Toxische Weis(s)heit: Der Aufstand der Langweiligen

Alle sind heilfroh, langweilig sein zu dürfen, vor allem dann, wenn sie bereits ein bewegtes Leben gehabt haben. Dull as a dishwasher.

Facebook eignet sich nicht für politische Debatten. Entweder man ist sich in seiner Blase einig – oder es gibt Flak von der anderen Seite, meistens ohne Argumente und gern unter die Gürtellinie. Also lässt man das. Denn Facebook hat so viel mehr zu bieten: Tierfotografie natürlich, immer ein Schlager. Lustige Katzenvideos. Die schönsten Landschaften/Herrenhäuser/Autos. Erhabene Lebensweisheiten. Passende Sprüche. Memes. Außerweltliche Karikaturen. Für jeden ist etwas dabei, also: Wundertüte. Ich mag das. Es ist ein Guckloch in das Leben der Anderen. 

Besonders schätze ich seit einiger Zeit The Original Dull Woman’s Club (107.000 Mitglieder) oder auch The Dull Woman’s Club (Original) mit seinen beinahe 861.000 Mitgliedern (Stand: 10.4.24). Der erste der beiden Clubs wirbt mit einem properen BH und einem Schild, das Bananen verbietet. Man darf sich also gern mit seiner BH-Größe vorstellen. Schuhgröße geht auch. Warum sind Bananen verboten? Who knows. Es hält sich eh niemand daran.

Das ist der witzigere der beiden Clubs, vielleicht, weil die Sache mit der verbotenen Banane die Phantasie anregt. Vor allem erfährt man viel über das Leben normaler Frauen aller Altersklassen, mit diversen Berufen und unterschiedlichem Humorniveau. Vieles ist witzig, manches auch ein wenig traurig, aber die meisten Clubmitglieder sind abgeklärt. Die eine gesteht, sich seit 10 Jahren mit Gemüseanbau zu beschäftigen, aber immer zu scheitern. Manche sehen bieder aus, freuen sich auf die Verrentung und gestehen die Lust aufs Backen und Kochen, halten Hühner und Bienen oder, besonders dull, sind schon lange mit demselben Mann verheiratet. Die eine oder andere bezog ihre frühkindliche Bildung aus den Enzyklopädiebänden, die es für „Treuepunkte“ im Tante-Emma-Laden gab. 

Die Aufregerthemen der woken Gesellschaft regen hier niemanden auf oder an. Niemand fordert Quoten für dies oder jenes, will in einen Aufsichtsrat oder Männer verbieten. Alle sind heilfroh, langweilig sein zu dürfen, vor allem dann, wenn sie bereits ein bewegtes Leben gehabt haben. Dull as a dishwasher. Und das ist nicht unbedingt langweilig, oft ganz im Gegenteil.

Das Normale siegt

Das gilt auch für den Dull Men’s Club, bei dem es offenbar mehr Engländer als Amerikaner gibt. Jedenfalls zeigt sich hier aufs Schönste, wie sehr Männer und Frauen sich unterscheiden. Die männlichen Clubmitglieder basteln schon mal mit Klorollen, laden zur nächsten Sonnenfinsternis im Jahr 2090 ins Vereinigte Königreich ein, oder fragen, warum sich die Drehscheibe in der Mikrowelle mal in die eine, dann in die anderen Richtung bewegt. Andere möchten von den Clubmitgliedern wissen, wann der Spülschwamm in einem Zustand ist, dass er weggeschmissen werden sollte. Oder stellen sich die Frage, ob sie im Swimmingpool wirklich schwerelos sind oder ob ihr Gewicht dem Wassergewicht hinzugefügt wird …

Leute, das ist nicht langweilig, das ist profund! Vor allem: All diese Langweiler werden dafür sorgen, dass sich die Welt weiter dreht. Das Normale siegt. So diagnostizierte es jüngst Alexander Wendt in einem Essay über den Erfolg der „Erwachten“ bei jungen Frauen. Er hat beobachtet, dass es diese treueste Klientel mehr und mehr abstößt, wenn die Schraube immer fester angezogen wird. Etwa die Problematisierung des womöglich kolonialistischen Ursprungs von Pflanzen und Gemüse. Selbst Yoga gilt mittlerweile als „kulturelle Aneignung“. Und da dachte man doch, das wäre etwas Gutes, wegen Achtsamkeit und so. Auf ähnliche Weise wird den Jungen die Popmusik vergällt: Auch hier hat doch sicher irgendein weißer Mensch von irgendwelchen indigenen Völkern geklaut. Natürlich! Das galt einst als kreativ.

Flucht gilt nicht. Wer glaubt, im Häuschen auf dem Land dem unverfälschten Leben zu begegnen, dem wird harsch geantwortet: „Landleben macht reaktionär.“ Gottlob, möchte ich da sagen. Landleben erdet und macht immun gegen die neuesten Maschen aus den woken Kreisen in der Großstadt, da, wo die Hochhäuser Symbole für Penisse sind, was wiederum angeblich häusliche Gewalt fördert. 

Doch die Schraube dreht sich immer weiter. Darf eine Frau Kinder bekommen? Und wenn ja – auch Söhne, die womöglich irgendwann zum Monster werden? Überhaupt Männer: geht es nicht auch ohne? Wendt schließt: „Die Ausbreitung des erwachten Denkens im Westen lässt sich durchaus als Revolution beschreiben. Und diese Revolution frisst gerade ihre Kindfrauen“ – „je enger sich das Netz der absurden Lebensanweisungen um sie spannt.“ Womöglich wird es den jungen Frauen bald so gehen wie den Frauen vom „Dull Women’s Club“: Endlich normal sein dürfen. Keine Vorschriften fürs woke Leben mehr befolgen müssen. 

Normal sein kann so entspannend sein. 

Mehr zum Thema lesen Sie in Cora Stephans Buch „Lob des Normalen“.

 

Cora Stephan ist Publizistin und Schriftstellerin. Viele ihrer Romane und Sachbücher wurden Bestseller. Ihr aktueller Roman heißt „Über alle Gräben hinweg. Roman einer Freundschaft“.

Die in diesem Text enthaltenen Links zu Bezugsquellen für Bücher sind teilweise sogenannte Affiliate-Links. Das bedeutet: Sollten Sie über einen solchen Link ein Buch kaufen, erhält Achgut.com eine kleine Provision. Damit unterstützen Sie Achgut.com Unsere Berichterstattung beeinflusst das nicht.

Foto: Roberto Nickson, Pexels.com

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Else Schrammen / 11.04.2024

War das heute ein Genuss, die Achse zu studieren. Eine kleine Auswahl: Peter Grimm mit dem neuesten Irrsinn als Vorspeise, Birgit Kelle und Claudio Casula zum Nachdenken, und als Pudding mit Sahnehäubchen Cora Stephan. Damke!

K.Behrens / 11.04.2024

Wenn die «erwachten Frauen« gehüllt in Stoffmengen an Walle-Walle-Bekleidung mit hippen Brigade-Plateau-Schuhen angestiefelt kommen, könnte man meinen, sie seien gerade aus dem Krieg auf Heimaturlaub, gleich einem Trampeltier (die armen Viecher müssen jetzt mal herhalten). Dabei im Auftreten eiskalte Zierpflanzen, linientreu bis zur Selbstaufgabe, gnadenlos ob der Selbstüberschätzung. Vorteil, diese Masse ist gut zu kontrollieren, rennt auf Befehl für das Klima auf den Straßen rum, zahlt immerhin den erwachten Einkauf mit dem smartphone. Das Wort Arbeigeber existiert in deren Kosmos nicht, ist möglicherweise ein weißer Mann mit eigenem Unternehmen. Und so landen die «Erwachten« bevorzugt in staatlichen Behörden, vielleicht noch bei den vertrockneten Sonnenblumen, wo als Qualifikation m/d/w/lgbtq, Obstkorb, Yoga, Work-Life-Balance, Gender-Sprache völlig ausreicht, um den Tag zu verträumen. Frauen Fußball wäre noch eine Alternative, mal richtig zutreten. Zur Not geht auch die tägliche Prise Testosteron geschnupft, dann klappts auch bald mit dem Bartwuchs ohne dieses Wischi-Waschi-Kind-Frau-Getue.

Gerhard Hotz / 11.04.2024

Es ist nachgewiesen, dass Langweiler mehr Erfolg haben als Abenteurer. Ein gutes Beispiel ist Warren Buffett, der erfolgreichste Investor aller Zeiten, der im schläfrigen Omaha wohnt und arbeitet, ohne Bloomberg-Bildschirm, ohne Computer-Terminal, ohne E-mails und erst recht ohne soziale Medien. Das ist aber schwer zu realisieren, weil unser Hirn ständig Tun gegenüber Nichtstun überschätzt, wir also immer wieder in sinnlose Hyperaktivität verfallen. Das weiss Buffett natürlich genau und zwingt sich zur Ruhe (z.B. zum Abwarten bei einer geplanten Investition), auch wenn seine Fans ihm ständig “Swing you bum!” (“Mach mal, du Weichei!”) zurufen.

Gertie Seri / 11.04.2024

Ach, wie gerne würde ich dem Club dieser Langweiler beitreten! Da wäre ich absolut richtig. Wie lange ich schon mit demselben Mann verheiratet bin, wage ich gar nicht zu sagen. Nach der Lektüre dieses Artikels habe ich aber die heimliche Hoffnung, dass Langweiligkeit zum Qualitätsmerkmal aufsteigen kann.

L. Luhmann / 11.04.2024

“Warum sind Bananen verboten? Who knows.” -Bananen sind verboten, weil Chinesen gelb sind!—- “Alle sind heilfroh, langweilig sein zu dürfen, vor allem dann, wenn sie bereits ein bewegtes Leben gehabt haben.” - Na, da bin ich mal gespannt, wie sehr die sich freuen, wenn der Charmeur und Lieblingsschwiegertraumsohn Habeck mit der Wärmepumpe vor dem gepflegten Häuschen mit den schnurrenden Kätzchen steht.—- “Das Normale siegt.” - Yep! Und deswegen wird das echte, das gewachsene “Normale” durch ein steriles Great-Reset-Surrogat ersetzt. Und sobald die ‘Alten’ weg sind, wird sich alles in die schöne neue Welt einfügen.—- “Durch die Corona-Pandemie sahen sich die Unternehmen gezwungen, ihre Sichtweise bezüglich der Erbringung der Arbeitsleistung aufzugeben und nach neuen, flexibleren Arbeitsmodellen zu suchen. Hierdurch wurde das Homeoffice bzw. das mobile Arbeiten zum gängigsten Arbeitsmodell in Deutschland. Nun stehen Unternehmen vor der Frage: Wie kehren wir zur Normalität zurück bzw. was ist überhaupt die neue Normalität nach der Corona-Pandemie?”

Wilhelm Lohmar / 11.04.2024

Natürlich ist es kulturelle Aneignung, wenn Keith Richards Blues spielt. Aber ist es auch kulturelle Aneignung, wenn Rhiannon Giddens Bluegrass spielt. Zum Glück kümmert sie sich nicht darum und macht es einfach.

Olaf Dietrich / 11.04.2024

Wissen Sie, Frau Stephan, wir die langweiligen, schmutzigen und Gemeinen werden diese Welt retten.Die hektischen Vordrängler bauen doch nur Sch…und rudern dann bestenfalls zurück. Oder werden zurückgerudert.  Ich sitze jetzt 15 Min vor der RV Hotline und sie schicken mich immer online. Fachkräftemangel. Das Unheil im Land wird von solchen Leuten generiert, die bestens bezahlt irgendwo sitzen und meinen, sie müssten was tun für ihr Geld. Ich bin 64 und habe weiss Gott die beste Zeit in Deutschland erlebt. Alles Unheil kam danach, gefakte Pandemien,  grünes Sendungsbewusstsein, das KEINEN interessiert in der Welt, und das alles. Eigentlich verdiene ich mein Bürgergeld zu Recht, denn ich halte mich raus. Klar fallen mir Dinge auf, da möchte ich König von Deutschland sein, aber w.t.f.  Ist halt nicht. Liebe grüße!!!

Heiko Engel / 11.04.2024

Den NS und SED - Staat dürfen wir mittlerweile getrost als die Welteroberungsversuche der faschistoiden ( linken ! ) Hausmeister betrachten ( ich habe überhaupt nichts gegen Hausmeister … im Gegenteil ). Und unser heutiger Staat, bzw. die Ruine davon ist der Versuch der totalitären und asozialen Spießer ( gegen diese Figuren habe ich allerdings eine GANZE Menge ! ) deren moralische Welteroberung durchzudrücken. Und genauso sieht es hier immer mehr aus. Die tätige Mittelmäßigkeit ist eher nicht die Lösung, sondern DAS immer größer werdende Problem. Angenehmen Nachmittag.

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen

Es wurden keine verwandten Themen gefunden.

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com