Gastautor / 21.06.2016 / 12:20 / 20 / Seite ausdrucken

Zweifelnde junge Flüchtlings-Helfer: Jetzt bitte keine Häme

Von Elisa Brandt.

Im Internet macht gerade ein Video eines jungen Mannes die Runde, in dem dieser ausführlich seine ernüchternden Erlebnisse in der Flüchtlingshilfe schildert, unter anderem die dreiste Anspruchshaltung eines jungen syrischen Migranten mit vorgetäuschtem Flüchtlingshintergrund und die mulmigen Gefühle, die dessen Reaktion auf sein Bekenntnis Atheist zu sein, in ihm hervorgerufen hat. Der junge Mann wirkt auf mich ausgesprochen sympathisch, um Differenzierung und Vermeidung vorschneller Urteile bemüht, dennoch auf tapfer-rührende Weise nicht Willens, seine eigenen Beobachtungen und Erfahrungen zu leugnen. Natürlich gibt es neben Anerkennung für dieses Outing als Realist auch genug Spott – angefangen vom Titel „desillusionierter Gutmensch“ – bis zur offenen Häme. Ich selbst war beim Anschauen und Zuhören des Öfteren kurz davor, laut „Guten Morgen!“ zu rufen, wenn das „Endlich aufgewacht“  so deutlich war.

Nun ist es leicht, auf andere, insbesondere junge, Menschen herabzusehen, deren weltfremder und uninformierter Idealismus gerade an der harten Realität zerbröselt. Aber es ist ungerecht und kleingeistig. Der durchschnittliche Jugendliche und junge Erwachsene ist heutzutage von klein auf einer Erziehungsmaschinerie ausgesetzt, die vom Kindergarten (in dem Lieder aus aller Herren Länder gelernt werden, aber bloß kein deutsches), über die Schule (womöglich ohne Rassismus, dafür mit Projekten) bis in die Uni (mit Solidaritätsworkshops und Demoaufrufen) und weit darüber hinaus reicht. Zudem darf die Bedeutung gleichgeschalteter Peergroups und der Gruppendruck durch die ständige social-media-Bedröhnung nicht unterschätzt werden. Der junge Mensch will in seinem jugendlichen Idealismus Teil von etwas Größerem und Besseren sein. Früher war es die Volksgemeinschaft, jetzt ist es die Refugee-welcome-Gemeinschaft.

Wahrscheinlich hat er nicht erkannt, wie mutig er ist

Ich kenne einige dieser jungen Menschen, wie den aufrichtigen jungen Mann aus dem Video, der wahrscheinlich noch gar nicht erkannt hat, wie mutig er gleichzeitig ist. Die allerallermeisten dieser jungen Leute sind tatsächlich weltoffen, tolerant (im eigentlichen und guten Sinne), intelligent, sozial eingestellt. Sie haben eine - formal gesehen - gute Ausbildung genossen und zumeist auch eine gute Erziehung. Den jungen Mann aus dem Video stelle ich mir in einem ähnlichen Umfeld wie meinen Sohn vor: In einer Studenten-WG in einem günstigen und deshalb angesagten Viertel wohnend, in dem vor kurzem zugewanderten Studenten bis auf den Besuch des Falafelladens beziehungslos an den alteingesessenen Migranten vorbeileben.

Noch bunter wird die Gegend durch die noch neuer zugezogenen „Flüchtlinge“. Für diese hängt man in die veganen Cafés mit Freifunk-Internetzugang gerne „Refugee-welcome“-Schilder aus, allerdings halten sich die Besuche der Refugees in solchen Etablissements im seeehr niedrigen einstelligen Bereich (was sollen die auch da?). Die Vermüllung der Gegend stört nicht (Studenten-WG!), die rasant zunehmende Verhüllung der weiblichen Hälfte alter und neuer Migranten wird gar nicht wahrgenommen und geschickt weicht man der raumgreifenden Anwesenheit der männlichen Hälfte alter und neuer Migranten aus.

Er: „Ach, komm. Die tut dir doch nichts!“ Ich: „Mir nicht. Aber ihrem Kind“.

Bei einem meiner Besuche in diesem zum Ärger meines Kindes „occupied territory“ genannten bunten Viertel bemerkte ich eine im schwarzen Staubmantel und eng geschlungenem Kopftuch gehüllte muslimische Jungmama mit Sohn und Tochter im Schlepptau. Die sicher höchstens fünfjährige Tochter trug bereits stolz das Kopftuch und war somit als Sexualobjekt (jedoch nur zum rein muslemischen Gebrauch) eindeutig ausgewiesen. Als ich meinen Ärger darüber meinem Kinde mitteilte, entspann sich folgender Dialog: Er: „Ach, komm. Die tut dir doch nichts!“ Ich: „Mir nicht. Aber ihrem Kind“. Er: „Das Kind sieht doch ganz glücklich aus“. Ich: „Kleine Hitlerjungen sahen auch ganz glücklich aus!“ Er: „Das kannst Du doch gar nicht vergleichen!“ Ich: „Wieso nicht?“ Er: „Weißt Du nicht, was die Nazis getan haben?“ Ich: „Das zu wissen, ist mein Beruf. Deshalb habe ich Angst vor Ideologien, die schon kleine Kinder missbrauchen“ Er: „Ahh – ich hab keinen Bock auf solche Diskussionen. Kannst Du mich da vor dem Falafelladen rauslassen?“

Bei der Diskussion über die Hilfsaktion seiner Studententruppe für Flüchtlingskinder, ließ ich mich nach der begeisterten Schilderung, wie niedlich und toll diese Kinder seien, zu der Bemerkung hinreißen, dass ich gar nichts gegen diese Hilfe für Kinder habe, gewiss auch sehr niedliche und tolle Kinder dabei seien, es sich allerdings nicht um Flüchtlinge handele, übrigens auch nicht nach den Kriterien der Genfer Flüchtlingskonvention. Es entspann sich folgender Dialog: Er: „Warum sollen die nicht hierher kommen dürfen? Die können doch nichts dafür, dass sie nicht hier geboren sind. Das ist doch reiner Zufall, dass ich hier geboren bin und die nicht.“ Ich: „Es ist auch reiner Zufall, dass ich deine Mutter bin. Eigentlich könnte ich auch irgendein anderes Kind durchs Studium bringen, das wäre auch irgendwie „gerechter“. Er: „Ich LIEBE deine differenzierten und einfühlsamen Erziehungsmethoden.“ Ich: „Im Ernst - wenn alle, die zufällig woanders geboren sind, nach Deutschland kommen dürfen, wie stellst Du Dir dann Deine Zukunft vor?“ Er: „Ahh – ich habe keinen Bock auf solche Diskussionen. Kannst Du mich mal am Falafelladen rauslassen?“

"Kannst Du mich mal am Falafelladen rauslassen?“

Neulich besuchte uns eine Freundin von ihm, die ebenfalls in der Refugee-Hilfe tätig ist, Islamwissenschaft studiert und von tollen Stellen im Koran schwärmt. Trotzdem ein sehr nettes, höfliches und gut erzogenes Mädchen. Mein Sohn warnte vorher: „Kein Wort über Flüchtlinge und Islam. Ich hab keinen Bock auf solche Diskussionen“ und bat zugleich „Kannst Du Falafel und Humus machen?“. Ich machte selbstverständlich gern Falafel und Humus und überlegte, dass  dieses Mädchen ja vor einiger Zeit mit ihren Freunden an einer aggressiven Gegendemo gegen die AfD teilgenommen hatte.

Würde sie mich, falls es entgegen der Warnung meines Sohnes doch zu einer Diskussion über Flüchtlinge und den Islam kommen würde, als „Rassistin“, „Mörderin“ und „Nazi“ bezeichnen? Dazu kam es jedoch nicht. Die Freundin verzehrte glücklich Falafel und Humus und behauptete, es stünden ganz tolle Stellen im Koran. Unter den eindringlichen Blicken meines Sohnes traute ich (Ex-)Katholikin mich nur zu fragen, ob sie auch schon mal die Bibel gelesen habe, was sie lächelnd verneinte. Ihr fiel überhaupt nicht auf, wie absurd dies ist. Und da ich mittlerweile selbst „keinen Bock auf solche Diskussionen“ mehr hatte, dachte ich mir nur: Sie WIRD es auch noch lernen – reality is a good teacher.

Der Zweifel ist ein nagendes Wesen

Seit diesen Diskussionen ist schon geraume Zeit vergangen. Ich bin nicht bei Facebook, aber meine Tochter versicherte mir, dass sich dort die euphorischen Hilfeaufrufe des letzten Jahres schon seit einiger Zeit ziemlich verflüchtigt hätten. Das kann natürlich auch nur mit der fallenden Zahl der Flüchtlinge zu tun haben, die wir Staaten verdanken, die noch wissen, dass es so etwas wie eine Grenze gibt und sogar, dass und wie man diese halbwegs effektiv schützen kann. Und sicher spielen auch die Ereignisse in Köln (und inzwischen in kleinerem Maßstab auch anderswo) eine Rolle, die nun selbst vollkommen desorientierte grüne Politikerinnen oder Journalistinnen nicht mehr als ein nur geringfügig anderes Oktoberfest verkaufen können.

Es kann aber auch mit der einen oder anderen ernüchternden Erfahrung zu tun haben, die liebenswerte, aber naive Helferinnen und Helfer in zunehmenden Maße ganz persönlich gemacht haben. Selbst wenn diese so wie der junge Mann im Video noch weiterhin strikt bemüht sind, jeden Baum einzeln zu betrachten, damit der Wald nicht zu sehen ist, stärken diese Erlebnisse alles in allem tatsächlich die vielbeschworene interkulturelle Kompetenz. Allerdings in einem gänzlich anderen Sinne als die Multikulti-Fantasten es sich vorgestellt haben.

Diese gehen ja von der Annahme aus, dass alle Kulturen gleich seien und analphabetische Menschen aus fundamental-religiösen patriarchischen Clanverhältnissen mit Geld und der Integrationsleistung der Gesellschaft hastenichgesehen zu so etwas wie einem durchschnittlichen Mitteleuropäer gemacht werden können, der jeden Tag zur Arbeit geht, brav die Steuern zahlt, und sich höchstens dadurch unterscheidet, dass er in die Moschee statt in die Kirche (oder realistischer: auf den Fußballplatz oder zum Baden) geht und statt Schweinebraten Halal-Lamm isst. Viele junge Menschen ahnen aber inzwischen, dass dies nicht möglich ist und ganz langsam dämmert es ihnen, dass es etliche Jahrhunderte und Ströme von Blut gekostet hat, bis WIR durchschnittliche Mitteleuropäer geworden sind. Und einigen dämmert es sogar, dass SIE es sind, die diesen Wahn ihrer Elterngeneration werden bezahlen müssen, womöglich nicht nur mit Geld, mit richtig, richtig viel Geld, sondern mit ihrer eigenen Zukunft.

Für Häme und Spott über junge verstrahlte "gutmenschliche" Helfer/Innen ist daher kein Platz: Unsere Generation ist es schließlich, die diese jungen Leute ihrer eigenen Herkunft entwurzelt und entfremdet hat und die sie lieber in einem selbstverliebten Kollektivwahn zur Befriedigung des eigenen Egos opfert, statt endlich zuzugeben, dass der Traum aus ist. Aber so was von .…

Elisa Brandt ist Historikerin und lebt in Berlin.

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Patrick Kühnel / 22.06.2016

Ich beglückwünsche den jungen Mann im Video zu seiner Erkundungsreise in die Coditio Humana. Es ist für die seelische (und geistige) Reifung von unschätzbarem Wert, wenn man seine Naivetät nicht versteckt, sondern den Mut hat, sie auszuleben - nur so lernt man wirklich was fürs Leben! Als Ältere sollten wir dabei wirklich nur sehr behutsam lenken und zurückhaltend mit Kommentaren seien, leicht kann enttäuschter Idealismus nämlich in Zynismus umschlagen.

Klaus Wenzel / 21.06.2016

Habe mir das besagte Video auf Youtube gerade angeschaut und kann nur sagen: meine Gefühlslage über das Gehörte schwankt zwischen Sarkasmus, ungläubigem Staunen und Wut. Selbst wenn die genannten Beispiele nicht repräsentativ sein sollten, ist es doch starker Tobak. Hinzufügen möchte ich, dass ich diesen Abend auf “Zeit Online” den recht polemischen Artikel einer jungen Frau aus Syrien gelesen habe, die dem Westen allgemein und Deutschland im Besonderen vorwirft, Flüchtlinge und Schutzsuchende egosistisch abzuwehren. Offenbar wächst die Desillusionierung auf beiden Seiten rasant, wobei die Einheimischen sich offenbar von den Neuankömmlingen noch Vorwürfe gefallen lassen müssen, dass nicht alles so ist, wie man es erwartet. Darüber kann man angesichts der materiellen wie immateriellen Anstrengungen der Bürger, der Verwaltung und der deutschen Politik eigentlich nur den Kopf schütteln…. die Millionen und Milliarden für die Integration der Flüchtlinge regnet schliesslich reichlich vom Himmel und allerorten wird versucht, den Ankömmlingen einen guten Start zu ermöglichen. Man möge Beispiele aus der jüngsten Zeit nennen, in denen andere Staaten ohne Ansehen der Personen und ihrer Geschichten ähnlich großzügig und uneigennützig agierten wie unser Land. Zu befürchten ist, dass wir unruhigen Zeiten entgegen sehen.

Gerd Brosowski / 21.06.2016

Zu Ende des zweiten Kapitels des dritten Buches seines Werkes „Der alte Staat und die Revolution“ schreibt Alexis des Tocqueville den folgenden Satz zur Charakterisierung der französischen Nation zu Beginn der Revolution : „ Die Nation zeigte hier den Hauptfehler aber auch die Haupttugend der Jugend: Unerfahrenheit und Hochherzigkeit.“ Und man darf hinzufügen:  Wer die Unerfahrenheit der Jugend mit Häme übergießt, besudelt zugleich ihre wunderbare Tugend der Hochherzigkeit. Da halte man sich doch besser an den gutmütigen Rat im Volkslied: Lass doch der Jugend ihren Lauf!

Dirk Weidner / 21.06.2016

Ich glaube, hier passt recht gut ein bisweilen Winston Churchill zugeschriebenes Zitat, welches aber wohl in Wahrheit vom italienischen Historiker und Philosophen Benedetto Croce stammt: “Wer vor seinem dreißigsten Lebensjahr niemals Sozialist war, hat kein Herz. Wer nach seinem dreißigsten Lebensjahr noch Sozialist ist, hat keinen Verstand.”  Gut, beim konkreten Sachverhalt hier geht es nicht primär um Sozialismus, aber trotzdem finde ich den Spruch hier passend wie die Faust aufs Auge. Wobei ich Menschen, die unter 30 Jahren beim Sozialismus schon dankend abwinken übrigens nicht für herzlos halte….- aber es dürfte wohl auch so jeder verstehen, was Croce zum Ausdruck bringen wollte. Bei dem jungen Herrn jedenfalls ergänzt wohl grade der erwachende Verstand das grds. ja nicht unwichtige Herz.

Michael Scheffler / 21.06.2016

Das ist aus meiner Sicht so nicht richtig: es gibt wenig Entschuldigung für diese Menschen. Noch leben wir nicht in einer Diktatur und es gibt auch Medien wie achgut. Es ist keiner gezwungen, die PC-Sichtweise zu übernehmen, bei Musikstilen oder Sportarten geht das auch ganz leicht. Wer die offizielle Weltsicht übernimmt, wird mit den Folgen leben müssen.

Christian Goeze / 21.06.2016

Na dann besinnen Sie sich doch ihrer eigenen Wurzeln, stellen Sie sich dem Mainstream entgegen und treten Sie wieder in die Katholische Kirche ein, Frau Brandt!

Heinrich Maiworm / 21.06.2016

Wenn das Berlin Institut für Bevölkerung und Entwicklung oder das Weltwirtschaftsforum Recht haben, wird sich die Zahl der Migranten in den nächsten Jahren vervielfachen. Kaum vorstellbar, dass die Festung Europa diesem Druck standhält. Wir werden sehr viel mehr Geld als bisher aufwenden müssen, die Ursachen für Migration zu beseitigen. Unser Wohlstand wird sinken.

Thomas Bode / 21.06.2016

Ich bekam eine Gänsehaut beim Lesen. Die Katastrophe ist perfekt anhand einiger Katastrophen auf den Punkt gebracht! Das ist der Schlüsselsatz, der auch erklärt warum alles Argumentieren nicht hilft, denn diese Haltung liegt hinter allen Einzelargumenten; „Warum sollen die nicht hierher kommen dürfen? Die können doch nichts dafür, dass sie nicht hier geboren sind. Das ist doch reiner Zufall, dass ich hier geboren bin und die nicht.“ Was nur gedeihen kann in der totalen Verwöhntheit einer Generation, die meint dass Geld halt aus dem Automaten kommt. Und einer Schulbildung die es offenbar nicht für nötig hält den langen Kampf um Aufklärung, Menschenrecht und Demokratie zu vermitteln. Man meint scheinbar dass das alles schon immer hier auf den Bäumen wächst. Das ganz große Ding ist aber dass die komplette sogenannte Elite auch auf diesem infantilen Stand ist.

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