Der deutsche Klimateller ist ein offizielles Label, das als Beitrag zum „leckeren Klimaschutz“ vermarktet wird, obwohl der Geschmack der damit prämierten Speisen für dessen Verleihung eher unerheblich zu sein scheint. Wer beim Essen vorbildlich CO2 sparen möchte, soll sich daran orientieren können. Restaurant- oder Kantinenbetreiber, die ihren Gästen beim CO2-Sparen helfen möchten, dürfen Gerichte, die für besonders wenig CO2-Ausstoß gesorgt haben, mit dem „Klimateller“ bewerben. Die Auszeichnung bekommen Speisen, „wenn sie mindestens 50% weniger CO2 als der Durchschnitt aller Gerichte verursachen“, wie es auf der Homepage des Klimatellers heißt.
Eine solche Initiative ist natürlich auch einigen hochmögenden Institutionen das nötige Fördergeld wert. Doch ehe wir uns mit dem ortsüblich spöttischen Unterton darüber mokieren, für welche Varianten der Weltenrettung hier öffentliche Gelder verprasst werden, lassen wir lieber die Klimateller-Initiatoren selbst mit ihrer Vorstellung im Pressebereich ihrer Seite zu Wort kommen:
„Mit dem KlimaTeller können die ernährungsbedingten Treibhausgasemissionen deutlich reduziert und aktiv etwas für den Klimaschutz getan werden. Mit der KlimaTeller App lassen sich schnell und einfach die CO2-Emissionen von Speisen auf dem Desktop oder Tablet berechnen: Zutaten und deren Menge in den Rechner eingeben und in Echtzeit die Information, wie viel Emissionen das Gericht verursacht hat erhalten. Entspricht der Emissionswert des Gerichts weniger als 50% des Durchschnitts herkömmlicher Gerichte, kann es als KlimaTeller ausgezeichnet werden. Damit zeigen Gastgeber Ihren Gästen ihr Umweltengagement und geben ihnen wertvolle Orientierung. Der KlimaTeller ist ein Verbundprojekt der Non-Profit-Organisationen NAHhaft e.V. und Greentable e.V. und wird im Rahmen der Nationalen Klimaschutzinitiative (NKI) aus Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit gefördert.“
Angesichts des Raumes, den der Klimaschutz, die Rettung der Welt, „Fridays for future“ als auch die Auftritte von Greta in den deutschen Medien einnehmen, erwartet man selbstverständlich auf klimateller.de eine endlose Liste mit Empfehlungen von Klimateller-Restaurants und Gastwirtschaften überall in Deutschland. Die Klimateller-App kam schließlich schon im Januar 2018 auf den Markt.
Also schaue ich auf der Klimateller-Seite unter dem Menüpunkt „Restaurants“ nach, wohin man denn vielleicht die Liebste zu einem CO2-reduzierten Festmahl einladen könnte. Doch was muss ich sehen? In der Heimatstadt meiner Liebsten gibt es kein einziges Klimateller-Restaurant. Überhaupt zieren gerade einmal drei rote Punkte die Deutschlandkarte auf der Seite: Einer in Berlin, einer in Hamburg und einer in Münster. Dies also sind die drei Vorreiter bei klimagerechten Speisen. Immerhin, ich könnte ja auch bei mir daheim in Berlin zum klimafreundlichen Diner einladen. Doch leider verbergen sich hinter den Punkten in Hamburg und Berlin nur zwei Werkskantinen. In Hamburg ist es ein Maschinenbauunternehmen und in Berlin sind es die Berliner Wasserbetriebe, die ihren Beschäftigten einen Klimateller anbieten. Schön, dass die dortigen Mitarbeiter mit besserem Gewissen als andere speisen dürfen.
Aber in Münster immerhin könnte ich, falls ich mal dort sein sollte, von einem Klimateller naschen. Hier hat man mit dem Großen Kiepenkerl ein traditionelles Restaurant gewonnen, das auch Klimateller anbietet. Allerdings, wenn man sich die Speisekarte des Restaurants anschaut, scheint es da so viel Leckereres als die leckeren Klimateller zu geben, dass ich jedenfalls der Versuchung, weniger klimagerecht zu speisen, sofort erliegen würde.
Möglicherweise bekommt aber der eine oder andere Stammgast irgendwann ein schlechtes Gewissen, wenn er stets die weltrettenden Klimateller ignoriert und lässt sich deshalb gelegentlich einen kommen. Aber vielleicht auch nicht, solange dieses Label ansonsten kaum bekannt ist und man fast überall noch ohne schlechtes Gewissen und ohne Rücksicht auf die CO2-Bilanz essen kann, ohne dass ein Klimateller mahnend auf der Speisekarte steht. Da ist noch brachliegendes Potenzial für den Klimaschutz, wie man wahrscheinlich im Umweltministerium längst erkannt hat. Warum kann man denn nicht jedem, der Speisen anbietet, per Gesetz auferlegen, auch mindestens einen Klimateller auf die Speisekarte zu bringen? Dann wären auch die Steuergelder für das Projekt letztlich gut angelegt gewesen. Aber halt, solche Vorschläge sollte man heutzutage nicht einmal im Scherz niederschreiben. In Zeiten wie diesen kann ja selbst der größte satirisch gemeinte Irrsinn binnen kürzester Zeit ernsthaft umgesetzt werden. Wenn Sie also demnächst plötzlich vor einem Zwangs-Klimateller sitzen müssen: Das habe ich nicht gewollt! Ehrlich! Also Schluss jetzt, ich glaube, es ist Zeit, sich einen Platz am Grill zu suchen.