Der Hamburger Rechtsanwalt Joachim Steinhöfel errang einen weiteren Erfolg gegen die Löschungspraxis von Facebook. Er sagte: "Dienstag, der 19.05.2020 war ein sehr guter Tag für die Nutzer sozialer Medien im Freistaat Sachsen und darüber hinaus. Wir haben mit dem Fonds Meinungsfreiheit im Netz in unseren ersten beiden Verfahren vor dem Oberlandesgericht Dresden obsiegt. Es war ein glatter Durchmarsch. Das ist in mehrfacher Hinsicht ebenso bemerkenswert wie wichtig und ein Meilenstein für die Meinungsfreiheit im Netz."
Der 4. Zivilsenat des OLG Dresden hat bisher Urteile gefällt, die Facebook relativ freie Hand für Löschungen auf der Grundlage der „Gemeinschaftsstandards“ ließen. Diese für die Nutzer eher ungünstige Rechtsprechung war auch darauf zurückzuführen, dass von Dritten Fälle vor Gericht gebracht wurden, in denen dies besser unterblieben wäre. "Wir haben von Anfang an Trittbrettfahrer kritisiert, die glaubten, durch Kopieren unseres historischen juristischen Erfolges ebenfalls zum Erfolg gelangen zu können", sagt Steinhöfel. Man habe bekanntlich im März 2018 die erste einstweilige Verfügung wegen Nutzersperrung und Löschung legaler Inhalte gegen Facebook Ireland Ltd. überhaupt erwirkt. Dieses ist zwischenzeitlich rechtskräftig. Das Ergebnis der Trittbrettfahrerei, so Steinhöfel, sind massenhaft erlittene Prozessniederlagen, dokumentiert durch Schriftsatzanlagen von Facebook von 500–1000 Seiten der jeweiligen Urteile. Dies schade der Sache.
Dienstag ging es in Dresden um die Berufungen von Facebook in diesen beiden Fällen. Steinhöfel: "Wir hatten Erfolg auf der ganzen Linie. Und untermauern damit die herausragende Erfolgsquote der von „Meinungsfreiheit im Netz“ geführten Prozesse".
Der Hintergrund: Die Streitigkeiten drehten sich oft nicht bloß um die Frage, ob der konkrete Inhalt gelöscht und der Nutzer gesperrt werden durften. Sondern um komplizierte zivilprozessuale Fragen, ob man überhaupt im Eilverfahren vorgehen kann, um Wiederholungsgefahr, Dringlichkeit, Vorwegnahme der Hauptsache usw.
In den grundlegenden Verfahrensfragen – und auch im Übrigen – stellte sich der 4. Zivilsenat in allen Punkten einschränkungslos auf die Seite des Klägers Steinhöfel: "Damit wissen wir jetzt, dass Unterlassungsansprüche im Freistaat Sachsen auch im Wege der einstweiligen Verfügung durchgesetzt werden können. Ein richtungsweisender prozessualer Doppelschlag".
Facebook hat in der mündlichen Verhandlung beide Berufungen zurückgenommen. Und damit verhindert, dass diese Rechtsauffassung des OLG Dresden in Form von Urteilen bekannt wird.
Am Mittwoch, den 27.05.2020, geht es vor dem OLG Karlsruhe in einem ebenfalls außerordentlich wichtigen Verfahren weiter. Dort dreht es sich um die Frage, ob das „Faktenchecken“ von Correctiv bei Facebook und dergleichen rechtswidrig ist oder nicht. Steinhöfel: "Vor dem Landgericht Mannheim sind wir unterlegen. Wir haben jetzt aber auch aus der Wissenschaft erheblichen Rückenwind. In Aufsätzen in der Fachpresse haben sich zwei renommierte Jura-Professoren (Ladeur, Peukert) auf unsere Seite gestellt".