Georg Etscheit / 24.03.2024 / 13:00 / Foto: Pixabay / 13 / Seite ausdrucken

Cancel Cuisine: Spiegeleier

Eierzubereitung ist komplexer als man denkt. Sogar Profis benötigen für ein Rührei eine Viertelstunde.

Spiegeleier und Rühreier gelten als Allerweltsessen schlechthin. Auch wer noch nie einen Kochtopf auf den Herd gestellt hat, noch nie einen Rührlöffel in der Hand hielt, noch nie einen Blick in ein Kochbuch geworfen hat, ein Spiegelei oder ein Rührei, so sagt man, „kriegt jeder hin“.

Weit gefehlt, wenn es nach Paul Bocuse geht, der in seiner Kochbibel „Die neue Küche“ ein ganzes Kapitel den Eierspeisen widmet. Die Palette reicht von einem in diesem Fall gar nicht so banalen Spiegelei über pochierte oder verlorene Eier, harte und wachsweiche Eier, frittierte Eier, Rühreier und die stupende Vielfalt der Omelette – mit Zutaten wie Speck, Käse, frischen Kräutern, Tomaten, Geflügelleber, Nieren, Trüffel oder Morcheln, ganz zu schweigen von (süßen) Köstlichkeiten wie den Soufflés und Schaumomelettes, bei denen unter die Eigelbmischung steif geschlagener Eischnee gezogen wird.

Krönung sind die Omelettes Surprises („Überraschungsomeletts“), bei denen sich in einer mit vielen Eiern zubereiten Biskuitmasse kühles Eis verbirgt. Obenauf thront noch knuspriges-schmelzendes Baiser, für dessen Herstellung die übriggebliebenen Eiweiße herangezogen werden. Man könnte auch von einer Eistorte sprechen, bestens geeignet als Krönung eines festlichen Ostersonntagsmenüs.

Doch zurück zum Spiegelei. „Diese Art, Eier zu garen, scheint einfach“, schreibt der 2018 verstorbene Großmeister. „Doch es gibt eine kleine Schwierigkeit, die man meistern muss, damit die Eier wirklich perfekt gelingen.“ Dies sei der genaue Garpunkt, jener Moment, wenn das Eiweiß milchig und das Eigelb wachsweich geworden sei. Dabei müsse sich letzteres mit einem zarten Schleier überzogen haben, „Spiegel“ genannt.

Ei aufschlagen ist für Profis

Dieser Schleier bildet sich nur dann, wenn das Spiegelei im Ofen von allen Seiten gegart wird. Brät man es lediglich in der Pfanne und ohne es, wie Bocuse vorschreibt, ständig mit heißer Butter zu übergießen, bleibt der Überzug über dem Dotter klar. Solche Eier nennt man eigentlich Setzeier, woraus folgt, dass unsere landläufigen Spiegeleier streng genommen keine Spiegeleier sind.  

Der Profi der Profis erwähnt nicht, dass es den meisten küchenfernen Zeitgenossen schon außerordentlich schwer fällt, ein Ei so aufzuschlagen, dass der Dotter nicht verletzt wird, womit sich der „Spiegel“ auf dem Eigelb ohnehin erledigt hat und das Spiegelei unverrichteter Dinge zu einem Rührei mutiert, dessen fachgerechte Zubereitung, wie im Folgenden zu sehen, ebenfalls kein Kinderspiel ist.  

Bocuse empfiehlt, die Eier zunächst auf einen Teller zu schlagen und sie alle zugleich in eine große, feuerfeste (!) Pfanne mit schäumender Butter gleiten zu lassen. Hernach werden die Eier noch einmal mit Butter übergossen und das Eiweiß leicht mit Salz bestreut. Dann kommt die Pfanne in den vorgeheizten Ofen, wo sie unter ständiger Bewachung stehen sollte, bis das bereits geschilderte Ergebnis vorliegt. Mögliche Garnituren – Speck, Tomaten – können nach Bocuse vor dem Garen in der Pfanne verteilt oder nachher zu den Eiern gegeben werden. Ich halte es mittlerweile oft so, dass ich diese Verfeinerungen separat gare und zu den Eiern reiche, als Beilage gewissermaßen.

„Die echte französische Küche“

Für all diese Speisen verlangt Bocuse kategorisch ganz frische, am besten tagesfrische Eier. Eine Forderung, die heute im Küchenalltag der meisten Städter nur schwer zu erfüllen ist. Haltbar sind Eier im Kühlschrank bis zu sechs Wochen nach dem Legen, auch wenn man mit zunehmender Dauer der Lagerung geschmackliche Abstriche machen muss. Vor allem älteres Eiweiß tendiert dazu, im gegarten Zustand eine gummiartige Konsistenz anzunehmen.

Michel Oliver, ein anderer französischer Meisterkoch, befasst sich in seinem antiquarischen Kochbuchklassiker „Die echte französische Küche“ ausführlich mit der fachgerechten Zubereitung eines Rühreies, von dem er behauptet, dass selbst ein spezialisierter Koch mindestens fünfzehn Minuten damit beschäftigt sei und sich in dieser Zeit keinen anderen Aufgaben zuwenden könne. Für sechs Personen müssen zwölf Eier mit Hilfe einer Gabel verkleppert, gesalzen und gepfeffert werden, bevor man sie im Wasserbad mit etwas Butter unter ständigem Rühren stocken lässt. Nach etwa zehn Minuten wird noch ein wenig Creme fraiche untergezogen und weitere zwei Minuten gerührt.

Serviert wird dieses Luxusrührei auf in Olivenöl und Butter geröstetem Toastbrot. Den Verfeinerungsmöglichkeiten seien keine Grenzen gesetzt, schreibt Oliver: Käse, Kräuter, Spargelspitzen, Krebsschwänze, was einem so zwischen die Finger kommt. Oder, notabene, Trüffel. Eine zugegebenermaßen etwas snobistische Art, um ausgeblasene Eier für den Osterstrauß zu verwerten.

An Ostersonntag erscheint meine Kolumne nicht. Ich wünsche meinen Leserinnen und Lesern ein frohes, gesegnetes Osterfest.

 

Georg Etscheit schreibt jetzt für www.aufgegessen.info, den von ihm mit gegründeten gastrosophischen Blog für freien Genuss.

Foto: Pixabay

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Peter Hans / 24.03.2024

Tagesfrische Eier? Bitte nicht! Ich nehme an, Bocuse meinte tagesfrisch gekaufte Eier. Tagesfrisch gelegte Eier schmecken…wie soll ich’s ausdrücken “merkwürdig”. Am leckersten ist ein Ei, das vor 3 - 4 Tagen gelegt worden ist.

Emil.Meins / 24.03.2024

Da Herr Keller die Zubereitung in der Microwelle erwähnt hat: dort läßt sich tatsächlich ein passables Rührei zubereiten. Allerdings gebe ich immer einen Schuß Milch dazu, das macht das Ganze etwas feuchter und man sollte wirklich nur mit halber Kraft garen, weil so das Ei schön aufgeschäumt wird, ich verwende eine schmale hohe Tasse von etwa 200 ml, die nur zu einem Viertel bis einem Drittel gefüllt sein sollte, und nach 2 bis 3 Minuten, wenn es es von außen her zu stocken beginnt, noch einmal umrühren und zu Ende garen. Dann ist die Tasse fast gefüllt und das Ei schön locker. Aber auch sehr heiß, also vorsichtig beim Essen! Außerdem füge ich der Eimasse ein zwei Teelöffel Semmelbrösel bei, dadurch kann man es ohne Beilage essen und die Konsistenz wird besser. An Gewürzen je nach Gusto, ich verwende Kräutersalz, schwarzen Pfeffer, etwas Knoblauch, Schnittlauch und eine Spur Muskat, ebenso kann man etwas Butter zufügen, bzw. die Tassse vorher buttern. Wenn man das öfter oder für mehrere Personen macht, kann man sich auch eine Fertigmischung in einem Schraubglas vorbereiten, mit Semmelbröseln und Gewürzen im richtigen Verhältnis, ich verwende dabei auch einige TL vegatarische Brühe (natürlich trocken), und so geht es morgens dann ohne großen Aufwand: Ei, Milch und zwei TL der Gewürzmischung, und einige Minuten später ist das Rührei fertig. Wenn man die Microwelle mit voller Kraft einstellt, wird das Ei vielleicht schneller fertig, aber es geht nicht so schön auf und wird hart und verliert den Geschmack, also nicht zu empfehlen. Und für die Ökofreaks: das Microwellen-Rührei dürfte die “nachhaltigste” Variante sein, hinsichtlich Energieaufwand und nachträglich zu spülendem Geschirr. Tasse und Löffel/kleine Gabel, keine Herdplatte aufgeheizt, keine Pfanne schmutzig gemacht. Da freuen sich doch unsere grünen Freunde. Nur wenn dann tatsächlich der Strom ausfällt, ist es aus mit der Herrlichkeit, und es bleibt nur noch Holzherd, Lagerfeuer oder Gaskocher. So man hat…

Franz Klar / 24.03.2024

“Zu viele Eier sind gar nicht gesund” !  So steht es im Standardwerk zum Thema , dem ” Loriot ” .

Wilfried Cremer / 24.03.2024

Hi, es gibt auch das Ai, welches auch weiß ist. Allerdings weiß ich nicht, ob es essbar ist oder etwas Gelbes enthält.

Sirius Bellt / 24.03.2024

Die Zubereitung von Spiegeleiern oder Rührei soll kompliziert sein? Schon möglich. Die am schlechtesten zubereiteten Eier habe ich in sehr guten Restaurants serviert bekommen, meistens waren sie bestenfalls noch lauwarm bis sie an den Tisch kamen und geschmeckt haben sie mir auch nicht sonderlich gut. Seitdem bestelle ich keine mehr, sondern klopfe sie selbst in die Pfanne.

Wolfgang Feldhus / 24.03.2024

Gebt mir Butter….mehr Butter. Da ist mir das Bocuserezept für Rührei lieber. Und Trüffel…da reden wir von Tuber magnatum pico, und diese kommt mit 20 frischen Eiern zuerst über Nacht in einem großen Glas zusammen. Dann habe ich 21 Trüffeln…...und die werden dann verarbeitet. Schöne Ostern für Sie und immer einen Schluck Wein im Glas wünsche ich Ihnen.

L. Luhmann / 24.03.2024

“Snobbistisch”: Sno-bbistisch, Snob-bistisch, Snobbis-tisch ... das erinnert mich an die Zubbereitungsvariationen von Eiern!

finn waidjuk / 24.03.2024

Ein normales Spiegelei, also “sunny side up”, habe ich auch nach vielen Versuchen nicht mit der gewünschten Konsistenz in einer Pfanne hinbekommen. Ich brate sie daher immer auf beiden Seiten an, also “over easy”. Etwa 30 Sekunden auf jeder Seite (ich nehme dazu keine Butter, sondern brate sie in dem Fett des vorher bis kurz vor dem Verkohlen angeratenen Frühstückspecks) und dann sind sie genau so, wie ich sie will. Das Wenden erfordert etwas Übung aber ansonsten ist diese Art der Zubereitung kinderleicht.

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