Zwischen May und Merkel

Bemerkenswert ist es schon, dass ausgerechnet die beiden großen konservativen Parteien Europas drei Frauen in die politischen Spitzenämter ihrer Länder gebracht haben. Zweimal Premierministerin, einmal Bundeskanzlerin. Sowas ist den nach eigener Lesung eigentlich für die Emanzipation zuständigen Parteien bisher nicht gelungen. Warum nicht? Da kann sich jeder seine (ihre) eigenen Gedanken machen. Hier soll einfach mal ein Blick auf Theresa May, Margaret Thatcher und Angela Merkel geworfen werden.

Aus aktuellem Anlass kommt Theresa May zuerst dran. Anders als ihre beiden Kolleginnen hat sie es nicht über eine lange Strecke geschafft. Margaret Thatcher brachte es auf elf Jahre (1979 bis 1990) in 10 Downing Street, Angela Merkel absolviert gerade ihr 14. Jahr (seit 2005) im Bundeskanzleramt. Und Theresa May? Sie wird ihr drittes Jahr (seit Juli 2016) nicht vollenden. Und dass sie sich so lange gehalten hat grenzt sogar an ein Wunder.

Eine an Sturheit grenzende Geradlinigkeit hat mitgespielt, sowohl beim Durchhalten wie beim frühen Abschied. Eine an Sturheit grenzende Geradlinigkeit wies auch Margaret Thatcher auf, während Angela Merkel eine herausragende Wendigkeit attestiert werden kann. Alle drei sind in Krisensituationen ans Ruder gekommen. Die beiden Langlebigen haben ihre jeweilige Krise mutig genutzt, als die Männer noch zögernd nach dem notwendigen Mumm suchten. Theresa May hingegen wurde von einer clever zockenden Truppe public school boys zum Großreinemachen an die Spitze geschoben. Bei dieser wenig versprechenden Ausgangslage hat sie die Chance, die sie eigentlich gar nicht hatte, vergleichsweise gut genutzt. Oder wenn nicht gut, so doch wenigstens unerwartet ausdauernd.

Thatcher entmannte die Gewerkschaften

Sie war einem Zangenangriff ausgesetzt. Zum einen der Brexit, den ihr die zockenden Männer David Cameron und Boris Johnson eingebrockt haben. Zum anderen eine konservative Partei, die in Sachen Brexit zerstrittener war als der sprichwörtliche Hühnerhaufen. Strikte Hardliner gegen behutsame Abschiednehmer und als Dritte im Ring die „remainer“, die, wie ursprünglich auch Theresa May, gerne in der Europäischen Union geblieben wären. Und dann war da noch ein vierter, der über Bande spielte: Labour-Chef Jeremy Corbyn, der seine Partei in einem taktischen Schwebezustand hielt, in der Hoffnung, dass Theresa May und ihre Konservativen sich gegenseitig völlig aufreiben, und Neuwahlen unumgänglich werden. Sein Spiel könnte durchaus noch aufgehen, obwohl neben den Torys auch Labour bei den EU-Wahlen eine Klatsche erwartete.

Margaret Thatcher und Angela Merkel hatten es nicht leicht, aber doch etwas leichter als ihr arme, jetzt zum Abschied gedrängte Kollegin. Die konservative Lady Thatcher nahm sich die streikfreudige Bergarbeiter-Gewerkschaft vor, die das Königreich damals fast zum Erliegen brachte; ein Kraftakt, den sich keiner ihrer männlichen Kollegen zutraute. Sie entmannte die Gewerkschaften und ebnete so den Weg in ein wirtschaftlich supermodernes Königreich der Geld-Jongleure und Service-Leister. Nebenprodukt: ein zweigeteiltes Land, oben im Norden arm, unten im Süden reich. Entscheidend war dabei: Die Truppe der nur begrenzt mutigen konservativen Herren scharte sich brav hinter der eisernen Lady, die sie nicht mochten, aber fürchteten.

Angela Merkel nutzte mutig Helmut Kohls Götterdämmerung und preschte nach vorne, während die Herren der CDU noch überlegten, wie der ewige Platzhirsch am elegantesten vertrieben werden kann. Der Rest war systematische Machtsicherung gepaart mit einem analytisch kühlen Blick auf das, was den Deutschen auf der Seele brennt. Hat dieser analytische Blick, der ihre Partei in eine behutsame Linkskurve gelockt hat, sie verlassen, als sie die Grenze für eine runde Million Zuwanderer geöffnet hat? Ja und nein. Es hat die Sehnsucht vieler, Deutschland als eine Nation von überragender Herzensgüte zu erleben, durchaus gestreichelt. Vor allem aber: Sie wollte die meisten Ankömmlinge ja gar nicht behalten sondern schön über Europa verteilen. Das war die entscheidende Fehlkalkulation. Die Nachbarn spielten nicht mit. Und den Briten versetzte sie damit wohl den letzten Stupser, sich aus der EU zu verabschieden und ihre Grenzen wieder in eigener Regie zu sichern.

Damit kam die tragische Stunde der Theresa May. Sie nahm sich als ehemalige EU-Freundin selbst in die Pflicht, den Brexit vernünftig zu organisieren. Sie machte dabei – wem wäre das nicht passiert? – einige Fehler. Aber selbst wenn sie fehlerfrei agiert hätte: Die public school boysmit dem näselnden Akzent hätten auf alle Fälle versucht, die Frau fürs Großreinemachen kühl auflaufen zu lassen. 

Schachspielerin und Rugbyspielerin

Während Angela Merkel wie eine Schachspielerin ihr Geschäft betreibt und Margaret Thatcher sich als knallharte Rugby-Spielerin durchsetzte, wurde Theresa May von ausgekochten Profis in eine Abseits-Falle gelockt. Ob die boysund wer von ihnen, am Ende gewinnen, ist allerdings durchaus offen. Die konservative Partei wirkt wie ein Verein in Selbstauflösung. Sollte Spielführer Boris Johnson, ein Ultra-Brexit-Protagonist, der in Brüssel durch und durch europäisch sozialisiert worden ist, das Rennen machen, haben die Torys einen Mann an der Spitze, den man beim besten Willen nicht als Versöhner bezeichnen kann. Nicht die Integration sondern die Intrige ist seine Spezialität.

Kann eine zerbröselnde konservative Partei mit Boris Johnson an der Spitze eine Wahl gewinnen? Vielleicht aus Angst vor der Alternative: Jeremy Corbyns Labour-Partei ist unter seiner Führung das geworden, wovon unser Juso-Chef Kevin Kühnert nur laut träumen kann. Brexit und Corbyn-Sozialismus – das wäre eine harte Nummer für das Königreich.

Wird man sich also demnächst noch nach Theresa May zurück sehnen? Mag sein. Oder man macht sie für das Chaos verantwortlich, das die Männer hinter ihrem Rücken angerichtet haben. Margaret Thatcher und Angela Merkel haben sich jede auf ihre Weise gegen eine eigentlich vorhandene Männer-Übermacht durchgesetzt. Theresa May ist nicht gescheitert, weil sie zu schwach war. Sie war zu geradlinig in einem Verein männlicher Trickser und Zocker.

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Silas Loy / 25.05.2019

Vielen Dank und zwei Anmerkungen: Die eiserne Rugbyspielerin wurde durch die von ihr durchgesetzte weitgehende Deregulierung des Finanzplatzes London die Mutter seiner heutigen Weltstellung und gleichzeitig die Mutter der globalen Finanzkrise 2008. Und die angebliche Schachspielerin aus der Uckermark kann wirklich nicht rechnen, sollte sie angenommen haben, dass die Migranten sich auf Europa verteilen lassen würden. Die Migranten im Schengenraum jedenfalls können rechnen, das hat mit der Zustimmung anderer Länder zu Verteilungen gar nichts mehr zu tun. Überhaupt sind die einzigen, die in der Migrationskrise alle Tassen im Schrank und sich vollständig durchgesetzt haben eben diese Migranten selber. Sie haben die “Schachspielerin” und ihre Wasserträger vorgeführt.

Thorsten Rosché / 25.05.2019

Bei Merkel würde selbst ein Chamälion neidisch werden,. Das unterscheidet sie von Frau May. Schließe mich dem Kommentar von Frau Mützel an.

Olaf Neumann / 25.05.2019

Plattes Männer-Bashing, als Abrechnung mit May und Merkle getarnt. Lieber Herr Bonhorst, wissen Sie, was Feministinnen noch mehr verachten als weiße alte Männer? Männer, die ihnen recht geben.

Frank Volkmar / 25.05.2019

Es ist keine große Kunst das Ruder bei ruhiger See zu übernehmen wenn man in tiefem Wasser ist, eine eingespielte Mannschaft hat und der vorherige Kapitän “klar Schiff” gemacht hat von der Bilge bis in die Mastspitze. Merkel hat das Ruder übernommen, nachdem ihr Vorgänger die heißen Eisen angefasst hat, die vorher absichtlich liegengelassen wurden. Sie konnte sich also ausruhen und darauf beschränken Führung darzustellen also zu simulieren und Konkurrenz auszuschalten. Die beiden britischen Politikerinnen sind damit nicht zu vergleichen. Sie haben die Führung in einer Zeit übernommen in der Entscheidungen gefordert waren. Die Kanzlerin hat die Welle nur abgeritten und versucht derzeit nur noch trockenen Fußes an Land zu kommen.

Sabine Schönfelder / 25.05.2019

Eine Krise zu nutzen, um sich selbst ins Spiel zu bringen, ist keine typisch weibliche Eigenschaft. Vielleicht eher das spontane Zupacken, was sich bei der holden Weiblichkeit angesichts ’ bedrohter Brut’ evolutionär stärker verankert in den Genen vorfindet, als das ‘männliche’ lange Abwägen und Platzhirschgetue. May konnte nicht gewinnen, keiner kann das Problem der Quadatur des Kreises lösen. Ich bewundere diese Frau, die stets bemüht war, sehr tapfer, sehr stringent ihre Aufgabe immer demokratisch zu bewältigen. Übelkeit steigt in mir auf, wenn ich über die bewußt ausgewählten und spöttischen Worte einer mißgünstigen Uckermarker Landpomeranze denke, die mit ‘Respekt’  an May nur ihre unverhohlene Schadenfreude zum Ausdruck brachte. Auch sie wird es noch lernen. Das, was der Staatsfunk berichtet, entspricht nicht der Realität. Selten hat in Deutschland ein Regierungschef während seiner Regierungszeit soviel Haß auf sich und eine Spaltung der Bevölkerung hervorgerufen wie Merkel. Ihre letzten beiden Sätze kann ich nur unterschreiben!

Günter Springer / 25.05.2019

Herr Bonhorst, glauben Sie wirklich, was Sie da schreiben : “Angela Merkel nutzte mutig Helmut Kohls Götterdämmerung und preschte nach vorne, während die Herren der CDU noch überlegten, wie der ewige Platzhirsch am elegantesten vertrieben werden kann. Der Rest war systematische Machtsicherung gepaart mit einem analytisch kühlen Blick auf das, was den Deutschen auf der Seele brennt. Hat dieser analytische Blick, der ihre Partei in eine behutsame Linkskurve gelockt hat, sie verlassen, als sie die Grenze für eine runde Million Zuwanderer geöffnet hat? Ja und nein. Es hat die Sehnsucht vieler, Deutschland als eine Nation von überragender Herzensgüte zu erleben, durchaus gestreichelt. Vor allem aber: Sie wollte die meisten Ankömmlinge ja gar nicht behalten sondern schön über Europa verteilen. Das war die entscheidende Fehlkalkulation. Die Nachbarn spielten nicht mit…......” Über den angeblich kühlen Blick der Merkel für das, was dem deutschen Bürger auf der Seele brennt….. Soll das ein Witz sein? Die Frau May hat die Entscheidung des brit. Volkes für einen Austritt aus der EU ernst genommen und war entschlossen den Willen des Volkes durchzusetzen. Dafür, das in erster Linie Brüssel und Teile des Brit. Parlamentes ihr dabei in den Rücken gefallen ist ist ja wohl nicht ihre Schuld. Frau Merkel hat zwar einen großen Schwur, geleistet dem deutschen Volk zu dienen, ihn aber sofort vergessen. Beispiel: an welches Volk hat die Frau Merkel den gedacht, als sie eigenmächtig die Grenzen geöffnet hat????? Ihr Artikel erinnert mit fatal an den Mainstream der deutschen Medien und an das Evangelium für den kleinen Mann, der immer wieder ,leider, darauf hereinfällt

Anders Dairie / 25.05.2019

Vielleicht sollte man den EURO in den Raum stellen.  Ich meine, dass viele Briten dessen Stabilität anzweifeln.  Zurecht, wenn sie die Schulden-Situation in der EU bewerten.  Man soll beachten, dass das Britische Pfund in einem früher imperialen Reich eine wichtigere Rolle spielte, als das den Deutschen mit der Reichmark und ihren Nachfolgern je bewusst wurde.  Ein Imperium war im Handel auf stabile (goldgedeckte) Währung angewiesen und feste Kurse,  zwischen der   Insel,  Afrika und Indien.  Es hat m.W. kein Britisches Pund extra für die Kron-Kolonien gegeben.  Was da in GRE passiert ist—und überall am Mittelmeer —kann selbst den wohlwollenden britischen “Imperialisten” nicht gefallen haben.  Das reine Unbehagen reicht, um ein Votum gg. die EZB und EU-Brüssel vorzugeben. Mehr braucht es auch morgen nicht für eine Wahlklatsche.

Anders Dairie / 25.05.2019

Den Deutschen wird nicht klar gesagt,  dass es bei den Briten nicht um BREXIT oder Nichtbrexit geht.  Also eventuell um ein 2. Votum zum Verbleib in der EU. Sondern um die Frage, ob die Vertragslage mit der EU beim Brexit günstig genug ist.  Den Brexiteers ist Frau MAY’s Vertrag zu soft, um zuzustimmen.  Das heisst, lieber mit einem letzten Kanonenschuss untergehen.  Als dem feindlichen Europa in Brüssel die Flagge ” I Surrender”  zu zeigen.  Gleichbedetend mit der Kapitu-lation. Die kämpfen tatsächlich lieber “... an den Stränden…”, frei nach CHURCHILL.  Auch die Deutschen haben nicht kapiert,  dass im Mutterland der modernen Demokratie eine Volksabstimmung nicht nach-verhandelbar ist.  May ist für das Prinzip “Demokratie first”  politisch “gestorben”.  Nicht wegen Corbyn oder dem Großen Blonden mit den scharfen Sprüchen.  Weil Deutsche da nicht ganz mitkommen,  blieben sie Halb-Demokraten.  Dies ohne britisches understatement..

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