beiden Opfer sind die Cousinen Laura und Mauranne, 20 und 21 Jahre alt. Die Jüngere, eine Medizinstudentin, war nach Marseille gekommen, um mit Ihrer Cousine, einer Krankenschwester, ihren 20. Geburtstag zu feiern.
Nach den Enthüllungen der unfassbaren Vorgeschichte des Attentats verweist der Innenminister Gérard Collomb die Angelegenheit an die Generalinspektion der Verwaltung (IGA). Deren Untersuchung soll Licht in das Handeln der staatlichen Dienste bringen „um bei Bedarf Lehren daraus ziehen können".
Die Tragödie in Marseille geschieht zu einem Zeitpunkt, da die National-Versammlung am kommenden Dienstag über das Gesetz zur Terrorismusbekämpfung abstimmen wird, das zum 1. November den Ausnahmezustand beenden soll. Es geschieht auch am Vorabend des Prozesses gegen Mohamed Merahs Bruder, der im Namen des Dschihad drei Soldaten, einen Lehrer und drei Kinder einer jüdischen Schule ermordet hat, bevor er im März 2012 von der Polizei getötet wurde. Wieder einmal – wie schon so oft - versichert der französische Regierungschef: „Wir werden nicht in unserer Wachsamkeit nachlassen.“ 241 Menschen wurden in den vergangenen Jahren in Frankreich von Islamisten ermordet, viele von ihnen Frauen und Kinder.
Präfekt der Region Auvergne-Rhône-Alpes entlassen
Innenminister Gérard Collomb, beschloss am 10.10. – gut vier Wochen nach der Tat – auf der Grundlage des Berichts der IGA, dass der Präfekt der Region Auvergne-Rhône-Alpes Henri-Michel Comet und der Generalsekretär Xavier Inglebert wegen "schwerwiegender Funktionsstörungen" der Behörden entlassen werden. Das ist nun aber der feine Unterschied zwischen Deutschland und Frankreich. In Deutschland wird seit fast einem Jahr ermittelt und wohl niemand muss um sein Amt fürchten.
In den deutschen Medien kocht in Anbetracht der kommenden Niedersachsen-Wahl das Verbrechen in Marseille auf ganz kleiner Flamme. Erschien doch gerade der Bericht des Sonderermittlers im Falle des Tunesiers Anis Amri, der das LKW-Attentat auf dem Berliner Weihnachtsmarkt verübte und in dem sich die Parallelen zum Falle Hamachi förmlich aufdrängen. Der Bericht zum Anschlag in Berlin attestiert den Berliner -, NRW- und Baden-Württemberger Behörden ein Totalversagen. Amri hätte aufgehalten werden können – hätten die Beamten „den Hintern bewegt“.
Außerdem läuft in Freiburg gerade der Prozess gegen den Sexualmörder Hussein K., der eine Freiburger Studentin vergewaltigte und tötete, nachdem ihn die griechischen Behörden nach einem versuchten Mord an einer jungen Griechin amnestiert hatten. Gleichzeitig findet in Bonn der Prozess gegen Eric X. statt, der nach eigener Aussage in seiner Heimat Ghana seinen Schwager in einer Erbstreitigkeit erschlagen hat und sich im Prozess aufführt, wie ein Superheld, der sein Opfer verhöhnen kann.
Fast könnte man meinen, die europäischen Staaten hätten eine General-Amnestie für diverse Verbrecher dieser Welt ausgerufen, die es bis hierher geschafft haben. Sie werden mit einer oder mehreren neuen Identitäten ausgestattet, bekommen eine Wohnung – im Falle Hussein K. 70 Quadratmeter – und Taschengeld – im Falle Hussein K. 400€ im Monat. Und sollten die Amnestierten hier wieder kriminell werden, dann rückt Justitia ihre Augenbinde über beide Augen, damit sie die Kollateralschäden nicht wahrnehmen muss.