Fred Viebahn / 17.12.2008 / 21:08 / 0 / Seite ausdrucken

US-Lyrikerin Elizabeth Alexander wird Obamas Amtseinweihungsdichterin

Das “Inaugural Committee” des US-Kongresses hat heute die sechsundvierzigjährige Lyrikerin Elizabeth Alexander erkoren, bei der Amtseinweihung am 20. Januar gleich nach Barack Obamas Antrittsrede ein offizielles Gedicht zu lesen—und, natürlich, es vorher zu schreiben; allerdings vermute ich, daß diese Nominierung seit einiger Zeit in Betracht gezogen wurde und sie das Gedicht bereits verfaßt hat, denn ich kann mir nicht vorstellen, daß der eher vorsichtige Obama einer bisher nicht weit über die Lyrikszene hinweg bekannten Autorin diese Aufgabe blind übertragen würde, auch wenn er mit ihr seit Jahren befreundet ist und sie aus dem Establishment der Demokratischen Partei stammt. Bereits im November positionierte sie sich entsprechend in einem Podcast-Interview mit der Chicagoer Stiftung “Poetry Foundation”: http://www.poetryfoundation.org/journal/audioitem.html?id=643 

Ich bin gespannt, ob—und einigermaßen zuversichtlich, daß—sie besseres zustande bringt als Maya Angelou mit ihrem überlangen, pathetischen, teilweise kitschigen und in manchen Zeilen unfreiwillig komischen Gelegenheitsgedicht “On the Pulse of Morning” zu Clintons Amtseinführung 1993. Obwohl, bei solch offiziellen Aufträgen weiß man nie…

Zwar haben sich Obama und sein Amtseinweihungskomitee nicht für Kay Ryan, die derzeit amtierende Inhaberin des “U.S. Poet Laureate”-Postens, entschieden (im Gegensatz zum englischen Poet Laureate, von dem königliches Geburtstagsgereime erwartet wird, ist das amerikanische Pendant zu keinerlei institutioneller Verseschmiederei verpflichtet), doch ist Elizabeth Alexander in mancher Hinsicht für die Aufgabe als “Inauguration Poet” biografisch prädestiniert: Ihr Vater, Clifford Alexander, von Haus aus Jurist, war der erste afroamerikanische Armeeminister (Jimmy Carters Secretary of the Army von 1977-81) und hatte schon unter Lyndon B. Johnson als Bürgerrechtsspezialist im Weißen Haus gedient, und ihr Bruder Mark, ein Juraprofessor, hat sich nicht nur während der diesjährigen Wahlkampagne als enger Berater Obamas profiliert, sondern arbeitet zur Zeit an wichtiger Stelle für Obamas Übergangsverwaltung. Seine mit einem aus Eritrea stammenden Künstler verheiratete ältere Schwester Elizabeth ist im selben Alter wie Obama (naja, ein Jahr jünger), besuchte als Kind die private Sidwell Friends-Quäkerschule in Washington, auf der die beiden Obama-Töchter ab Januar eingeschrieben sind, studierte u.a. an der Yale Universität, wo sie heute eine ständige Professur innehat, arbeitete in den Achtzigern als Reporterin für die Washington Post, unterrichtete später an der University of Chicago (die Obamas waren zu der Zeit ihre Nachbarn), und lebt z.Zt. mit einem Stipendium der Harvard Universität in Boston. (Weitere Einzelheiten zu ihr als Lyrikerin finden sich hier: http://www.poets.org/poet.php/prmPID/245)

Dies ist erst das viertemal, daß ein Dichter eingeladen wurde, für die Amtseinführung des US-Präsidenten ein Gedicht zu verfassen: 1961, bei John F. Kennedy, war es Robert Frost, den die Sonne auf den Stufen vor dem Kapitol so blendete, daß er die Lesung seines extra geschriebenen Gedichts abbrechen mußte, um stattdessen aus der Erinnerung ein älteres Werk zu rezitieren; 1993 Maya Angelou, die aus Clintons Heimatstaat Arkansas stammte und sich weniger als Dichterin denn als Memoirenautorin, Bürgerrechtlerin und Schauspielerin hervorgetan hatte; und 1997 der nicht gerade populäre, aber immerhin kritisch anerkannte, ebenfalls aus Arkansas stammende Miller Williams (im Gegensatz zu Frau Angelou ein “echter” Lyriker, wie auch Elizabeth Alexander eine in der Literaturszene durchaus geschätzte Dichterin ist).

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