Roger Letsch / 20.01.2021 / 16:00 / Foto: Georgia National Guard / 45 / Seite ausdrucken

Zum Amtsantritt von Joe Biden

Um einen angeblich für jeden Moment anstehenden Putsch Trumps zu verhindern, sind aktuell mehr als 25.000 Soldaten der Nationalgarde in voller Ausrüstung in Washington stationiert, so dass es dort derzeit kurioserweise nicht wie vor, sondern wie nach einem Putsch aussieht. Die Medien und zahlreiche besonders meinungsstarke Politiker der Demokraten schwanken zwischen der Beruhigung, Trump sei endlich die Kontrolle über die Nationalgarde entzogen und der Befürchtung, er hätte sie in Marsch gesetzt, um in letzter Minute… na, sie wissen schon. Die Angst vor dem eigenen Militär geht um in der politischen Kaste, ein Phänomen, dass es seit den 1860er Jahren nicht mehr gegeben hat.

Wenn heute auf den Stufen des Kapitols die Inauguration Bidens vollzogen wird, wird das Gebäude und das ganze Gelände um die National Mall eingezäunt, abgeriegelt und so isoliert sein, dass die Veranstaltung ebenso gut in einem Keller in Wilmington, Delaware hätte stattfinden könnte. Wir haben es also gewissermaßen mit der Fortführung des Wahlkampfes mit demselben gebremsten Schaum zu tun – natürlich nur aus Sachgründen, nicht aus mangelnder Begeisterung.

Spöttische Zungen, die den Bilderstreit um die Inauguration Trumps und deren medialen Vergleich zur Amtseinführung Obamas nun unter umgekehrten Vorzeichen wieder in Erinnerung bringen werden, wird man mit Verweis auf den Belagerungszustand und Covid darauf verweisen, dass leider nicht mehr Zuschauer kommen konnten, obwohl diese das selbstverständlich gewollt hätten – so sei es ja auch auf den Wahlkampfveranstaltungen Bidens gewesen, wo dieser flammende Reden gehalten habe, die seine Anhänger begeistert und seine Wähler aktiviert hätten. Aber sicher doch.

Es könnte sogar noch schlimmer werden

Es könnte jedenfalls ein denkbar wenig glanzvoller, ja geradezu heimlicher Start für POTUS46 werden, welcher sich den Wählern vor allem dadurch empfahl, nicht Trump zu sein. Schließlich geht es seit Monaten um nichts anders als die Imagination einer möglichst großen und einschüchternden Anhängerschaft und die Marginalisierung des Gegners. Wir kennen diese albernen aktivistischen Schwanzvergleiche auch aus Deutschland, etwa unter dem Hashtag „#Wirsindmehr“, ja ebenfalls zur Genüge, wo Gruppenstärke vermeintlich Recht schafft und die Zusammenzählung von Köpfen für Demokratie gehalten wird.

Um die Ausgangslage seiner Präsidentschaft kann man Biden jedenfalls nicht beneiden. Tausende Flaggen auf der National Mall sind nur ein spärlicher Ersatz für echtes Publikum, machen sie doch deutlich, wie distanziert – um nicht zu sagen: entrückt – die Politik dem Wähler mittlerweile ist. Das Misstrauen, welches schon seit vier Jahren herrscht, ist auch immer noch da. Nur mit umgekehrten Vorzeichen und sogar stärker als je zuvor. Von gestohlenen Wahlen wurde auch bereits vor vier Jahren gesprochen und nichts, nicht einmal FBI-Ermittlungen, konnte die Anhänger Clintons dazu bewegen, von dieser Meinung anzurücken. Soviel zur Akzeptanz von Wahlergebnissen.

Warum sollte es diesmal anders laufen? Es könnte sogar noch schlimmer werden, weil an die Stelle von Prahlerei und ignoranter Missachtung des politischen Gegners nun ein handfester „Domestic War on Terror“ treten wird, der Anderswähler und Andersdenker kurzerhand zu Feinden erklärt, denen man das Existenzrecht abspricht. Die Parallelen zum „War on Terror” unter Bush sind erschreckend, wie Glenn Greenwald in seinem Artikel gut darstellt. In einer Art selbsterfüllender Prophezeiung schafft man sich letztlich die Gegner, indem man sie zu solchen erklärt und wie Gegner behandelt. Es fehlt ja nicht an populistischen Forderungen, Anhänger und Wähler Trumps mit denselben Mitteln zu bekämpfen, die man in Folge der Anschläge des 11. Septembers für äußere Feinde entwickelt hatte.

Ein Krieg, der sich nicht gegen einen äußeren Feind, sondern gegen einen Teil der eigenen Bevölkerung richtet, hat jedoch einen Namen, der den Amerikanern schrecklich vertraut ist: Civil War. Der aktuell stattfindende wird jedoch nicht mit Vorderladern und Bajonetten am Bull Run oder bei Gettysburg ausgefochten. Ja, ich bin der Meinung, dieser Krieg tobt bereits. Heutige Schlachten laufen virtuell ab, sind deshalb jedoch nicht weniger verheerend bis tödlich, was nicht ausschließt, dass der oberflächliche Betrachter nicht einmal begreift, dass da ein Konflikt tobt.

Mit Julian Assange Begnadigung hätte Trump in die Geschichte eingehen können

Das erste Opfer im Krieg, so sagt man, ist die Wahrheit. Also nichts, um dass sich die meisten Medien in den Vereinigten Staaten ernsthaft kümmern würden, weil sie die Wahrheit immer und unverrückbar auf der eigenen Seite verorten. Gerade deshalb ist die letzte Entscheidung des scheidenden US-Präsidenten auch umso schmerzhafter, weil sie eine Unterlassung ist: Er weigerte sich, Julian Assange Pardon zu gewähren, um Wikileaks, einer der wenigen unabhängigen Rechercheplattformen, die der Macht des Establishments im Weg stehen, den Rücken zu stärken.

Mit dieser Begnadigung hätte Trump in die Geschichte eingehen können, stattdessen verfestigt sich nun wieder eine Form von Politik in den Vereinigten Staaten, die Skandale unter den Teppich kehrt, Whistleblower verachtet und verfolgt und sich hinter einer Fassade aus Identitätspolitik und progressiver Symbolik hemmungslos bereichert. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass sich Biden aus diesem Sumpf erheben kann, denn er ist Gewächs dieses Sumpfes und hatte fast 50 Jahre Zeit, darin Wurzeln zu schlagen.

Für den Beginn seiner Präsidentschaft möchte ich ihm und den Vereinigten Staaten von Amerika dennoch alles Gute wünschen. In spätestens 100 Tagen wird erste Bilanz zu ziehen sein. Viel wird davon abhängen, ob Präsident Biden dann von den Schlachten sprechen wird, die er gewonnen, oder von den Gegnern, mit denen er sich versöhnt hat.

Dieser Beitrag erscheint auch auf Roger Letschs Blog Unbesorgt.

Foto: Georgia National Guard via Wikimedia Commons

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Hein Noog / 20.01.2021

Wird vor dem Einzug von Biden das Weiße Haus bis in alle Ecken mit Weihwasser besprüht, um den Schwefelgeruch von dem Teufel Trump heraus zu bekommen? Ich weiß nicht, bei Biden habe ich nicht das beste Gefühl, zur Vereidigung wird man ihn mit Medikamenten fit gemacht haben, aber auf Dauer wird das nicht funktionieren die Ausfallerscheinungen zu kaschieren. Und er zeigt mir zu oft mit dem Zeigefinger irgend wohin, meine Frau mag das gar nicht, wenn ich das mache. Und ob Deutschland mit Biden besser fährt, wenn ich an Nordstream 2 denke, sieht es nicht so aus. Er kann ja die alten Geschäftspartner seines Sohnes Hunter nicht im Stich lassen. Ach ja, wo hat man denn in der Zwischenzeit dieses Früchtchen überhaupt deponiert, war der auch bei der Vereidigung zugegen, ich habs mir nicht angeschaut.

Marc Greiner / 20.01.2021

Die Inauguration Bidens hätte eigentlich vor einem Friedhof stattfinden sollen, den treuesten Anhängern und Wählern von Biden.

Petra Wilhelmi / 20.01.2021

@jochen winter: Richtig Herr Winter. Ich habe jetzt meiner kleinen Enkelin (14) gesagt, dass sie einen Beruf ergreifen soll, der auch außerhalb Deutschlands etwas wert ist. Sie macht sich gerade Gedanken über ihre Zukunft. Ich habe es ihr schon mehrmals ganz eindringlich ans Herz gelegt. Mein großer Enkel hat einen Beruf, den er auch anderswo ausüben kann.  Das ist das Wichtigste, was man seinen Enkeln auf den Weg geben muss. Deutschland hat fertig.

Petra Wilhelmi / 20.01.2021

Trump konnte Assange nicht begnadigen. Trump ist ein Law-and-Order-Mann, der das Gesetz achtet. Und wenn man vom Gesetz ausgeht, hat eben Assange Verrat begangen. Das ist nicht meine Sicht der Dinge, sicherlich auch nicht die Sicht vieler anderer, aber es ist eben so. Es kann aber auch sein, dass ihn Assange überhaupt nicht interessierte. Er ist ja nicht auf US-Boden. Vielleicht wäre das aus Sicht der USA auch eine Begnadigung gar nicht möglich gewesen. Weiß ich nicht, wie die Gesetzeslage ist. Von Trump wird bleiben, dass er keinen Krieg angefangen hat. Ich finde es auch sehr bemerkenswert, dass er zwischen Israel, Saudi-Arabien und Bahrein (glaube ich) Frieden vermittelt hat. Wenn der Frieden hält, wäre das der größte Triumph Trumps. Biden, besser gesagt Harris, wird solch eine Leistung nie zustande bringen, weil sie Islamkuschler sind. Biden sagte schon, dass er den Islamunterricht an Schulen verstärken will. Das wird nicht gut gehen, denke ich. Ich denke auch nicht, dass ein sozialistischer Weg in den USA gut ankommt. Das Land besteht nicht mehrheitlich aus kalifornischen Milliardären und die Menschen haben Waffen. Die USA wird durch die Demokraten instabil werden, sehr instabil und angreifbar, wirtschaftlich und terroristisch. Außerdem gibt es dort viele bewaffnete, paramilitärische Gruppierungen. Wir werden sehen.

Paul Siemons / 20.01.2021

@ sybille eden: Unter McCarthy geschah genau das, was hier seit einigen Jahren geschieht: jeder, der auch nur im Ansatz etwas Kritisches von sich gab, wurde zum Kommunisten gestempelt und verlor im günstigsten Fall nur seine Lebensgrundlagen. Man ersetze “Kommunist” damals durch “Nazi” heute, und fertig. Es genügte für einen Schauspieler in Hollywood, einen “falschen” Freund zu haben. Oder jüdischer Herkunft zu sein. Thomas Mann, in die USA emigiert, wurde als „einer der weltweit bedeutendsten Apologeten von Stalin und Co.“ abgestempelt, nur weil es sich gegen die zunehmende Hysterie der Verfolger ausgesprochen hatte. Wer McCarthys Treiben gut heißt, ist nicht besser als die Anhänger und Sympathisanten von Kahane und Co.

Wolf Hagen / 20.01.2021

Nun ist die Amtseinführung gerade passe und was ich weit schlimmer finde, als alles andere in diesem Kontext ist, die kriecherische Berichterstattung aller deutscher Mainstream-Medien. Nach jeder Bundestagswahl geht es in den weitaus meisten Medien mit dem normalen Tagesprogramm weiter und nur noch die unvermeidlichen politischen Talkshows beschäftigen sich mit dem Thema. Und heute? Nach einer US-Wahl, bzw. Amtseinführung? 24 Stunden-Berichterstattung! Und während man bei Trump noch bei jeder Gelegenheit den Teufel an die Wand malte, hatte man heute den Eindruck sämtliche deutsche Mainstream-Medien hätten gleichzeitig im Lotto gewonnen. Aber bald wird man ein massives Problem haben. Konnte man bisher noch von einer herbeifantasierten Rebellion faseln, die heute hätte ausbrechen können, was sie selbstverständlich nicht tat, wird man sich alsbald der Realität stellen müssen. Corona wird Biden noch eine Weile eine Atempause bescheren und alle Fehlschläge sind selbstverständlich noch auf die Trump-Ära zurückzuführen. Aber weder wird die Zeit stillstehen, noch die Erde aufhören sich zu drehen. In einem Jahr wird es dann wirklich eng für Biden und Co. Da wird man dann sehen, was all das Versöhnungsgeschwafel gebracht hat und ob es nicht eher in einer McCarthy-Ära 2.0 endet. Aber eines ist sicher, der Theaterdonner wird verklingen und der Aktivismus-Nebel sich verziehen.

Donatus Kamps / 20.01.2021

Dieser Krieg gegen die Hälfte der Bevölkerung, den die Linken nun ankündigen, ist genauso Wolkenkuckucksheim und Allmachtsphantasien, wie ihre anderen Weltrettungspläne. Diese Hälfte der Bevölkerung sind die Leistungsträger des Landes, denn Linke sind üblicherweise Kostgänger des Staates. Was nun in den USA passieren wird, das ist, daß die Konservativen aufwachen und begreifen werden, daß linke Hirngespinste erneut eine Gefahr darstellen, und die Konservativen werden reagieren, indem sie beginnen, konservative parallele Strukturen aufzubauen für das Internet, die Medien, die Schulen und Hochschulen, für die freie Wirtschaft. Längerfristig sitzen Konservative am längeren Hebel, weil sie die Leistungsträger sind. Die Sozialisten haben sich durch den Wahlbetrug als konstruktiv gestaltendes Element der amerikanischen Gesellschaft nachhaltig selbst diskreditiert, und sie werden längerfristig an den Rand gedrängt werden. Wer zu gierig ist und sich nicht an die Regeln hält, nimmt sich selbst aus dem Spiel und erhält zum Schluß garnichts.

Walter Elfer / 20.01.2021

Bzgl. Assange - klar hätte man sich seine Begnadigung gewünscht u. es hätte sicher mächtig im Gebälk geknackt, wenn er es getan hätte. Allerdings, Assange ist gemäß Espionage Act angeklagt. Das ist halt quasi Landesverrat u. ein vollkommen andres Kaliber, als die bisherigen Begnadigungen. Bei Landesverrat kenne weder Dems noch Reps Freunde. Also vermutlich wäre dann Trump gleich hinter der Spionage bzw. Hilfe angeklagt u. dann hätte er sich quasi selber ausgeliefert. Man muss also schon das Verhältnis sehen, um was es da geht.

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