Peter Grimm / 27.04.2022 / 06:25 / Foto: Pixabay / 87 / Seite ausdrucken

Zweifle nicht, wenn der Regen kommt

Schon vor Jahren machten sich einige Journalisten daran, althergebrachte berufliche Standards zu schleifen und den Haltungsjournalismus zu propagieren. Und jetzt kommt der Klimajournalismus.

Es galt einmal als eine Tugend freier Journalisten, sich um eine möglichst vorurteilsfreie und alle Seiten hinterfragende Berichterstattung zu bemühen. Damit hob sich eine freie Presse von der Parteipresse und dem parteilichen Journalismus in Diktaturen ab, der aus Journalisten eigentlich Propagandisten macht, denn jede Art der einstmals journalistischen Arbeit hatte der Vermittlung der von den Herrschenden verordneten Weltanschauung zu dienen.

Mit Sorge verfolgen Medienkonsumenten schon einige Zeit, dass auch dort, wo viele Jahrzehnte eine freie Presse blühte, immer mehr Medienwerktätige in ihren Werken zuvörderst ihre gute Gesinnung und ihre Unterstützung für eine gute Sache demonstrieren wollen. Für Diskurs bleibt da immer weniger Platz, für eine vorbehaltlose Recherche, die keine Frage scheut, auch.

Spätestens seit der bekannte WDR-Redaktionsleiter Georg Restle vor vier Jahren in der Fachpresse das Zeitalter des „Haltungsjournalismus“ ausrief, wurde das Ende der alten journalistischen Kultur und einst eherner professioneller Grundsätze quasi offiziell eingeläutet. Restle schrieb damals:

Ganz grundsätzlich glaube ich, dass Journalisten überhaupt wieder über einen werteorientierten Journalismus nachdenken sollten – statt permanent nur abbilden zu wollen, 'was ist'."

Eine Dimension jedes Themas

Auf diesem Wege sind Deutschlands Medienschaffende am letzten Dienstag im April wieder einen entscheiden Schritt vorangekommen. Seit Sommer vergangenen Jahres gibt es ein „Netzwerk Klimajournalismus“. Und dieses Netzwerk hat am letzten Dienstag im April nun eine Charta veröffentlicht, in der deutschsprachige Journalisten den „richtigen“ Umgang mit der Klimafrage fordern. Kerngedanke:

„Die Klimakrise ist kein Thema, sondern – analog zu Demokratie und Menschenrechten – eine Dimension jedes Themas. Klimajournalismus ist daher nicht an Ereignisse gebunden und kann nicht in engen Ressort- und Zuständigkeitsgrenzen stattfinden.

Klimajournalismus greift interdisziplinär auf die Erkenntnisse aus Gesellschafts- und Naturwissenschaften zurück, hat weitere ökologische Krisen wie das Artensterben im Blick und orientiert sich dabei am Stand der Forschung. Angesichts der Dringlichkeit der Krise zeigt Klimajournalismus konstruktiv Lösungen auf, ordnet diese kritisch ein und befähigt so zu einem informierten demokratischen Diskurs.

Klimajournalismus braucht unterstützende Strukturen. Verlage und Sender tragen auf unterschiedlichen Ebenen Verantwortung: Sie sollten ihren Redaktionen Aus- und Weiterbildungen ermöglichen und sich von fossilen Energieträgern und entsprechenden Anzeigen trennen.“

Eines kennt „Klimajournalismus“ offenbar nicht mehr: den Zweifel, obwohl der Triebfeder jeglicher journalistischer Arbeit sein sollte. Im Gegenteil:

Die Klimakrise ist menschengemacht. Grundlegende Veränderungen unserer Arten zu leben und zu wirtschaften sind umgehend nötig, um die Erderhitzung zu begrenzen. Der Globale Norden trägt durch den Kolonialismus und das Wachstumsparadigma seiner Ökonomien historisch die Verantwortung für die Klimakrise. Klimajournalismus erkennt diese Fakten an und konfrontiert die Verantwortlichen damit, dass sie die Welt in eine irreversible Katastrophe steuern, wenn sie in den nächsten Jahren nicht entschieden handeln.“

Werbung für den Klimawandelkurs

Der Hinweis auf die Tatsache, dass sich das Klima seit der Entstehung des Planeten Erde verändert und der Klimawandel keineswegs ausschließlich menschengemacht sein kann, widerspricht dem Geist des Klimajournalismus wahrscheinlich bereits. Abweichler werden nicht geduldet:

„Klimajournalismus vermeidet “False Balance” und enthüllt die Ausweich- und Verschleierungstaktiken von Personen, Unternehmen und Organisationen.“

Der Verweis darauf, wie wenig die genauen Ursachen des Klimawandels eigentlich erforscht sind und dass es eine Illusion ist, die Menschen könnten per Dekret zur Askese eine maximale Erwärmungsgrenze erzwingen, gehört im klimajournalistischen Kosmos bestimmt zu den zu den „Ausweich- und Verschleierungstaktiken“.

Statt zweifelnde Fragen zu stellen, sollen die Kollegen künftig lieber an der Werbung – um das böse Wort Propaganda zu vermeiden – für den Klimawandelkurs der Regierenden mitwirken.

Wer in der SED-Diktatur lebte, kennt vielleicht noch den Slogan, der auf so manchem roten Transparent vor grauen Fassaden zu lesen war: „Die Beschlüsse des [jeweils letzten] Parteitags sind Richtschnur unseres Handelns“. Hier sollen keine unzutreffenden Vergleiche mit dem SED-Staat angestellt werden, aber trotzdem erinnert sich vielleicht manch Älterer an solch einen Satz, wenn er jetzt liest:

„Das Pariser Klimaabkommen von 2015 und das „Klima-Urteil“ des Bundesverfassungsgerichtes von 2021 sind für den Klimajournalismus Richtschnur und Leitplanken. In Kombination mit den Pressegesetzen der Bundesländer und dem Grundgesetz ergibt sich für uns daraus eine Verpflichtung zur klimajournalistischen Arbeit.“

Es lohnt sich wahrscheinlich nicht, auf diese recht spezielle Deutung von Grundgesetz und Pressegesetzen näher einzugehen, denn – so zeigt der Duktus des Textes – es geht den Kollegen nicht um Argumente. Vor allem geht es ihnen nicht um möglichst vorurteilsfreie Berichterstattung nach eingehender und in alle Richtungen hinterfragender Recherche. Es werden damit professionelle Grundlagen über Bord geworfen, die für das Funktionieren einer freien Presse eigentlich unerlässlich sind.

Der Bundesregierung und den von ihr finanzierten Institutionen wird der Aufruf zur publizistischen Unterstützung ihres klimapolitischen Kurses auch so manche Förderung wert sein. Die öffentlich-rechtlichen Anstalten werden ihm in großen Teilen folgen, so wie es schon beim „Haltungsjournalismus“ war. Wahrscheinlich meinen es ganz viele der Kollegen, die diesem Kurs folgen, wirklich ernst, und sie glauben, sie setzten sich für das Richtige und Gute ein. Nur ist der Verzicht auf vernehmliches zweifelndes Hinterfragen unmöglich mit gutem Journalismus zu vereinbaren. Dessen Leitgedanken hatte Hanns Joachim Friedrichs treffend zusammengefasst und er ist weiterhin gültig, so antiquiert er auch klingen mag und so wenig Zuspruch er auch heute in den Redaktionen hat: „Das hab’ ich in meinen fünf Jahren bei der BBC in London gelernt: Distanz halten, sich nicht gemein machen mit einer Sache, auch nicht mit einer guten, nicht in öffentliche Betroffenheit versinken, im Umgang mit Katastrophen cool bleiben, ohne kalt zu sein.“

Foto: Pixabay

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Arnold Balzer / 27.04.2022

Herr Grimm, zu Ihrem Vergleich zwischen SED-Diktatur und Klimadiktatur: “Hier sollen keine _unzutreffenden_ Vergleiche mit dem SED-Staat angestellt werden” Der Vergleich ist KEINESWEGS unzutreffend, sondern das “logische” System ist dasselbe (Erst wird ein Pamphlet verfasst, also 5-Jahrplan bzw. Klimaabkommen, und dann wird das als Richtschnur ausgegheben.) und auch die wörtliche Übereinstimmung macht den Vergleich zutreffend und unangreifbar.

W. Kacpura / 27.04.2022

Das schöne ist, dass ich, (noch), nicht verpflichtet bin die Propaganda zu lesen.

sybille eden / 27.04.2022

Ich werde weder eine “Zeitung” noch eine Fernsehsendung mit dem Thema Klimawandel konsumieren, d.h. können sie sich mit ihrer Propaganda den Hintern abwischen ! Das haben wir schon mit dem “Neuen Deutschland” so gemacht, weil Klopapier in der SBZ meistens Mangelware war. Das war “angebots-orientiert”.

Gisela Zabka / 27.04.2022

Ich bin mir aber nicht sicher, wo Hanns Joachim Friedrichs, der immer wieder gern Zitierte, heute stünde. Denn mit seinen Tierfilmen „Wunderbare Welt“ wollte er durchaus eine „grüne Botschaft“ vermitteln, wie er in seinem letzten Interview mit dem „Spiegel“ sagte (Nr. 13/95: „Cool bleiben, nicht kalt“), und auch parteipolitisch war er mitnichten neutral, sondern der SPD nicht nur im Geheimen zugeneigt, seine Karriere hat er schließlich auf dem „roten Ticket” gemacht. Friedrichs‘ Diktum „...dass er [der Journalist] sich nicht gemein macht mit einer Sache, auch nicht mit einer guten“ bezog sich allein auf die „Tagesthemen“-Moderation. Sein damaliger „Spiegel“-Interviewer Cordt Schnibben: „Hajo war weit davon entfernt, einem haltungslosen, meinungslosen Journalismus das Wort zu reden.“

Silas Loy / 27.04.2022

Das ist kein Journalismus, das ist die Theologie einer Sekte.

armin_ulrich / 27.04.2022

Es sei hier noch einmal an die qualitativ hochwertige Klimaberichterstattung meiner Lieblingszeitung “Berliner:Innen Tagesspiegel” er:Innert. Ich gebe hier die Überschriften an, (Sie müßten dann den Artikel ergooglen können): “Rekordtemperaturen bis zu 30 Grad Warum es in Sibirien inzwischen wärmer ist als in Berlin” “Klimawandel in den Meeren Erwärmung verändert Lebensräume in der Tiefsee” “NH Hotelgruppe lädt Eike aus Klimawandel-Leugner müssen sich neuen Veranstaltungsort suchen” “Neuer globaler Hitze-Rekord? Wetterstation im Death Valley in Kalifornien misst 54,4 Grad” .... ein Artikel fürchterlicher als der andere .....

Dr. Volker Rachui / 27.04.2022

Bevor das tägliche Wetter für unser Land erklärt wird, bringt der TV-Meteorologe Özden Terli den aktuellen Nachweis des “(menschengemachten) Klimawandels” in Wort und Grafik. Egal wo auf der Welt ein vermeintlicher Rekord gebrochen wird: ob “Hitze” in der Antarktis mit minus 18°C, oder Waldbrände in USAmerika in nie gewesener Häufigkeit. Özden Terli macht Angst und schlechtes Gewissen. Danke Özden! Ich hatte tatsächlich nicht gedacht, dass gewisse Journalisten/Medienschaffer sich selbst als “Klimajournalisten” betiteln würden. Nebenbei: Die sogenannte Diversity im ÖR scheint mir mehr als hinreichend abgebildet.

Thomas Brox / 27.04.2022

Es ist simpel. Die materiellen Lebensumstände bestimmen das Bla-Bla, der Bauch bestimmt das Bewusstsein. ++ Fangen wir oben an, beim Schmarotzerstaat mit seinen vielen Millionen steuerfinanzierter Selbstbediener. Der Klima-Wahn - genauso wie viele andere Lügen - ist ein Vorwand (ein Narrativ, vornehm ausgedrückt), um die produktiv arbeitende (oder besitzende) Bevölkerung bequem auszupressen. Das Grundmuster ist die parasitäre mittelalterliche Kirche, die mit Hilfe ihres Hokuspokus Bauern und Bürger ausgebeutet hat. ++ Die Aufgabe der durch die GEZ-Abgabe zwangsfinanzierten Staatssender ist es, die verlogenen staatlichen Narrative unters Volk zu bringen. Dafür gibt es z.B. in der ARD ein durchschnittliches(!!) Gehalt von mindestens 10.500 Euro monatlich (2018 waren es 9.400 Euro). Diese von den Opfern zwangsweise finanzierten Systemprofiteure sind fast so sympathisch wie das BVerfG mit seinen verblüffenden GEZ-Urteilen. ++ Da der Staat unendlich viel abgepresste Kohle hat, ist es nicht weiter schwierig, die (noch) privaten Medien zu korrumpieren. Die Zustellung von Zeitungen wird subventioniert, teure staatliche Anzeigen und Reklame werden lanciert, lukrative Lizenzen, Genehmigungen, TV-Kanäle werden durch Behörden vergeben (Medienstaatsvertrag), direkte staatliche Finanzierung wird bereits diskutiert. Außerdem sorgt die umfassende staatliche Zensur (z.B. NetzDG) für die Disziplinierung der privaten Medien. Bei Bußgeldern von bis zu 50 Millionen Euro legt sich die private Presse immer auf die sichere Seite - die Seite des Staates. ++ @ S. Wietzke. Betrifft ihre Einschätzung von deutschen Journalisten. Ich glaube die meisten wissen genau, dass sie verlogene Propaganda verbreiten. Würden sie echt kritische Meinungen verbreiten, dann besteht in Deutschland die akute Gefahr, dass sie beruflich erledigt sind. Auch junge Journalisten wissen nach kurzer Zeit wie der Hase läuft.

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