Peter Grimm / 13.12.2016 / 11:40 / 17 / Seite ausdrucken

Das Schweigen vom Boykott

Seit Tagen ist bekannt, dass Gerald Hensel, der ‎Executive Strategy Director Digital der Werbeagentur Scholz & Friends, zu deren Kunden die Bundesregierung, die EU-Kommission und Staatsunternehmen wie die Deutsche Bahn gehören, seine Verbindungen nutzt, um Unternehmen zu einem Werbeboykott gegen die „Achse des Guten“ zu drängen. Man muss die "Achse" nicht mögen, aber vor zwei Jahren gestanden ihr auch ihre Kritiker noch einen Platz in der Mitte der Gesellschaft zu: „So ist die Polemik der Achse des Guten in der Regel liberal, individualistisch, westlich und marktwirtschaftlich orientiert“, schrieb beispielsweise Gideon Botsch 2014 in der „Zeit“. Gefahren drohen von solchem Gedankengut eigentlich nur dem, der ein Problem mit der Freiheit und westlichen Werten hat.

Deshalb sollten bei jedem Journalisten und Publizisten die Alarmglocken schrillen, wenn jemand aus den Reihen einer staatstragenden Werbeagentur, die bestens vernetzt ist, einen Werbe-Boykott gegen diesen kritischen Autorenblog organisiert, um ihn wirtschaftlich zu strangulieren.

Seit dem frühen Montagmorgen ist nun bekannt, dass Hensels Boykott-Initiative erfolgreich war und er alle relevanten Werbekunden dazu bringen konnte, sich furchtsam von der "Achse" zurückzuziehen. Die bislang für den Autorenblog arbeitende Agentur sah sich in der Folge genötigt, um eine Auflösung des Vertrags zu bitten.

Wo bleiben die Journalisten-Verbände?

Spätestens an dieser Stelle hätte ich eigentlich einen Aufschrei aus den Redaktionen dieses Landes erwartet, denn dort sollte man doch spätestens dann aufmerken, wenn Kollegen durch den wirtschaftlichen Druck eines Werbeboykotts mundtot gemacht werden sollen. Aber bis zum späten Abend gab es keinen Aufschrei. Auch Journalistenverbände oder deutsche Organisationen, die sich gern und verdienstvoll für die Meinungs- und Pressefreiheit in der Welt einsetzen, scheinen diesen Einschnitt im eigenen Land bisher übersehen zu haben. Sie alle schweigen. Warum? Weil eine gezielte Denunziation nachhaltig gewirkt hat?

Der Executive Strategy Director Digital der Agentur mit den lukrativen Staatsaufträgen hätte natürlich keine „in der Regel liberal, individualistisch, westlich und marktwirtschaftlich orientiert(e)“ Publikation so erfolgreich angreifen können. Doch er brandmarkte sie flugs als „rechtspopulistisch“. Das klingt anrüchig genug, beinahe nach Nazis. Und bevor jemand auf die Idee kommt, es könnte sich hier um eine Einzelmeinung des Executive Strategy Director Digital handeln, kann dieser sich auf die Expertise des steuergeldfinanzierten „Netz-gegen-Nazis“ stützen. Unter der Überschrift „Digitale Hass-Quellen“ wurde dort bekanntlich auf „Rechtspopulistische Websites“ und „Rechtspopulistische Blogs“ verlinkt, darunter die "Achse des Guten". (Seit gestern wird die Achse des Guten dort nicht mehr aufgeführt!)

Interessanterweise haben sich die selbsternannten Nazi-Jäger mehr um „Rechtspopulisten“ als um Nazis gekümmert, denn zu den Punkten „Rechtsextreme Websites“, „Rechtsextreme Blogs“ und „Rechtsexteme Medien und Portale“ hatten sie noch nichts ermittelt. Gibt’s die richtigen Nazis gar nicht mehr oder macht man sich derzeit mit der Jagd auf „Rechtspopulisten“ bei den Fördermittelgebern beliebter?

Am späteren Montag-Abend funktionierten die beschriebenen Links übrigens auch nicht mehr. Anschließend waren die Seiten nur noch für angemeldete Nutzer sichtbar. Offenbar mögen es die Denunzianten nicht, dass man ihre Denunziation nun, nachdem der ganze Vorgang veröffentlicht wurde, auch in der breiten Öffentlichkeit diskutiert.

Doch warum schweigen die Medien lange so beharrlich zu diesem Angriff auf die Pressefreiheit? Sollten sich manche Zeitungen etwa durch ihre Geschäftsbeziehungen zu den "Achse"-Verfolgern behindert sehen? Das will man eigentlich nicht glauben. Wahr ist allerdings: „Zeit Online“ gehört zu den Sponsoren des „Netz gegen Nazis“ und die FAZ ist einer der Referenzkunden bei Scholz & Friends. Dies wäre in den jeweiligen Medienhäusern vielleicht zu überdenken.

Beim „Netz gegen Nazis“ befindet sich „Zeit Online“ aber in guter Gesellschaft. Auch so honorige Körperschaften wie der DFB, die Bundesliga oder der Deutsche Olympische Sportbund unterstützen die recht merkwürdige Nazi-Suche.

NACHTRAG:

Frank Zimmer, Redaktionsleiter im Werber-Fachblatt W&V, hat seinen Lesern immerhin erklärt, warum solch ein organisierter Boykott eine Form der „zivilisierten Auseinandersetzung“ ist und man keine Angst vor einer Einschränkung der Meinungsfreiheit haben muss:

Wahrscheinlich fragen sich gerade viele Menschen in der Marketingbranche, ob die Aktion gut für unser Land ist oder eine Gefahr für die Meinungsfreiheit, und es ehrt jeden, wenn er sich länger damit beschäftigt und nicht schon nach fünf Minuten eine Antwort herauspostet.

Also: Ist es legitim, Werbungtreibende vor der Unterstützung rechtspopulistischer Seiten zu warnen?

Nach den Erfahrungen, die ich in den vergangenen Tagen in Kommentarspalten und auf der Website Achgut.com machen durfte, bejahe ich das. Es ist legitim. Aber nicht, weil eine bestimmte Seite „rechts“ ist, sondern weil sie demagogisch und manipulativ ist. Eine „bürgerliche“, „konservative“, „libertäre“, „unabhängige“ Seite – die Adjektive sind in diesen Tagen besonders geduldig – sollte unseren Respekt genießen, auch wenn uns ihre Meinung vielleicht nicht passt. Gerade dann. Aber eine polemische, aggressive, Menschen herabwürdigende Seite ist kein Gewinn für Medienpläne und kein Umfeld für seriöse Marken. Wir müssen raus aus der Hysterie- und Empörungsspirale, weg von den Angstmachern, Alarmschreiern und verbalen Scharfrichtern, zurück zur zivilisierten Auseinandersetzung.

Die „Achse“ sei nicht rechtsextrem, „noch nicht einmal AfD-nah“ schreibt Zimmer, doch weil sie den falschen Ton anschlage, sei die Aktion, dort werbende Unternehmen zum Absprung zu überreden, dennoch legitim.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Peter Griumms Blog Sichtplatz.

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Ralf Müller / 13.12.2016

Man liest das alles - und hält es einfach nicht für möglich ...

Matt Borg / 13.12.2016

Ja, ich schrieb es gestern: Gralshüter des demokratischen Journalismus: Spiegel online - NICHTS , wie widerlich!

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