Rainer Bonhorst / 05.03.2019 / 14:00 / Foto: nao-cha / 21 / Seite ausdrucken

Zum Faschings-Ende eine politische Humor-Analyse

Morgen, am Mittwoch, ist es geschafft. Darum zum Ende der Narretei schnell noch eine wissenschaftlich leider nicht tragfähige Humor-Analyse unter besonderer Berücksichtigung des Politiker-Humors und der deutsch-britischen Humor-Situation. 

Bei uns fängt man am besten mit Goethe an, darum hier seine Selbst-Einschätzung: Vom Vater hatte er die Statur, vom Mütterlein die Frohnatur. Dagegen ist nichts zu sagen: Goethe stand zweifellos als staatliches Mannsbild da. Aber wie sieht es mit der Frohnatur mütterlicherseits aus? Als großer Humorist ist der Herr Minister nicht in die Kulturgeschichte eingegangen. Aber Frohnatur und Humor sind nicht deckungsgleich. Vielleicht war er als Frankfurter mehr dem Fastnachtsfrohsinn zugetan. Aber das will ich ihm eigentlich nicht unterstellen. Wie auch immer: Macht nichts. Goethe war Deutscher und kein Engländer. Und in Deutschland gab und gibt es – anders als in England – keine Humor-Pflicht. Shakespeare hingegen ist ohne seine Komödien nicht denkbar. 

Bei den Briten ist der Humor ein gesellschaftliches Muss. Ein humorloser Redner wird bei uns als seriös geachtet, in England wird er nicht wieder eingeladen. Die Briten (und nicht nur sie) halten uns Deutsche für humorlos. Wir Deutsche halten den britischen Humor für überaus fein, wobei der adelige Loriot als Verkörperung des exquisiten britischen Humors deutscher Bauart galt. Ach ja. Auch die Welt des Humors ist voller Missverständnisse.

Einen Loriot sucht man in England vergebens. Der englische Humor ist im Zweifel derb. Eindeutige Zweideutigkeiten sind sehr beliebt, besonders wenn sie in Serie vorgetragen werden. Ein gewisser Benny Hill lebte in den siebziger Jahren als Humorist davon, dass seinen Mitspielerinnen früher oder später die Röcke von den Hüften glitten und ihre Schlüpfer (knickers) sichtbar wurden. Selbst John Cleese mit seinem irren Familienhotel „Fawlty Towers“ war sehr laut und sehr körperlich. Der Witz dabei war, dass alles ausgesprochen witzig war. Manchmal sogar Benny (knickers) Hill. 

Empörte Trägerin eines Doppelnamens

Ich spreche in der Vergangenheit, weil ich die heutige Humor-Situation im Königreich nicht so gut kenne. Allenfalls kann ich sagen, dass der Unterhaus-Slapstick um den Brexit – so herrlich demokratisch ich ihn finde – auf Dauer nur mit Humor zu ertragen ist. Wenn man also trotzdem lacht. Außerdem fürchte ich, dass die political correctness, die im Königreich weit fortgeschritten ist, dabei ist, selbst dem britischen Humor den Todesstoß zu versetzen. Wer auf der Insel politisch korrekt sein will, hat eigentlich nur noch den brüllenden Nazi-Deutschen als letztes straffreies Humor-Objekt, das keine Gefahr eines Shitstorms in sich birgt.

Allerdings weiß ich nicht, ob die politisch bedingte Humorlosigkeit dort schon so weit gekommen ist wie bei uns, wo ein Komiker, der es wagt, über Doppelnamen wie Kramp-Karrenbauer zu frotzeln, damit rechnen muss, dass ihm eine empörte Trägerin eines Doppelnamens massiv zu Leibe rückt. Eine solche Szene, als Sketch inszeniert, wäre wiederum komisch, wenn auch politisch nicht korrekt und darum nicht sendefähig.

Mit AKK haben wir uns allmählich an den Humor unserer Politiker heran gerobbt, der zum Fasching, zum Karneval oder zur Fastnacht ja besonders gefordert ist. Es ist die Zeit, in der Politiker und Politikerinnen als Zwangshumoristen oft äußerst unglückliche Figuren abgeben, die eigentlich unser Mitleid verdienen. Am besten gelingt der Spaß noch fränkischen Politikern, die sich einfach nur aufwändig verkleiden und nicht versuchen, ein karnevalistisches Pointen-Feuerwerk abzuschießen. Wo hingegen ein Feuerwerk verlangt wird, verkrampft sich selbst eine Kramp-Karrenbauer. Dazu erstens: Man beachte meinen billigen Kalauer. Und zweitens: Ihren Drittklo-Scherz fand ich gelungen, die Empörungswelle war ein weiterer Beleg für die Humorferne vieler Politiker.

Warum ist das so? Hier müssen wir an die Wurzeln gehen, nämlich an die frühkindliche Prägung. Das deutsche Frühkind wird nicht zum Humor erzogen. Und schon gar nicht das Frühkind, in dem – noch verborgen – politische Ambitionen stecken. Und da Hans oder Marie nicht mehr lernen, was Hänschen oder Mariechen nicht gelernt haben, bleibt der Humor bestenfalls Nebensache, was ja im Grunde kein großes Drama ist.

Hinzu kommt aber eine weitere Volksweisheit: Wie der Herr, so das Gescherr. Der humorferne Politiker umgibt sich automatisch mit humorfernen Mitarbeitern. So entsteht im Fasching eine doppelte Zwangslage: Nicht gerade mit Humor gesegnete Redenschreiber müssen für nicht gerade mit Humor gesegnete Politiker ein Zauberwerk vollbringen. Sie müssen urplötzlich etwas Witziges aufschreiben und das möglichst so, dass der oder die Vortragende beim Publikum als Witzbold oder als Witzböldin rüberkommt. 

Jede müde Annäherung an eine Pointe wird dankbar beklatscht 

Das ist eigentlich eine mission impossible, eine geradezu tragische Verstrickung. Zum Glück wird sie gemildert durch das gnädige Publikum, das in der Karnevals-Situation jede müde Annäherung an eine Pointe dankbar beklatscht und belacht.

Aber auch jenseits der – wie es heißt – tollen Tage, sind die Deutschen anders als ihr Ruf. Engländer, die es in unser Land verschlägt, staunen über die Lawine von Komikern und Witzerzählern, die nicht nur über die Bildschirme rollt. Die Spassmacher füllen auch Säle, in denen man Fußball spielen könnte und sorgen dort für nicht enden wollende La-Ola-Wellen des Frohsinns. Es wird gelacht auf Teufel komm raus. Deutschland mag humorlos sein, aber es lacht sich kaputt. Für Besuchs-Briten ein Kultur-Schock.

In England wiederum gibt es das Phänomen, dass die sonst konsequente Humor-Erziehung kaum auf die Politik durchschlägt. Margaret Thatcher zum Beispiel kann selbst im internationalen Maßstab – wir lassen den Türken Erdogan mal beiseite – als eine der humorlosesten Politikerinnen schlechthin gelten. Theresa May, die auch gerne so eisern wäre wie ihre stählerne Vorgängerin, ist im Brexit-Wirrwarr allenfalls zur unfreiwilligen Humoristin geworden. Selbstbestimmter Humor ist bei ihr nicht zu erkennen. Da ist der im Hintergrund lauernde Boris Johnson schon eine andere Nummer. Er ist beides, geistreich und unfreiwillig komisch, was, wenn man so will, die Königsdisziplin ist.

Das Fazit scheint zu sein: Unabhängig von der frühkindlichen Prägung, sei sie nun humorfern oder streng humoristisch, scheinen weite Teile der Politik ein humorfreier Raum zu sein. Warum sage ich „scheint“? Weil Ausnahmen die Regel bestätigen. Das zeigt ein Blick über den Atlantik, der die Ausnahme von der Regel offenbart. In Washington gibt es jedes Jahr ein festliches Dinner der im Weißen Haus akkreditierten amerikanischen Korrespondenten. Da fällt es jedes Mal dem amtierenden Präsidenten zu, als Star-Gast mit einer launigen Rede aufzuwarten. Das gelingt nicht jedem. Aber Barack Obama war ein Meister dieses Fachs. Er hatte die lockere Körpersprache, wusste, wie man Pointen setzt, hatte einen fast untrüglichen Sinn für das Timing und die wirkungsvolle Pause. Was immer man von seiner Politik halten mag, Obama war der größte Entertainer im Weißen Haus.

Donald Trump drückt sich bisher vor Auftritten beim Dinner der Korrespondenten. Er ist sich offenbar seines Humors nicht sicher und lässt es lieber bleiben. Das ist, wie ich finde, eine kluge Entscheidung, über die auch ein paar deutsche zu Büttenreden zwangsrekrutierte Politiker und Politikerinnen nachdenken sollten. 

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Leserpost

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Robert von Loewenstern / 05.03.2019

@Gerhard Rachor: Die klassischen Rekordhalter unter den Thinnest books of the world sind immer noch „Italian War Heroes“ und „Negroes I Met While Yachting“.

Ray-Emil Nebelung / 05.03.2019

Da hier Frau K-Ks Witz und der Humor oder Nichthumor der Deutschen und der deutschen Politiker und Politikerinnen trefflich analysiert wird, möchte ich die Aufmerksamkeit der werten Mitkommentatoren auf ein Phänomen lenken, das zu denken gibt: Vor einigen Jahren noch wurde einer gewissen Frau Merkel ein richtig guter Humor attestiert. Ihr Humor und Witz wurden oft gelobt, auch von politischen Gegnern (ja, die gab es tatsächlich mal). Höchst interessant ist nun aber, dass ich solches Lob, sagen wir in den letzten zwei Jahren UBERHAUPT GAR NICHT MEHR gehört habe, selbst in den allerallerlobhudeligsten, kanzlerinnenverherrlichendsten, demuetigsten 24/7-Hofberichterstattenden, unkritischsten Medien, seien sie online, Print, Rundfunk, TV etc. PP.  Das ist doch höchst seltsam. Ist das peinlich berührtes Schweigen ob der Tatsache, dass dieser Humor versiegt ist oder sollte es gar klitzekleine Kritik durch Nichterwaehnung sein (daran mag ich nicht glauben, zu solchen Majestätsbeleidigungen versteigt sich der deutsche Untertan anno 2019 nicht) Sollte man/frau etwa erkannt haben, dass da gar kein Humor ist, ja vielleicht nie war? Und es bei/unter Merkel gar nichts zu Lachen gibt? Gerne lasse ich mich eines Besseren belehren, wenn jemand solchen angelanischen Humor bezeugen kann oder Lob in den MSM zitieren kann. Ich für mein Teil habe Frau M. In den Medien und der Öffentlichkeit schon seit Jahren nicht mehr lächeln oder gar lachen sehen, weiß jemand anderes zu berichten? Grüße aus dem Rheinland von einem alten weißen Mann, der von Karneval nicht viel hält, aber sehr gerne lacht. Und gerne befreit über das gesellschaftliche Klima in Deutschland lachen wuerde, aber einfach keinen Anlass mehr sieht und findet.

K-Rasch / 05.03.2019

Danke Herr Schäfer, wenn Frau AKK noch so einen raushaut, dann werde ich vielleicht noch AKK Fan und nehme alles zurück, was ich über sie denke. Der Witz würde auch anders herum funktionieren, denn Unisextoiletten sind ja auch für Frauen, die .... MfG

Eckhard Fischer / 05.03.2019

Geschätzter Herr Bonhorst, nach genauem Studium Ihrer Ausführungen stellt sich geradezu zwingend die Frage, wie denn Ihre frühkindliche Entwicklung verlaufen ist ... Beste Grüße E. Fischer

Wolfgang Schäfer / 05.03.2019

Werte(r?) K-Rasch, Sie scheinen mir - nach ausgiebiger Lektüre gängiger Online-Kommentare - der Erste zu sein, der den AKK-Witz überhaupt verstanden hat.

Jörg Themlitz / 05.03.2019

Das ist halt ein Kreuz mit den Deutschen. Da gibt es tatsächlich welche, die die Pointen Präsident Trump = Kanalratte und Alice Weidel = Nazischlampe nicht verstehen. Da können die Schilder mit den Aufschriften jetzt klatschen, johlen und mit den Füßen trampeln noch so groß sein. Doch selbst diese Widerspenstigen werden gezähmt, durch Humoreinsatzgruppen die diesen Ignoranten des primitiven, kindlichen Niveaus die Schilder um die Ohren dreschen.

Bernd Ackermann / 05.03.2019

Ich erinnere mich an einen britischen Sketch aus den 80er Jahren: in einem kleinen Raum läuft eine Person auf und ab, die man nur von der Hüfte abwärts sieht, offensichtlich ein Mann, er trägt aber ein blaues Kleid. Während er so hin und her läuft gibt er allerhand Geräusche von sich, versucht seine Nebenhöhlen zu reinigen und hört sich dabei an wie ein brünstiger Dinosaurier, zieht den Rotz hoch, nimmt einen Schluck aus der Pulle, kratzt sich im Schritt und am Hintern, hebt ein Bein und lässt einen fahren. Schließlich klopft es an der Tür und eine Stimme ruft “Es ist so weit!”, er antwortet mit versoffener Stimme “Gut, ich komme”. Dann ein Schnitt, man sieht den Sitzungssaal des House of Commons, an der Seite geht eine Tür auf, die Kamera zoomt ran und heraus kommt Maggie Thatcher in einem blauen Kleid. Thatcher mag humorlos gewesen sein, das hat die Briten aber nicht daran gehindert über sie zu lachen. Würde man dasselbe mit Merkel machen, mag ich mir den Shitstorm der Gutmenschen und der PC-Brigade gar nicht vorstellen.

Bernart Welser / 05.03.2019

Ein paar gereimte Gedanken zur Frage “Wann und wo darf gelacht werden?” finden Sie, wenn Sie die Wortgruppe “allabendlich, so ab halb sieben” bei GOOGLE eingeben.

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