Manfred Knake / 07.10.2023 / 15:00 / 9 / Seite ausdrucken

Unter Genossen: Ruhestand statt Disziplinarverfahren?

Laut Staatsrechtler Prof. Boehme-Neß verstieß ein Polizeipräsident und SPD-Mitglied gegen das Neutralitätsgebot für Beamte. Das SPD-geführte Innenministerium verteidigte ihn. Statt eines Disziplinarverfahrens wartet jetzt der vorzeitige Ruhestand auf ihn. Haben wir es mit SPD-Kumpanei statt Rechtsstaatlichkeit zu tun? 

Nun will er vorzeitig in den Ruhestand gehen: Der Oldenburger Polizeipräsident Johann Kühme (SPD) hattte vor wenigen Wochen im Nordwesten Schlagzeilen gemacht, als er als Beamter u.a. dies der AfD in der Nordwest Zeitung (NWZ) vorwarf: 

„Die AfD verdreht Wahrheiten und verbreitet Lügen – einzig und allein mit dem Ziel, Unsicherheiten und Ängste in der Bevölkerung zu schüren, um so den Nährboden für ihre populistischen Parolen zu schaffen. Die AfD manipuliert das subjektive Sicherheitsgefühl der Menschen. Und damit stellt sie sich gegen die Arbeit der Polizei.“ 

Kühme: Die AfD verbreite Angst, produziere Intoleranz, erzeuge ein gesellschaftliches Klima, in dem der politische Diskurs immer häufiger mit Hass und Hetze geführt werde. Später solidarisierten sich die Gewerkschaft der Polizei und weitere Polizeipräsidenten laut NDR mit den drastischen Aussagen Kühmes. Es folgten Solidaritätserklärungen von SPD-Mitgliedern des Oldenburger Stadtrats.

Die AfD kündigte „rechtliche Schritte“ und eine „Dienstaufsichtsbeschwerde“ gegen den Polizeipräsidenten an und forderte seinen Rücktritt. Der Vorsitzende der niedersächsischen AfD-Landtagsfraktion, Stefan Marzischewski, nannte Kühmes öffentliche Äußerungen in der NWZ ein „ungeheuerlichen Maß an Verleumdung gegen eine demokratische Partei, hinter der Millionen Wähler stehen.“ Daraufhin wurde das Niedersächsische Innenministerium aktiv, es gab an, Kühmes Äußerungen zu „prüfen“. Seine Dienstvorgesetzte, die Niedersächsische Innenministerin Daniela Behrens (ebenfalls SPD), hingegen stellte sich im NDR bereits hinter Kühmes Äußerungen: „Es ist Aufgabe der Polizei und erst recht der Führungskräfte, sich für eine wehrhafte Demokratie einzusetzen und völlig in Ordnung, wenn Führungskräfte der Polizei öffentlich reagieren, wenn die Arbeit der Ermittlungsbehörden bewusst in einen falschen Kontext gestellt werden würde.“

Ein „schwerwiegender“ Verstoß 

Ganz anders sieht das der Staatsrechtler Professor Dr. Dr. Volker Boeh­me-Neßler der Universität Oldenburg. In der in Oldenburg erscheinenden Nordwest Zeitung äußerte er, dass Kühme den Bogen mit seinen Aussagen verfassungs- und beamtenrechtlich überspannt und das Mäßigungs- und Neutralitätsgebot „eklatant“ verletzt habe, Kühmes zugespitzte Aussagen seien sehr problematisch, da sie vom herausgehobenen Posten eines Polizeipräsidenten stammten, der das Bild der Polizei in der Öffentlichkeit besonders stark präge. Der Verstoß gegen das Neutralitätsgebot sei „schwerwiegend“ und erschüttere das Vertrauen der Bevölkerung in die parteipolitische Neutralität der Polizei.

Prof. Boehme-Neßler beruft sich auf den Paragrafen 33 des Beamtenstatusgesetzes, das in Absatz 2 sagt: „Beamtinnen und Beamte haben bei politischer Betätigung diejenige Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren, die sich aus ihrer Stellung gegenüber der Allgemeinheit und aus der Rücksicht auf die Pflichten ihres Amtes ergibt.“

Nun stellt sich die Frage, ob überhaupt etwas beim eindeutigen Verstoß Kühmes gegen das Mäßigungsgebot vom Innenministerium disziplinarrechtlich „geprüft“ wird, wenn sich schon die Innenministerin Behrens hinter Polizeipräsident Kühme stellt. Das riecht nach SPD-Kumpanei und nicht nach eigentlich gebotener disziplinarrechtlicher Würdigung. 

Nun also will Polizeipräsident Johann Kühme einen Antrag auf „vorzeitige Entlassung“ stellen, berichtet die NWZ am 30. September 2023. Kühmes Dienstzeit endet regulär erst im März 2024. Sein Antrag, so Kühme in der Presse, habe jedoch nichts mit seinen Äußerungen über die AfD zu tun und auch nichts mit Unregelmäßigkeiten bei Zahlungen innerhalb der Polizeibehörde. Was diese „Unregelmäßigkeiten“ konkret beinhalten, erfährt die Leserschaft allerdings nicht. Genauso wenig erfährt sie, ob Kühmes Dienstvorgesetzte Ministerin Behrens mit Kühmes vorzeitigem Ruhestand ein eigentlich gebotenes Disziplinarverfahren umgehen und verhindern und so Druck aus dem Kessel nehmen will. Ein Disziplinarverfahren gegen Kühme würde zu unangenehmen öffentlichen Reaktionen gegen ihn führen, und möglicherweise auch gegen die SPD-Innenministerin selbst, die Kühnes Verbalattacken gegen die AfD ja schon verteidigt hatte. Eine zeitgeistig motivierte politische Narrenfreiheit ohne wirkliche Konsequenzen für einen parteipolitisch gut vernetzten Polizeipräsidenten wäre fatal für die Rechtsstaatlichkeit.

 

Manfred Knake betreibt den Blog „Wattenrat Ostfriesland“wo die „Wattenpresse“ veröffentlicht wird. Der „Wattenrat“ ist ein lockerer Zusammenschluss verbandsunabhängiger Naturschützer aus der Küstenregion Ostfrieslands, der aus der „Konferenz der Natur- und Umweltschutzverbände“ (gegründet 1979) hervorgegangen ist.

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Leserpost

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W. Renner / 08.10.2023

Inzwischen muss man wohl schon Angst vor Polizeipräsidenten haben. Erinnert an die dunkelsten Stunden des Landes.

Jean Vernier / 07.10.2023

Wieviel Geld rettet er vorm rechtzeitigen Abgang beim Vorruhestand noch dieses Jahr?

Jean Vernier / 07.10.2023

“Kühmes zugespitzte Aussagen seien sehr problematisch, da sie vom herausgehobenen Posten eines Polizeipräsidenten stammten, der das Bild der Polizei in der Öffentlichkeit besonders stark präge. Der Verstoß gegen das Neutralitätsgebot sei „schwerwiegend“ und erschüttere das Vertrauen der Bevölkerung in die parteipolitische Neutralität der Polizei.” so die Bewertung des Professors. Parteipolitische Neutralität der Polizei, hier Nds., seit Jahrzehnten zur Leerformel “transformiert”, diese Dienstpflicht aus dem NBG. Von wem? Weit überwiegend durch SPD und den Grünen,  seit Jahrzehnten. Ergänzt ebenfalls absolut mehrheitlich durch ein Gewerkschaftsbuch - in der Mehrzahl das der GdP und damit zugleich das des DGB als dessen Teilgewerkschaft. Beides, die Partei-  und die Gewerkschafts-Mitgliedschaft verpflichten die Beamten gem. Partei- und Gewerkschafts-Satzung zur Solidarität (sprich: Folgsamkeit mit den Zielen und Beschlüssen ihrer Organisations-Gremien wie die des Vorstands, Parteitags, Mitgliederversammlung, Schiedsgericht pp.). Eine Kollision mit den gesetzlichen Pflichten des Beamtenrechts, sich zur “Transformations”-Waffe gegen die freiheitlich-rechtsstaatliche demokratische Verfassung des GG ausbauet wurde und wird.  Wenn Partei oder/und zum “Kampf gegen Rechts “. auffordert, zu Demonstrationen, Warnstreiks, Boykottaktionen aufruft, sie organisiert ...,  wie verhält sich der/die Beamte/Beamtin? Das öff. Amt, das Ein- und Fortkommen und das Ruhegehalt gewährt wer?  So wurde und wird das rechtsstaatliche, neutrale, verfassungs- und gesetzeskonforme Dienst- und Amtshandeln in Deutschland allgemein -besonders gefährlich polizeiliches .. - nach und nach in staatssystem-, gesellschafts-/bevölkerungsfeindlicheund rechtsfeindliche Einflüsse gebracht. Dass Politische Beamte jederzeit ohne Begründung kündbar sind (so ein PP) entsprich dessen Amtsinhalt lt. BeaG,es gilt jedoch die Mäßigungspflicht. Und, Statistiken, die werden kreativ zum politischem Machterhalt erstellt.

Thomin Weller / 07.10.2023

Es scheint bis jetzt niemanden aufgefallen zu sein das nur Parteimitglieder in SPD Hochburgen befördert werden. Mit anderen Worten, das Parteibuch ist der Türöffner. Im Grundrechtereport wurde das schon mehrfach deutlich gemacht, die “soziale Reproduktion” dieser Brut und politischen Inzucht. Papa-Mama SPD, Kind ebenso. Johann Kühme als Referent für die „Internationale polizeiliche Zusammenarbeit“. Da würde ich sofort nachfragen wie tief seine Zusammenarbeit mit der NSA, CIA ist. Es hat sein Grund warum der MAD nur noch ein Bettvorleger und Fußabtreter ist und seiner Aufgabe nicht nachkommt. Mit seiner Aussage “Die AfD verdreht Wahrheiten und verbreitet Lügen” verhöhnt dieser SPD Typ die vielen Opfer durch Migranten, Asylanten. Stegners Sohn kam noch mit einem blauen Auge davon. Die polizeiliche Krönung, “Die AfD manipuliert das subjektive Sicherheitsgefühl der Menschen.” Sorry, der hat nicht mehr alle Synapsen beeinander. Die Reichsregierung ist die allergrößte Propagandaschleuder seit Goebbels.

Fred Burig / 07.10.2023

Heute, zum 74. “Tag der DDR”, die es ja Gott sei Dank nicht mehr gibt, bleibe ich ganz gelassen -  denn ........ erstens kommt es anders und zweitens, als man denkt….. MfG

Markus Hahn / 07.10.2023

Ach wo, sowas würden SPD Funktionäre nie, n i e!! machen. Die SPD steht für Kampf gegen Vorteilsnahme, ideologisch motiviertes Handeln von Bürokratie, Justiz und Exekutive. Echt. Wirklich. Fragen Sie unsere Bundesinnenministerin.

Manfred Knake / 07.10.2023

Anmerkung vom Autor: Inzwischen wurde nach noch unbestätigten Meldungen bekannt, wer Kühmes Nachfolger im Amt werden soll: Polizeivizepräsident Andreas Sagehorn (57). Inzwischen gibt es auch Aussagen zu den „Unregelmäßigkeiten bei Zahlungen innerhalb der Polizeibehörde“:  Laut Nordwest Zeitung in Oldenburg geht es um zu Unrecht gezahltes Geld bei einem Dienstunfall (Versorgungsausgleichszahlungen) und versäumte Fristen. Im Titel der Seite hinter der NWZ-Bezahlschranke steht: „Hat der Polizeipräsident eine schwarze Kasse auf dem Schreibtisch?“

Frank Baumann / 07.10.2023

Ich bin ehrlich gesagt vollkommen überrascht, daß dem werten Herrn nicht sofort das Bundesverdienstkreuz verliehen und eine Talk-Show Tour gestartet wurde, Thema “Haltung und Zivilcourage zeigen”. Mittlerweile ist das kein Zynismus mehr, sondern ernst gemeint.

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