Thilo Schneider / 01.10.2022 / 16:00 / Foto: Har1224 / 26 / Seite ausdrucken

Zwei Heten im LGBTQ-freundlichen Supermarkt

Was zum Henker macht einen Supermarkt „LGBTQ-freundlich“? Ist man da als Hetero gelitten? Oder sollte man sich als Kunde entsprechend verhalten?

Neulich, am Wochenende, wollten wir unseren Wochenendeinkauf wie stets bei einem dieser Discounter machen, weil ich nicht von Feinkostladen zu Feinkostladen fahren will, um mir ein paar Nudeln und Katzenfutter aus veganem Raubbau zu besorgen. So stehen wir also vor dem CentEDKLiedchenRWaldi, als mich der Schatz auf ein kleines Schildchen aufmerksam macht, über dem die Regenbogenflagge prangt: „LGBTQ-freundlich“ steht drauf. „Guck mal, die sind LGBTQ-freundlich“, sagt der Schatz, als sei ich nicht in der Lage, ein Schild zu lesen. 

Ich gebe zu, ich habe zwei Seelen in meiner Brust: Die eine Seele sagt: „Ist mir doch egal, ich gehe trotzdem da einkaufen“, während die andere Seele sagt: „Dann sollen sie ihren Kram an Männer in Frauenkleidern verkaufen!“ Der Schatz steht mit dem Wagen schon in der geöffneten Schiebetür und ruft mir ein „Kommst du?“ zu, aber ich kann nicht. Ich muss mir das noch überlegen. „Ich kann nicht“, rufe ich zurück und krame einen Zigarillo aus der Packung. Der Schatz dreht um und kommt mit dem Wagen, in dem eine leere Kiste „Oma Ursels original Zitronenlimonade“ der Rückgabe harrt, auf mich zu. „Was ist denn schon wieder los?“, will er wissen, der Schatz. 

„Die Sache ist die, dass ich mir unsicher bin, ob ich in einem Laden kaufen will, der LGBTQ-freundlich ist“, teile ich meine Überlegungen mit. „Ich dachte, dir wäre das egal und jeder soll leben, wie er will?“, erinnert mich der Schatz an mein liberales Grundgerüst. „Ja, das stimmt, nur, wie die so plakativ damit angeben“, beschwere ich mich. „Ich kaufe ja auch möglichst nichts von Unilever oder dieses Ben&Dingsbums-Eis, weil ich zu meiner Ware nicht auch noch eine moralische Bonus-Belehrung kaufen will, und jetzt machen die den ganzen Laden zur Quarantäne-Station…“, ich trete unsicher von einem Bein auf das andere, „und jetzt traue ich mich außerdem nicht rein, weil ich nicht mehr sicher bin, ob sie jetzt noch heteronormativ-cis-terf-freundlich sind. Ich habe wenig Lust, mit dir an der Kasse zu stehen und mir sagen zu lassen, dass hier Heterosexuelle nicht bedient werden und ich dann wortreich erklären muss, dass du meine Nichte bist oder so…“ „Altersmäßig könnte das fast passen“, kichert der Schatz stolz, und ich fühle mich altersdiskriminiert. 

„Beleuchten Sie jetzt mit Disco-Kugeln?“

In diesem Moment tritt eine Angestellte des Marktes heraus, um die Blumengestecke vor dem Laden zu gießen, und der Schatz sagt zwar noch „THILO! Tu es nicht“, aber er ist zu langsam und ich nähere mich der Gärtnerin. „Entschuldigung“, will ich wissen, „was macht Ihren Laden LGBTQ-freundlich?“ Die Dame stutzt. „Was?“, fragt sie irritiert. „LGBTQ-freundlich. Ihr Supermarkt. Was bedeutet das?“ „Ach, sie meinen das mit der Fahne? Das ist so eine Idee vom Chef. Der hat das wohl von der Zentrale bekommen“, erklärt sie gelangweilt. „Und was bedeutet das? Beleuchten Sie jetzt mit Disco-Kugeln?“, hake ich nach. „Weiß ich nicht, wir haben es halt wegen den Schwulen und Lesben da hin gemacht“, bleibt sie tiefenentspannt. „Haben Sie vorher keine Schwulen und Lesben bedient?“, will ich wissen. „Was? Nein, doch, ist doch egal“, sagt sie und setzt zum Gießen an, als Zeichen, dass das Gespräch ihrerseits beendet ist. Der Schatz taucht neben mir auf und zerrt mich weg. „Das musste sein, oder?“, zischt mich meine Herzdame an. „Ich wollte es ja nur wissen“, gebe ich offen und ehrlich zu. „Gehst du jetzt mit mir einkaufen oder nicht?“, befragt mich der Schatz nach Alternativen. 

„Ich-weiß-es-nicht! Bleibe ich hier draußen stehen, dann wird es mir langweilig und du musst ewig allein durch die Gänge irren. Dann taucht vielleicht auch noch eine Gruppe weiblich gelesener Männer auf und verprügelt dich, weil du eine TERF bist und ich kann dich nicht beschützen und du musst dann ellenlang erklären, warum du in einem LGBTQ-freundlichen Laden einkaufen willst, obwohl du heterosexuell bist. Gehe ich aber mit – und jetzt wird es schwierig – dann bin ich, du kennst mich, geneigt, mich quasi klischeehaft schwul durch die Gänge zu bewegen und unter „Oh“s und „Ah“s und „Hach“s den Nagellack zu bewundern und sonstigen Unfug zu machen. Einfach, um zu sehen, wie sie reagieren, die LGBTQ-freundlichen Konsumwarenverkäufer. Tatsächlich kann ich dieser Versuchung kaum widerstehen, ihre Stressresistenz zu testen!“ 

Der Schatz seufzt. „Es ist jedes Mal ein Drama mit dir, wenn es mal kein Drama gibt. Sieh es doch einfach so: Die haben den Aufkleber da an die Tür gemacht, um sich ihrem woken Publikum anzubiedern. Weder du noch ich haben jemals – JEMALS – erlebt, dass irgendjemandem, vom Schuster bis zum Scheich, an der Kasse verweigert wurde, zu bezahlen oder einzukaufen. Oder dass irgendjemand jemals an der Kasse nach seiner sexuellen Ausrichtung befragt wurde. Sie hätten genauso ‚Homosexuelle, wir nehmen auch euer Geld‘ da dran schreiben können. Es ist der gleiche Laden wie letzte Woche!“ „Zumindest wäre Letzteres ehrlich gewesen“, beschwere ich mich. „Gut, dann haben wir das ja geklärt“, sagt der Schatz und zerrt mich Richtung Eingangstüre. 

Und so kommen wir dreißig Minuten später nach einer Wanderung durch Regale mit Milch, Käse, Nudeln, Schokolade, Fleisch und Eiern an der Kasse an. Während ich unsere Waren aufs Band lege, kann ich mir nicht verkneifen, der Kassiererin ein verschwörerisches „ich bin übrigens heterosexuell“ zuzuraunen. Sie stutzt, schaut mich kurz an und brüllt an die Nebenkasse: „TINA, DA IST SO EIN HETEROSEXUELLER ALTER WEISSER MANN! SOLL ICH DEN ABKASSIEREN?“ „Macht nichts“, sagt Tina gelangweilt, „bediene ihn trotzdem!“ Und dann haben alle in der Schlange hinter mir geweint. Und mir zugesehen, wie ich 80,53 € mit der Kreditkarte bezahle. Die Welt wurde also doch ein bisschen besser. Durch CentEDKLiedchenRWaldi.

(Weitere bunte und vielfältige Artikel des Autors unter www.politticker.de)  

 

Von Thilo Schneider ist in der Achgut-Edition erschienen: The Dark Side of the Mittelschicht, Achgut-Edition, 224 Seiten, 22 Euro.

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Heiko Loeber / 01.10.2022

Wahrscheinlich liegen die Hakenkreuzflaggen seit Jahren vakuumverschweißt und in Kartons unten im Lagerregal. Je nach telefonischer Anweisung vom trendbewussten Chef. War ebenfalls neulich kurz davor, meinen Einkaufswagen einfach neben der Kasse stehenzulassen, als es aus den Lautsprechern der kürzlich umgebauten Discounterfiliale unvermittelt lautstark dröhnte: “PENNY IST DIVERS!” Und ich hatte bis dato geglaubt, Penny sei Lebensmitteleinzelhandel. Habe dann aber doch ad hoc entschieden, mit der Zeit zu gehen, meine Hose und Unterhose heruntergezogen und der Kassierenden meine händisch auseinandergespreizten Backen entgegengestreckt, um ihr meine grundsätzliche sexuelle Offenheit zu demonstrieren. Die Kassierende aber meinte nur trocken und ungerührt: “Pfandautomat ist im Eingangsbereich!”

Dirk Jungnickel / 01.10.2022

Man übetrage mal den Spass auf das kommende Herbstimpftheater: Dann ist Schluß mit lustig !!!!

Heike Olmes / 01.10.2022

Gelungener Artikel, Herr Schneider, allerdings komme ich bei den ganzen Akronymen nicht mehr mit. Diese Szene könnte sich auch mit meinem Echtmann und mir abspielen, wobei ich den Part des provozierenden Fragers übernehme. Die Regenbogenflagge am Supermarkt bringt mich in Harnisch und wenn mein favorisierter Drogeriemarkt irgendwann vegane Wimpernzangen für Transen anbietet, flüchte ich zu Amazon. Immer noch besser.

giesemann gerhard / 01.10.2022

Die haben zumeist den unschätzbaren Vorteil, nicht schwanger werden zu können, zu wollen, zu müssen. Ich liebe sie alle, allein deswegen. Andere freilich müssen schwanger werden, mit Riesenbäuchen einen Kinderwagen schieben, queer-elende Bälger sitzen oben auf dem Einkaufswagen, kennen weder Scham noch Scheu, wenn Überraschungseier heischen, die Transen in der Schlange kreischen .... . Wer bevorzugt was?

Ralf.Michael / 01.10.2022

Ich habe bisher nicht herausfinden können, zu welcher Kategorie von LGBTQ ich als Alien gehöre. Die erschrecken sich immer wenn ich meine Diagnose verrate : Eine Penisverkleinerung leider nicht machbar !!

Emmanuel Precht / 01.10.2022

Zwei schwul-lesbische Kitas sollen in Berlin eröffnet werden. Doch ein Blick in die Personalie der Geschäftsführung wirft Fragen aus. Im Vorstand des Gesellschafters sitzt ein Soziologe, dem bereits seit 40 Jahren eine Befürwortung der Pädophilie vorgeworfen werden. Und es bleibt natürlich die Frage: Was ist mit den Dauerlutschern? Wohlan…

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