Zana Ramadani, Gastautorin / 09.03.2018 / 06:15 / Foto: Pixabay / 29 / Seite ausdrucken

 Zweimal Moral mit Laura Himmelreich

Wie können wir Frauen erwarten, dass wir ernst genommen werden, wenn wir aus jeder Mücke einen Elefanten machen? Es gibt viele Abstufungen von Sexismus, aber offenbar sind wir an einem Punkt angelangt, an dem schon ein bewundernder Blick und ein knittriges Kompliment eine Ohnmacht erzeugen.

Laura Himmelreich erreichte einige Bekanntheit, nachdem sie zu Beginn des Jahres 2013 in der Zeitschrift Stern unter dem Titel „Der Herrenwitz” über eine persönliche Begegnung mit dem Spitzenkandidaten der FDP, Rainer Brüderle, berichtet hatte. Nach einem Parteitag saß sie mit ihm an einer Hotelbar und fragte ihn, „wie er es findet, im fortgeschrittenen Alter zum Hoffnungsträger aufzusteigen”. Wenig später will Brüderle wissen, woher die Journalistin stamme. Aus München, sagt sie. „Dort seien die Frauen eigentlich trinkfest, sagt er und blickt skeptisch auf die Cola Light in meiner Hand. Ich sage ihm, dass ich privat, zum Beispiel auf dem Oktoberfest, durchaus Alkohol trinke.” Die Passage, welche die Republik in Aufruhr versetzte, folgte sodann; sie lautet: „Brüderles Blick wandert auf meinen Busen. ´Sie können ein Dirndl auch ausfüllen.`”

Ein alter Mann wie Brüderle mag als Kompliment verstehen wollen, was unter den Himmelreichs als sexueller Übergriff gilt. Dafür hätte er es nicht gewagt, eine ältere Dame zu fragen, wie sie es finde, im fortgeschrittenen Alter zum Hoffnungsträger aufzusteigen. Für seinen inkriminierten Satz hätte er schlimmstenfalls ein Lächeln erwartet, aber er bedeutete das Ende seiner Karriere, weil einer Journalistin etwa ein Jahr nach dem Ereignis einfiel, dass sein Wort Sexismus gewesen sein könnte.

Frau Himmelreich hat es inzwischen vom Stern, wo häufig Titten den Titel schmücken, damit auch feministische Mitarbeiterinnen ordentlich bezahlt werden können, zur Chefredakteurin eines Internetportals gebracht, auf dem Sparfüchsen „ein erschwinglicher Sexroboter” vorgestellt wird und Bestatter lebensentscheidende Fragen beantworten, „die du dich niemals trauen würdest zu stellen”, zum Beispiel diese: „Hattest du mal Sex auf einer Beerdigung?” Antwort: „Nein, aber auf einem Friedhof.” Die Plattform berichtet über Pornofilme, Prostitution als „Sexarbeit”, befriedigende Blowjobs und Frauen, die in Kursen gegenseitig ihre Vulvas besichtigen, alles illustriert mit viel nackter Frauenhaut.

Sex sells, und Laura Himmelreich muss verkaufen. Alles blinkt und blendet und verblendet – die jungen LeserInnen nämlich. Hypersexualisierung wird zur Normalität. Das verantwortet eine Frau, die ein dämliches Kompliment eines alten Sacks beim Absacker in einer Bar als Sexismus empfand. Das ist Doppelmoral, aber wie formulierte es schon Bertolt Brecht in der „Dreigroschenoper”: „Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral.” Da sind Frauen offenbar genauso gut wie Männer.

Auszug aus dem Buch: Sexismus. Über Männer, Macht und #Frauen von Zana Ramadani.

Zana Ramadani, geb. 1984 in Skopje (Mazedonien), war Mitbegründerin von FEMEN Deutschland und ist heute Mitglied der CDU. Die Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte studierte Rechtswissenschaft, Politikwissenschaft und Soziologie. Sie setzt sich für Menschen- und besonders Frauenrechte ein, dreht Reportagen und Dokumentarfilme, hält Vorträge und Workshops und ist Landesvorsitzende Berlin des „Deutschen Staatsbürgerinnen-Verbandes e.V.“ (ältester Frauenrechtsverband in Deutschland) und aktives Mitglied bei Terre des Femmes.

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Leserpost

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Wolfgang Wenisch / 09.03.2018

Kein Brüderle für ein(e) Himmelreich !

Bechlenberg Archi W. / 09.03.2018

Selig sind die Armen im Geist. Denn für sie schreibt Frau Himmelreich.

Mario Bernkopf / 09.03.2018

Hat sich die unsägliche Frau Wizorek dazu schon geäußert?

Wilfried Cremer / 09.03.2018

Danke, dass Sie unsereins “Alter Sack” nennen. Das habe ich jetzt zum Morgenkaffee gebraucht.

Hjalmar Kreutzer / 09.03.2018

Danke für den Artikel. Noch wichtiger: Wo gibt es dieses gelbe Quietscheentchen im Deandl mit dem Zopfkranz? An Kitsch das‘ schon wieder schön is !

Gerd Koslowski / 09.03.2018

Wieder mal bewahrheitet sich: Wer im Schlachthaus sitzt soll nicht mit Schweinen schmeißen.

R. Bunkus / 09.03.2018

(Männlicher) Sexismus hat auch nur deshalb eine Chance, weil Frauen das Spiel mitspielen.

Jochen Brühl / 09.03.2018

Ich nehme Frauen vollkommen ernst, und zwar derart, dass ich mit Ihnen keinesfalls mehr ausgelassen feiern würde, es sei denn, sie sind mir gut bekannt. So gut bekannt, dass ich mir sicher sein kann, nicht nach Jahren mit dem Vorwurf der sexuellen Belästigung konfrontiert zu werden. Mein Sohn muss da bereits von Anfang an wesentlich disziplinierter sein. Meine Tochter auch, aber dass ist dann wieder eine andere Geschichte.

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