Rainer Bonhorst / 09.08.2016 / 17:00 / Foto: Fqugdvin / 10 / Seite ausdrucken

Auf zur olympischen Hexenverbrennung

Ist es nicht schön, in einer großen, etwas anrüchigen Gemeinschaft, einen herausragenden Stinker gefunden zu haben, der den Duft der anderen übermuffelt und die Sünden vieler auf sich nimmt? Die olympische Sportwelt hat jetzt die russische Schwimmerin Julia Jefimowa als Verkörperung alles Bösen im Leistungssport. Dass sie verführerisch aussieht, macht sie zur idealen Hexe. Wie freuen sich da die Guten und die Reinen und all die Pharisäer, die gerne den ersten Stein werfen.

Was für ein Jubel, als Julia Jefimowa in der 200-Meter-Brust-Disziplin nur Zweite hinter der Amerikanerin Lilly King wurde. Ach, wie befreiend diese Buhrufe und wie edelsportlich, als dann die Gewinnerin der Silbermedaille von ihren Sportkameradinnen gekonnt geschnitten wurde. Geschieht der Doping-Sünderin recht, wird man sagen, auch wenn sie noch so weint.

Aber Moment mal. Was ist eigentlich geschehen? Ja, sie hat vor längerer Zeit gedopt. Vermutlich als einzige Leistungsschwimmerin der Welt. Und vor kurzem geriet sie wieder unter Doping-Verdacht. Aber wurde sie gesperrt? Nein, das Internationale Sportgericht CAS hat die Sperre aufgehoben. Nur darum konnte die schöne Böse unter Buh-Rufen ins Becken springen. Die „Richter“, die sie springen ließen, waren wohl nicht da, oder gut gesichert auf der Ehrentribüne.

Eine attraktive und zur Hexenverbrennung geeignete Blondine

Nun ja. Die arme Sünderin wird sich wohl ihre letzte Medaille erschwommen haben. Und all die anderen kleinen und großen Sünderlein in der schönen, heilen olympischen Welt, die so schlau waren, noch nicht erwischt worden zu sein, können sich freuen, dass es diese attraktive und zur Hexenverbrennung geeignete Blondine gibt.

Die Reinheit des Sport ist ein hehres Ziel. Da wollen wir uns auch strebend bemühen. Aber die vorläufige Wirklichkeit ist doch eher eine porentiefe Heuchelei. Selbst der Ausschluss so vieler böser Russen hat etwas Halbgares. Oder glaubt irgend jemand, dass auf dem Weg zu den olympischen Spielen nur in Russland gedopt wurde? Und dass der Rest der großen olympischen Familie in edler Reinheit um die Edelmetalle kämpft, ohne Griff nach unerlaubten, halb erlaubten oder gerade noch erlaubten Mitteln? (Und lassen wir das Thema Korruption mal netterweise ganz beiseite.)

Wer das alles glaubt, der werfe getrost den nächsten Stein auf Julia Jefimowa, die wohlfeile Hexe. Es tut ja so gut.

Foto: Fqugdvin CC0 via Wikimedia

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Leserpost

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Dr. Maria T. Groepper / 10.08.2016

Systematisches Doping in Westdeutschland. So lautete eine Schlagzeile der “WELT” vom 3. August 2013. Im Artikel hieß es: “Laut einer Studie der Berliner Humboldt-Uni hat die Bundesrepublik seit Anfang der 70er-Jahre ein steuerfinanziertes Doping-Programm betrieben. In der Bundesrepublik Deutschland ist offenbar spätestens seit Beginn der 70er-Jahre ein systematisches, organisiertes und vom Staat finanziertes Dopingprogramm betrieben worden.” U.s.w. Noch Fragen zur politisch korrekten Heuchelei und Hetze unserer Wahrheitsmedien heute?

Beate Müller / 10.08.2016

Danke Herr Bonhorst! Danke für diesen äußerst treffenden Kommentar. Da hat sich nun endlich ein williges, gut aussehendes “Opfer” gefunden, dass man hemmungslos demütigen darf - den olympischen Gedanken von friedlichen und unpolitischen Spielen mal ganz fix beiseite gelegt. Dass Dopingproben einer bekannten Sportnation vor Olympia auf einmal unbrauchbar wurden (natürlich vor der Auswertung), dass Schwimmer anderer Nationen Höchstleistungen bringen, die geradezu unmenschlich erscheinen und dass es einen Sprinter gibt, der von der bekanntesten Reggae-Dope-Insel stammt, den selber der “Hauch” des Dopings umweht, all das interessiert niemanden. All diese Heuchler, die sich nun wieder zusammenfinden. Was war das damals mit Merlene Ottey, jamaikanische Sprinterin, die sich immer zum Moralapostel aufschwang? Sie hatte selbst gedopt. Ebenso Carl Lewis. Letztlich werden diese ganzen politischen Probleme und Streitigkeiten, die beispielsweise Ausschlüsse von den Spielen beinhalten, auf dem Rücken der Sportlerinnen und Sportler ausgetragen. Und das geht eindeutig zu weit und vor allem gegen besagten olympischen Charakter. Mein Vorschlag: gebt doch das Doping frei. Es wird doch so oder so munter in der Drogenküche experimentiert. Man sollte beispielsweise vielmehr auf das wirkliche Alter der Athleten achten (manche Turnerinnen sehen nicht wirklich wie 16 aus).

Rainer Segen / 10.08.2016

Was Sie zur “Olympischen Hexenverbrennung” so zutreffend beschrieben haben, Herr Bornhorst, ist wohl die Ankunft der “political correctness” als eigene Version im Sport. Als wäre sie eine neue olympische Disziplin geworden, an der sich auch alle Zuschauer und Medien auf ihre eigene Weise beteiligen können sollen. Früher, in Zeiten des kalten Krieges, hieß es noch, dass der Sport ein Mittel zur “Völkerverständigung” sei. Nicht, dass ich mir den kalten Krieg zurück wünschte, und gedopt wurde damals auch schon, und das auch nicht nur im “Ostblock”. Deswegen kann mich aber auch des Eindrucks nicht erwehren, dass Jefimowa nicht wirklich als Dopingsünderin ausgebuht wurde, sondern als Russin - und das in einer Zeit, in denen die “politisch Korrekten” zum Marsch “gegen Hatespeach” blasen. Wie sich doch die Zeiten geändert haben.

Alexander Rostert / 10.08.2016

Ich bin ohnehin der Meinung, dass dieser ganze degenerierte Kommerz- und Politzirkus namens Olympia” abgeschafft gehört, zumindest sollte sich Deutschland daraus zurückziehen. Die olympische Idee ist schon 1920 gestorben, als zur Strafe für den verlorenen Krieg die Verlierer nicht in Antwerpen teilnehmen durften.

Ralf Orth / 09.08.2016

Ein guter Kommentar, Danke! Was ist Doping? Doch immer das was man gerade nachweisen kann. Trainig an Orten die in grossen Höhen liegen ist legal, Training in Druckkammern?  Wäre es nicht am besten es gäbe keine Beschränkungen, mit Ausnahmes des Jugendschutzes? Besser wäre es auf jedenfall wenn ich nicht mit meinen GEZ-Ablasszahlungen diesen und anderen Sportzirkus unterstützen müsste. Wenn weniger (Steuer-) Geld und andere Zwangsabgaben in diese Organisationen wie Olympische .., FIFA usw. fliessen würden, fänden diese ganzen, im Prinzip ja guten Ereignisse vielleicht wieder zu den halbwegs guten Wurzeln zurück.

Dietrich Herrmann / 09.08.2016

Und da spricht heute Abend der ZDF-Moderator beim Damen-Kunstturnen ganz ehrfürchtig von den amerikanischen Mädels, die alle “gute Muskelpakete” seien. Hat der Moderator sich dabei irgendwas gedacht? Vermutlich nicht.

Dorothea Müller / 09.08.2016

Wir sind die Guten da ist alles erlaubt, oder? Herr Bonhorst, Menschen wie Sie verhindern, dass ich momentan den Glauben an die Menschheit nicht ganz verlier. Danke dafür. Wie gerne hätte ich Sie mit diesem Beitrag z.B. als Kommentator in der Tagesschau gesehen.

Anne Cejp / 09.08.2016

Schon seit längerer Zeit verkünde ich die Devise: Doping freigeben. Damit sich diese Art von Sport ab adsurdum führt und die Menschen das Interesse daran verlieren.

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