Zweierlei Gastfreundschaft deutscher Behörden

Drei Wochen lang, vom 21. Dezember 2017 bis 11. Januar 2018, genoss Ayatollah Shahroudi deutsche Gastfreundschaft und ärztliche Behandlung in einer neurochirurgischen Klinik in Hannover.

Und er wäre gerne länger geblieben, wenn nicht, eher zufällig, bekannt geworden wäre, dass sich der frühere oberste Richter der Islamischen Republik Iran, der dem Regime zehn Jahre treu gedient hat und dabei, wie es in einer Hannoveraner Zeitung hieß, „hunderte Gräuelurteile gefällt haben soll“, in Deutschland aufhält. Exil-Iraner, die in Deutschland leben, formulieren es weniger vornehm. Der Ayatollah habe, sagt einer, „mehr Blut an seinen Händen als ein Schlachter an seiner Schürze“.

Nachdem bei der Hannoveraner Staatsanwaltschaft mehrere Anzeigen gegen Shahroudi wegen des Verdachts, an Verbrechen gegen die Menschlichkeit teilgenommen zu haben, eingegangen waren, sah es kurz danach aus, als könnte er sein Bett in der Privatklinik mit einer Liege in einem Gefängnis tauschen.

Worauf der 69-jährige fluchtartig Hannover verließ und von Hamburg nach Teheran zurück flog. Was sich schnell als voreilig herausstellte. „Ein Todesurteil“, gab der Generalbundesanwalt bekannt, sei „nicht automatisch ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit“, das wäre nur dann der Fall, wenn es „im Rahmen eines ausgedehnten oder systematischen Angriffs gegen die Zivilbevölkerung“ vollstreckt würde. Und das müsse noch geklärt werden.

Wann deutsche Behörden kein Auge zudrücken

Shahroudi hätte gefahrlos in Hannover bleiben und seine Behandlung abschließen können. Ungeklärt ist bis heute, wer ihm die Einreise in die Bundesrepublik ermöglicht hat.  

Ganz anders dagegen das Vorgehen der deutschen Behörden gegen den ehemaligen katalanischen Ministerpräsidenten Carles Puigdemont. Gegen den lag ein „internationaler Haftbefehl“ vor, ausgestellt von einem spanischen Richter.

Und so wurde der Katalane auf dem Weg von Finnland über Dänemark nach Brüssel, wo er seit einem halben Jahr im Exil lebt, kurz hinter der dänisch-deutschen Grenze festgenommen. Er hat, anders als Ayatollah Shahroudi, niemand umbringen lassen. Puigdemont werden „Rebellion, Aufruhr und Veruntreuung öffentlicher Mittel vorgeworfen“.

Bei solchen „Verbrechen“ können deutsche Behörden kein Auge zudrücken. Sie greifen zu und machen sich zu Erfüllungsgehilfen eines autoritären Regimes.

Zuerst erschienen in der Züricher Weltwoche

Foto: Employee/US Embassy Kabul Flickr via Wikimedia Commons

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Herbert Müller / 31.03.2018

Man muss das verstehen. Mit dem Iran locken lukrative Geschäfte, da darf man es nicht so genau nehmen, Todesurteile hin oder her. Wenn es um den Mammon geht, dann fallen alle moralischen Schranken. Wenn sich hingegen AfD-Vertreter mit syrischen Regierungsvertretern treffen, dann ist das natürlich verwerflich und zu verurteilen, weil dies der Merkelschen Politik des Relocations zuwider läuft.

Uta-Marie Assmann / 31.03.2018

Was man mittlerweile von den deutschen Behörden, insbesondere aber der Justiz, zu halten hat, weiss man spätestens, wenn man die neueste Entwicklung im Fall des afghanischen Messerstechers in Burgwedel liest. Justitia ist nicht (mehr) blind. Sich zum Erfüllungsgehilfen Rajoy’s zu machen, der friedliche Demonstranten und Bürger, die - ebenfalls friedlich - zur Wahlurne wollen, niederknüppeln lässt, ist erbärmlich. Puigdemont hätte aus den gleichen Gründen, die in Belgien griffen, auf freiem Fuss gelassen werden können.

Thomas Bracht / 31.03.2018

Schöne Gegenüberstellung Herr Broder, über die Verhaftung von Carles Puigdemont habe ich mich auch gewundert und in diesem Vergleich ist erkennbar wie ungerecht der Deutsche Behördenmoloch inzwischen agiert. Was die Einreise von Ayatollah Shahroudi angeht liegt die Verantwortung beim Auswärtgen Amt als oberste Bundesbehörde auch verantwortlich für Visa. Leiter des Auswärtigen Amtes ist der Außenminister also zum Zeitpunkt der Einreise Sigmar Gabriel.

Wilfried Cremer / 31.03.2018

Der Ajatollah hätte auch bleiben können. Der Kopf-ab-Geist ist eh schon da. Der andere Fall läuft auf ein heimliches Verschwindenlassen hinaus. Das wird noch schön peinlich.

Günter Springer / 31.03.2018

Sollte man nun über den deutschen Rechtsstaat Lachen oder weinen oder was?

Karl Baumgart / 31.03.2018

Unklar sei, wer am Zustandekommen der Einreiseerlaubnis für den Rechtgläöubigen aus Teheran beteiligt war, schreiben Sie. Irgendwo las ich seinerzeit, dass der frühere Pop-Beauftragte der SPD sowie spätere Bundesaußenministerdarsteller während der dritten Regierung Merkel gesehen worden sei…

Rudolf Dietze / 31.03.2018

Ich denke, Snowden war gut beraten, in Moskau zu bleiben. Putins Ärger begann zur gleichen Zeit. Wie ihn die Kanzlerin in einer Pressekonferenz öffentlich runterputzte - ohnegleichen. Diplomatie geht anders. Die beiden oben angeführten Fälle sprechen für sich. Ich bin auf den Ausgang der Sache gespannt, ob ein gewählter Vertreter eines europäischen Regionalparlaments wegen” falscher” Politik von Deutschland ausgeliefert wird. Gerade, wo Deutschland so einen weitgefassten Asylbegriff hat.

Karl Brenner / 31.03.2018

Der Vergleich ist plump. Zu Shahroudi: Besser passen die NATO-Panzerketten, welche Deutschland gerade an die Türkei leifert, damit die Kurden sie von unten anschauen können. Oder die Hoffnung auf Lieferung von High Tech Gütern an den Iran, damit die Mullahs ihre “Atombombe in der Schublade” verfeinern können oder die Reichweite ihre Trägersysteme bis nach Hamburg verbessern können. Zu Puigdemont: Man muss man nicht in jede Lücke springen.

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