Wolfram Ackner / 03.09.2016 / 14:30 / 4 / Seite ausdrucken

Zur fünfzigsten Sendung von Neo Royale

Lieber Jan Böhmermann, 

Sie junge, freche, frische Hoffnung der Öffentlich-Rechtlichen - den allerherzlichsten Glückwunsch zu Ihrer 50. Jubiläumssendung von Neo Royale, die dieser Tage lief. Manchmal sind Sie tatsächlich unterhaltsam wie der göttliche Harald Schmidt Mitte der Neunziger Jahre, manchmal sind Sie einfach nur eine pomadige Mischung aus Schranze und Hofnarr, langweilig sind Sie selten. Und nicht, dass Sie denken, ich würden neben den zahlreichen -ismen und -phobien, die Leuten wie mir von Leuten wie Ihnen pausenlos angedichtet werden, jetzt auch noch unter Clownophobie leiden – ich schwöre, ich habe absolut nichts gegen Hofnarren. Ein wirklich sehr ehrenwerter Traditionsberuf.

Nur leider scheint sich im Laufe der Jahrhunderte das Berufsbild etwas gewandelt zu haben. Früher bezahlten die Fürsten ihre Hofnarren, damit sich kleine Leute auf Kosten der Großen amüsieren durften. Heute bezahlen wir Zwangsgebührenzahler öffentlich-rechtliche Hofnarren, damit sich die Privilegierten auf Kosten einfacher Leute vor lachen biegen können. Tja, Times, they are A changin' ...  

Trotzdem sind Sie eine Riesen-Inspiration für mich. Denn - um ganz offen zu sprechen - ich habe keine Lust mehr, als Montageschweißer durch die Landen zu tingeln, die zeitweilige Trennung von meiner Familie in Kauf zu nehmen, Schleifstaub zu fressen, mein Auto für die Arbeit zu Schande zu fahren. Ich will kein verlachtes und verhöhntes dunkeldeutsches Steuervieh mehr sein. Jetzt, wo sich mein Drehbuch "Dunkeldeutschland"  dermaßen sensationell gut verkauft hat, habe ich Blut geleckt. Ich will auch ein Meinungsbildner werden! Ich will mich auch dafür bezahlen lassen, andere Leuten von früh bis Abends meine Weltanschauung um die Ohren zu knallen; um mit Oberlehrer-Attitüde anderen Menschen mit einem Finger vor dem Gesicht rumzufuchteln ... es muss ja nicht zwangsläufig der Zeigefinger sein. 

Demnächst kommt garantiert die Demokratieplus-Abgabe

Leider gibt es da ein Problem. Genau so, wie die Globalisierung der Weltwirtschaft bei uns in der Industrie und im verarbeitenden Gewerbe einiges durcheinandergewirbelt hat, macht die Globulisierung der Redaktionsstuben offensichtlich den Verlagshäusern wirtschaftlich zu schaffen. Leute kündigen in Scharen ihre Abonnements, weil sie keine Lust mehr auf diese 'alternativlose' progressive Einheitsmeinung von FAZ bis TAZ haben. Zwar wird von Seiten der Politik und der Journalistenlobby ernsthaft daran gearbeitet, die bewährte "Demokratie-Abgabe" namens Rundfunkbeitrag in eine "Demokratieplus-Abgabe" umzuwandeln, welche auch die staatliche Alimentierung der Tageszeitungen umfasst, aber bis es so weit ist, muss ich dorthin, wo der Kunde kein Mitspracherecht darüber hat, ob er das Produkt kaufen will oder nicht. Ob es ihn interessiert oder nicht. Oder ob er sich gar davon belogen, diffamiert und beleidigt fühlt. Ich muss an den 8 Milliarden-Euro-Trog der Öffis. 

Natürlich kann ich - wie so mancher Redakteur oder Drehbuchautor - keine Geschichten schreiben, die das ausdrücken, was ich tatsächlich denke. Denn dann würde ich vermutlich den Film "Monster AG" in die deutsche Gegenwart adaptieren. Reschke, Augstein, Posener, Wizorek, Diez, Berg, Restle, Lobo, Mikich, Hayali; und wie sie alle heißen, wären in meinem Drehbuch die Schrecker-Elite der Monster AG. Sie wären Mike Glotzkowsky, James P. Sullivan, Randale Jogge, Don Carlton, Squishy Squibbles, Terri&Terry Perry und Miss Hardscrabblee, gefeierte Helden im Monsterland, die jeden Abend unter dem lauten Jubel ihrer Fans in die heiligste Halle der Monster AG, dem Schreckraum, einlaufen, sich vor ihrer jeweiligen Zugangstür aufstellen und auf Kommando über diese magischen Zugänge die Menschenwelt betreten und die Behälter mit Kreischenergie dadurch zu füllen, dass sie im Schlafzimmer von Maike und Michel ihre typischen Thesen, Artikel, Kommentare verlesen. 

Lauft zum Ende der Straße, dort steht einer und verteilt Bonbons

Leider wäre diese Art Persiflage unverkäuflich. Sie mussten es ja selbst mit ihrem Erdogan-Gedicht erleben - über gewisse Dinge oder gewisse Menschen macht man einfach nicht ungestraft Witze. Machen Sie sich doch in Zukunft das Leben einfacher und nehmen Sie sich dazu den Rat zu Herzen, den man gelegentlich nach der Terrorattacke auf die Charlie Hebdo-Redaktion lesen konnte. Wenn die mehr vor der eigenen Haustür gekehrt und Probleme wie Le Pen oder den Alltagsrassismus thematisiert hätten, statt zu provozieren, wäre das nicht passiert.  It's just that simpel, you know ... 

Wissen Sie, Jan, vor einiger Zeit las ich in der 'Jüdischen Rundschau' ein Interview von Chaim Noll mit dem Sprecher der israelischen Siedler, Elyakim Haetzni. In diesem Interview erzählte Haetzni einen Witz. In den Erzählungen der arabischen Welt lebt eine Narrenfigur namens Dshocha. Dieser Dshocha schlendert eines Tages durch die Straße und die spielenden Kinder machen ihn nervös. Da sagt er: "lauft zum Ende der Straße, dort steht einer und verteilt Bonbons". Und alle Kinder laufen hin. Plötzlich denkt Dshocha: 'dort gibt es kostenlose Bonbons und ich stehe hier rum?', und läuft hinterher.

Und genau das war es, was mir plötzlich über den Wesenskern der Globulisierung bewusst wurde. Es ist gar nicht so, dass es sich unsere Journalisten zur bewussten Aufgabe gemacht haben, kreuzbrave Rotgrünwähler oder - so wie Sie - auf Knopfdruck klatschende Konformisten zu züchten, die sich selbst in all ihrer sympathischen, harmlosen Biederkeit für eine Kreuzung aus Sartre und Monthy Python halten. Es ist gar nicht so, dass wache Geister in den Redaktionsstuben aus taktischen Gründen am Fließband Nonsense-Artikel mit Titeln wie: "Fakten gegen Dummheit" oder "Fakten gegen Vorurteile" publizieren, um bewusst die Shitstorms der rechtsgestrickten Gimpel dieses Landes heraufzubeschwören, die man dann propagandistisch ausschlachten kann. 

Die glauben tatsächlich, was sie schreiben

Es ist tatsächlich sehr viel besser! Unsere Meinungsproduzenten sind der Dshocha! Die glauben tatsächlich all den Mist, den sie schreiben. Und wissen Sie was, Jan? Genau das werde ich mir zu Nutzen machen.  Zum fünfzigsten Jubiläum Ihrer Sendung wird es Zeit, eine Nummer 1, ein Best-Böhmi-Ever zu küren, und als Rammstein-Fan kommt für mich natürlich nur Ihr Meisterwerk "Be Deutsch! (ACHTUNG. Germans on the Rise!)" in Frage. Genau dazu werde ich ein Sequel schreiben.

Der ewige Kampf der fröhlich-bunt-toleranten gegen die mausgrau-aggressiv-verbiesterten, nur dass ich in meiner Fortsetzung gerne darauf verzichten würde, ein kleines Mädchen Wörter wie "Pimmelköppe", "Fickfressen", "asoziale Knallköppe", "Arschlöcher" und "Fotzen" in die Kameras rufen zu lassen

"BE ROMAN! (Attenzione. Romans on the Rise!)"

 

Verzerrte Powerchords, Larghissimo. 

 

Dunkler, verhangener Himmel, römische Soldaten in Uniform, von der Befestigungsanlage mit feindlichen Blicken die heranströmenden Fremden betrachtend. Knurrender Chor: 

"Hunnen, Goten, Langobarrrden/

wirrr können nicht mehrrr lange warrrten" 

Bäm, die Pauke. Der Himmel reißt auf und Minerva, die Göttin der Weisheit, schwebt zur Festungszinne hernieder, wehende Haare, die Hände zur Raute geformt. 

Allegretto, mezzosopran, Streicher: 

"OH NO!" Paukenschlag, ganze Pause "OH NO!" (8mal)

niemals sollt ihr es wagen/

den hass im herz zu tragen.

"OH NO!" (4mal)

Bridge (in Englisch, um den polyglotten Anspruch zu unterstreichen) 

Zögerlich sieht man die Soldaten ihre Waffen niederlegen und ihre Uniform ausziehen. Darunter kommen gestrickte Hemden, rosa Stringtangas, Regenbogenmotive zum Vorschein.

"Diversity and Tolerance/ 

sustainability, my friends (Two times) 

vegan vegan, apple pie/

it's not a piece of meat I fry"

Ein fröhlich-folkiger Schluss-Chorus. Hunnen, Goten, Langobarden reiten in endlosen Kohorten in die Stadt ein und was von der Ferne wie eine bedrohliche Reiterschar wirkte, entpuppt sich jetzt als fröhlich im Kreis fahrender, klingelnder Fahrradkonvoi. 

Hunnen:"how should you know/how should you know/auch wir sind Menschen/sowieso"

Römer:"Germania oder Römsches Reich/wir sind Menschen/alle gleich"

Alle:"Veränderung und Neubeginn/sind für alle ein Gewinn/Wir hören auf/mit Holz zu feuern/Solarstrom soll uns jetzt erneuern/und für eine bessere Welt/brauchen wir das Bürgergeld"

Römer:"Wir brauchen, Hunnen, euren Rat/für einen liebenswerten Staat"

Schlussakkord und ein letzter, langsam in die Ferne zoomender Blick über ein im neuem Reichtum und Glanze erstrahlendes Rom.

Hach, was gibt es schöneres als die Vorstellung, Leute zu verspotten, die mit all ihrer Medienmacht über Wehrlose herfallen ... ?? Höchstens noch die Vorstellung, sich mit dieser Sorte von infantilen Bullshit ebenfalls viel viel Geld in die Taschen stecken zu können.  

Das Geld anderer Leute. 

Deswegen, lieber Jan, möchte ich Sie bitten, einmal kurz die Augen zu schließen, sich das Bild von Danny de Vito in "Other Peoples Money" vor Augen zu rufen und mich als Lawrence Garfield meine Hommage anlässlich Ihrer fünfzigsten Sendung beenden zu lassen.

"Ich liebe Geld! Ich liebe Geld mehr als alles, was man dafür kaufen kann! Sind Sie etwa überrascht? Dem Geld ist es egal, ob ich ehrlich bin oder nicht. Es ist ihm gleich, ob ich schnarche oder nicht. Ihm ist es egal, welchen Gott ich preise. Ich kenne nur drei Dinge auf der Welt, von denen man so bedingungslos akzeptiert wird: Hunde, Donuts und Moneten. Nur Moneten sind besser! Wissen Sie wieso? Weil Sie davon nicht zunehmen und weil es Ihnen auch nicht auf den Teppichboden kacken kann! Es gibt nur eine Sache die ich noch lieber hätte: das Geld anderer Leute!"

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Leserpost

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Hans Heidenreich / 05.09.2016

Getreu der indianischen Weisheit “Wenn du merkst, dass das Pferd tot ist, steig ab” ist Herr Böhmermann nach dem ersten ernsthaften Gegenwind, der ihn in seiner mutigen medialen Karriere aus Ankara ereilte, brav abgestiegen und schwebt nun, befördert durch rundfunkabgabenfinanzierte Sänftenträger, durch die für ihn nie mehr untergehende Abendsonne des deutschen Staatsrundfunks.  Einer der Mutigen, Wahrhaftigen, der bewiesen hat, dass er auf Knopfdruck lustig sein kann und das Zeug zum Mehrtürer hat!

Roland Schmiermund / 03.09.2016

Und Sie sind sich sicher, dass der Böhmermann in seiner abgeschlossenen Welt das versteht? Da hab ich meine großen Zweifel. Ich stimme Ihnen zu, dass die unkritischen Geister wie Jan Böhmermann letztendlich Überzeugungstäter sind. Die werden so ausgesucht. Das nennt man Negativselektion. Am Anfang müssen einige konditioniert werden bis die geschlossene Ordnung einer Organisation das systematisch übernimmt. Ab einen gewissen Zeitpunkt wissen die Organisationsmitglieder nicht mehr, dass sie “selektiert” wurden. Sie können es nicht mehr erkennen.

Manfred Haferburg / 03.09.2016

Ein Paukenschlag auf der Achse! Kaum möglich, etwas besser zu sagen, chapeau. Und dazu das geniale Video, absoluter Dive ins Indifferente. Ich bin stolz auf die Achse.

Martin Schott / 03.09.2016

Absolut zutreffend. Böhmermanns Sendung war für mich eine zeitlang eine Art Ersatzdroge für die abgesetzte Harald Schmidt Show. Bis er es sich vor etwa einem Jahr aus irgendeinem Grund in den Kopf gesetzt hat, pausenlos zu politisieren. Spätestens seitdem sind alle Vergleiche mit Harald Schmidt viel zu hoch gegriffen. Schmidt hätte sich nie dazu erniedrigt, seinen Zuschauern Denkschablonen aufzuquatschen. Im Unterschied zu Böhmermann (und seinen Vorgesetzten und den übrigen Mitgliedern der “Monster AG”) nahm Schmidt sein Publikum nämlich ernst. Das Neo Magazin Royale ist beinahe über Nacht von einer halbwegs witzigen Nummernrevue zu einem sterbenslangweiligen, bräsigen Mainstreamformat mutiert.

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