Die Stunde des Gerichts wird nicht kommen, bevor Muslime nicht die Juden bekämpfen und töten, so dass sich die Juden hinter Bäumen und Steinen verstecken, und jeder Baum und Stein wird sagen: O Muslim, o Diener Allahs, ein Jude ist hinter mir, komm und töte ihn!“ Es ist nicht erbaulich, in der Charta der Hamas-Bewegung zu lesen. Und doch hilft es manchmal, wenn man die Chancen für Frieden zwischen Israel und den Palästinensern realistisch bewerten will. Auch die am Sonntag verkündete Waffenruhe ist kein Grund zur Euphorie. Zu oft waren vorübergehende Gewaltpausen nur eine Ruhe vor dem Sturm. Sie wurden von palästinensischen Terrorgruppen gerne dazu genutzt, ihre Arsenale aufzufüllen.
Dennoch ist die Waffenruhe eine Chance, und zwar für beide Seiten. In der israelischen Gesellschaft wachsen die Zweifel an der Militärstrategie der vergangenen Monate, die dem Staat international viel Kritik eingebracht hat. Bisher hat Israel kein Mittel gefunden, den Beschuss des Landes mit Kleinraketen zu stoppen. Auch den im Juli entführten Soldaten Gilad Schalit hat die Armee nicht befreien können. Es ist konsequent, die Verantwortung für beides nun denen zu übergeben, die zuständig sind: den palästinensischen Behörden.
Es geht bei der neuen Waffenruhe nicht um schnellen, ewigen Frieden in Nahost. Es würde schon reichen, eine beherrschbare Situation zu schaffen. Dafür müssen die Waffen schweigen - Provokationen wie den Raketenbeschuss am Sonntag sollte Israel vorerst aussitzen. Vor allem müssen die palästinensischen Behörden die Auszeit nutzen, Politik für ihre Bürger zu machen. Die Hamas hatte die palästinensischen Wahlen gewonnen, weil sie ein Ende der Korruption und ein besseres Leben für die Menschen versprach. Beides ist nicht eingetreten. Der Versuch, dafür das Ausland verantwortlich zu machen, das der Regierung den Geldhahn abgedreht hat, geht fehl. Für Munition, Raketen und Bombengürtel ist genug Geld da. Warum nicht für die Müllabfuhr?
Es gibt in der Hamas durchaus Realpolitiker, die solche Fragen stellen. Aber ob sie den Einfluss haben, aus einer begrenzten Waffenruhe eine politische Neuorientierung werden zu lassen?
Zeitgleich hat der Exil-Chef der Hamas-Bewegung, Khaled Meschal, mit dem totalen Zusammenbruch der Ordnung und einer dritten Intifada gedroht. Dass sich Steine und Bäume gegen „die Juden“ stellen werden, ist unwahrscheinlich. Fest steht aber, wer den Preis zahlt, wenn solche Fantasien weiter die Realität bestimmen: die Palästinenser.
Leitartikel im Kölner Stadt-Anzeiger, 27.11.06