Archi W. Bechlenberg / 19.02.2019 / 16:22 / Foto: Stefan Strumbel / 29 / Seite ausdrucken

Zum Tod von Karl Lagerfeld

Als ich heute morgen aufstand und überlegte, ob ich eine blaue oder schwarze Jogginghose anziehen sollte, entschloss ich mich instinktiv für die schwarze. Und dann las ich, dass Karl Lagerfeld gestorben ist.

„Wer Jogginghosen trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren“ war eines seiner Bonmots. Ich gab ihm recht, trotzdem ich diese Art von superbequemem Beinkleid selber gerne anziehe. Aber natürlich nie und nimmer in der Öffentlichkeit. Ich bin sicher, nur diese Art des Tragens meinte der Modemacher; ein freier Geist wie er würde keinem Menschen vorschreiben wollen, was der bei sich zu Hause anzieht.

Dass der Deutsche Karl Lagerfeld zu einem der wichtigsten Künstler des 20. und 21. Jahrhunderts werden würde, war früh zu erwarten. Sein Elternhaus war kosmopolitisch geprägt, seine Mutter unterstützte ihn darin, Deutschland zu verlassen. 1953, mit 20 Jahren, zog Karl Otto zusammen mit der Mutter nach Paris und begann ein Jahr später seinen ersten Job im Haute Couture Metier bei Balmain. Von da an ging's bergauf.

Lagerfeld war Dandy, Exzentriker, Egomane. Aber keiner von der Sorte, die sich dem mehr oder weniger gepflegten Müßiggang hingaben. In allem, was er tat, war er ein stets hochdisziplinierter Arbeiter; wenn er etwas anfing, tat er es mit Leib und Seele und dem unverzichtbaren Hang zur Perfektion. Nicht nur in seiner Tätigkeit als Modeschöpfer, der zuverlässig Jahr für Jahr seine Kollektionen präsentierte, sondern auch als talentierter Fotograf sowie als Designer.

Sein Hang zu hoher Allgemeinbildung ließ es zu, dass er sich kompetent zu weitaus mehr gedanklich positionieren konnte als nur zur Welt der Mode und des eleganten Lebens. Er besaß unzählige Bücher, hatte eine Riesensammlung von iPods mit Musiken aller Art und lebte am liebsten alleine, nachdem sein Lebensgefährte 1989 vestorben war. Nein, nicht ganz alleine, er hatte eine Katze namens Choupette, die seit 2011 ein wahrlich fürstliches Leben bei ihm führte. Choupette ist selber eine Persönlichkeit von internationalem Interesse, ihre 120.000 Follower auf Instagram werden sie in ihrem Schmerz nicht alleine lassen. Und sie ist der Kopf einer nach ihr benannten Accessoire-Kollektion.

Voller Bildung und Bildungshunger

Lagerfeld konnte nerven, zumindest mich. In Talkshows sprach er oft so schnell und fahrig, dass ich ihm ungerne zuhörte. Schon klar, der Mann konnte schneller denken als sprechen, und da musste er sich zwangsläufig verheddern. In gedruckten Interviews gefiel er mir deutlich besser, da merkte man, dass er voller Bildung und Bildungshunger steckte.

Seine Aufmachung in den letzten Jahren, nachdem er mit Cola Light abgenommen hatte, fand ich weitgehend geschmacklos. Irgendwo, es muss ja nicht allumfassend sein, verliert eben jeder mal die Kontrolle über sein Leben, davor war auch Dandy Lagerfeld nicht sicher. Die nicht zugeknöpften Handschuhe, mit denen er seine gealterten Hände vor Blicken schützte, die punkigen Ringe, die spillerigen Beinchen in den Röhrenhosen, das entsprach nicht meiner Vorstellung von Ästhetik. Was ihm natürlich völlig wumpe gewesen wäre.

Auch wenn er, wie wohl jede Diva, an seinem Alter zu drehen versuchte – geboren ist er 1933 und wurde somit 85 Jahre alt. Das ist doch nicht schlecht, auch wenn Lagerfeld wohl darauf spekulierte, unsterblich zu sein, oder wenigstens 100 zu werden. Es hat nicht geklappt, eine hässliche Krankheit kam ihm dazwischen. Bleiben wird von ihm vieles; in Deutschland werden sich Menschen vielleicht besonders lange an seine „skandalöse“ Aussage erinnern, dass er Kanzlerin Merkel wegen ihrer hemmungslosen Flüchtlingspolik verabscheue. „Wir können nicht Millionen Juden töten und Millionen ihrer schlimmsten Feinde ins Land holen.“     

Foto: Stefan Strumbel CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons

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Leserpost

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P.Gross / 19.02.2019

Ich mochte den Lagerfeld und ich bin wirklich traurig, dass er nun tot ist.  Menschen seines Kalibers würden unserer Nation besser zu Gesicht stehen, als all diese nullkommanix Halunken, die uns und anderen im Augenblick das Leben so schwer machen. Karl Lagerfeld hat gezeigt, dass es durchaus auch noch Deutsche gibt, die noch andere Qualitäten besitzen, als mit einem stramm erigierten Zeigefinger durch das Hier und Jetzt zu torkeln.

E. Albert / 19.02.2019

Es gibt Menschen, von denen glaubt man, dass sie unsterblich seien, weil sie irgendwie schon immer da waren, seit man denken kann. Für mich war Karl Lagerfeld so jemand. Eine außerordentliche Karriere - ein außerordentliches Genie. Ein Schöngeist, der gleichzeitig ein Arbeitstier war. Man muss sich das mal vorstellen: Kreativdirektor von Chanel, daneben “mal eben” noch verantwortlich für Fendi, seine eigene Marke Karl Lagerfeld, dazu unzählige Kollaborationen im Bereich Mode, Accessoires, seine fotografischen Arbeiten etc., etc. Ein Multi-Talent. Er wird fehlen. Nicht nur in kreativer Hinsicht. Eloquent, elegant, hoch gebildet, seine unvergleichlichen, messerscharfen und bisweilen bitterbösen Spitzen, gleichzeitig stets auf dem Punkt, wie sie eben nur jemand mit einem gewissen “Background” formulieren kann (- wie z.B. das berühmte Zitat bzgl. der Grenzöffnung). Diese Art “Typen” gibt es leider immer weniger.  Danke für den gelungenen Nachruf. (Mein Lieblings-Zitat, von dem er später behauptete, es NICHT gesagt zu haben: “Heidi Klum? Kenne ich nicht. Und Claudia (“Klodia” ausgesprochen) kennt sie auch nicht!” Das war im damaligen Kontext großes Kino. Er war einfach provokant, überraschend, für manche impertinent, aber in jedem Falle amüsant -“Witzig zu sein macht keinen Spaß. Sie müssen amüsant sein.” Das ist ihm gelungen.)

M. Hartwig / 19.02.2019

“Man muss das Geld zum Fenster rauswerfen, damit es zur Tür wieder reinkommt.” Die Welt hat heute nicht nur einen Meister der Mode verloren, sondern auch einen der Finanzen! Dass ihm Hamburg zu klein und die Deutschen zu provinziell waren, hat ihn vorm Mittelmaß bewahrt. Schön, sagen zu können, ich bin ein Zeitgenosse von Karl Lagerfeld gewesen.

B.Klingemann / 19.02.2019

Er war eine lebende Legende. Sinngemäß sagte er einst: Ja, das Modelbusiness ist unfair. Es kann eben nicht jede Frau Model werden - Und was das Abnehmen betrifft: Entweder man will Kleidergröße Null oder Käse mit Fett. Bitteschön!

Jan-Hendrik Schmidt / 19.02.2019

@Volker Kleinophorst Pausenclowns oder überschätzte Leute haben vielleicht mal einen kurzen Hype, verschwinden dann aber schnell wieder in der Versenkung. Lagerfeld hingegen konnte sich bis ins hohe Alter über 60 Jahre in der Modebranche halten. Das zeugt von Substanz und Qualität, was man anerkennen und respektieren muss. Ich war nicht in allem seiner Meinung und habe von Mode keine Ahnung, aber er hat mich über 20 Jahre lang immer wieder mit seinen spitzen Bemerkungen amüsiert, die häufig auf den Punkt und zutreffend waren. Er war auf seine Art ein Original und Unikat, wie man sie heute nicht mehr in nachwachsenden Generationen findet. Bei all der Abgedrehtheit in seiner Branche war er immer erstaunlich geerdet, bodenständig und realistisch. Er hatte seine Prinzipien und hat diese geradlinig durchgezogen, obgleich er immer offen für Neues war und gerne in der Gegenwart gelebt hat. Eigentlich war Lagerfeld ein moderner Konservativer.

Nathalie Nev / 19.02.2019

Danke fuer den schoenen Nachruf. Grosse Persoenlichkeiten wie Karl Lagerfeld werden nicht in Vergessenheit geraten. Zu Choupette sagte Karl sinngemaess, “Choupette hat zwei Gouvernanten und es ist mir egal, was die Leute davon halten, denn somit bringe ich zwei Personen in Brot und Arbeit.” Ich mochte seine Ueberlegungen.

Gilbert Brands / 19.02.2019

Um einen seiner Werbesprüche aufzugreifen: er ist bestimmt an was Besserem gestorben.

D. J. Katz / 19.02.2019

@ P.Steigert Was Karl Lagerfeld egal war und was nicht, ich weiß es nicht. Er schwebte in vielen Alltäglichkeiten über den Dingen; manche seiner Aussagen waren womöglich naiv und nicht sehr alltagstauglich. Aber eins weiß ich: keinem intelligenten, westlich geprägten, gebildeten Menschen, erst recht wenn er einem so authentisch-barocken Lebenstil anhängt, kann die Ausbreitung des Islam egal sein.

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