Deutsche Politiker werden heute ihre Gedenkreden halten, darüber sprechen, dass sie die Juden in Deutschland schützen und die Werte der Demokratie verteidigen. Das gilt dann ein paar Feierstunden lang, doch im grauen Alltag überlässt man die Straße wie damals den brüllenden Barbaren.
In meiner Kindheit war noch viel von den aufregenden SA-Aufmärschen die Rede, mit denen die Nationalsozialisten über Jahre ihr Kommen angekündigt hatten, ihren allmählichen Aufstieg zur Macht. Tausende junge Männer mit starken Stimmen waren durch Berlin oder andere Städte marschiert, sie zeigten geballte körperliche Kraft, machtvolle Masse, eindrucksvolle Entschlossenheit. Zur Zeit meiner Kindheit war es erst zwei, drei Jahrzehnte her und gut in der allgemeinen Erinnerung. Viele Ältere hatten es noch miterlebt. Was sie sagten, klang nicht immer ganz aufrichtig, manchmal war nicht klar, ob sie es nicht immer noch heimlich bewunderten.
Das Wort „Nationalsozialisten“ wurde damals möglichst vermieden, man sprach verlogen von „Faschismus“ (wie es die deutsche Linke heute noch tut), um den Umstand zu vertuschen, dass es sich bei den Nazis im Kern um eine sozialistische Bewegung handelte, getragen von Sozialneid, Gleichmacherei, Hass auf alles Besondere. Bestimmend war die Gier nach Umverteilung und Enteignung. Die Nazis lockten die deutsche Jugend in den Krieg mit Versprechungen von Land im Osten. Sie enteigneten und plünderten die deutschen Juden und verteilten die Beute unter sich. Hinter den großen Parolen verbarg sich Handgreifliches, Materielles. Heute ist Deutschland selbst die Beute, ein reiches, schwaches Land, in dem viel zu holen ist.
Nun marschieren sie wieder, Kolonnen junger Männer bewegen sich durch deutsche Innenstädte, brüllen ihre Hassparolen und äußern ihre Forderungen. Es sind andere junge Männer als damals, andere Stimmen schreien die alten Parolen in die Welt, zwischen den Schlägertrupps von damals und heute liegen rund hundert Jahre. Erschreckend ist jedoch, wie wenig sich seither geändert hat. Nie wieder!, hieß es über Jahrzehnte. Hat Deutschland, wie in tausend Reden beteuert wird, aus seiner Vergangenheit gelernt? Offensichtlich nicht. Wenn doch wieder brüllende Horden aufmarschieren dürfen und es für Juden und kritische Intellektuelle, für Homosexuelle und leicht bekleidete Mädchen, für liberale Muslime, für jede Art Abweichende, Auffällige und Andersdenkende in Deutschland erneut gefährlich wird.
Da wir keine Rassisten sind, hat die Frage, ob es sich bei den marschierenden, Hassparolen brüllenden, mit Gewalt drohenden jungen Männern um Türken, Araber oder Deutsche handelt, nur geringe Bedeutung. Der andere Ton der Haut, das Überwiegen von schwarzen Haaren statt, wie damals, blonden, die andere Art von Musik und Aufmachung kann uns nicht vom Wesentlichen ablenken. Gewiss, es gibt Unterschiede zwischen den Marschkolonnen von damals und denen von heute, aber einige wesentliche, erschreckend ähnliche Merkmale haben sie gemeinsam: den Judenhass, die Aversion gegen die westliche Demokratie, die Forderung nach einem totalitären Staat, heute Kalifat genannt, damals „Tausendjähriges Reich“. In jedem Fall ein Staat für starke Männer, in dem Frauen wieder in Küche und Kinderzimmer verbannt, Intellektuelle zum Schweigen gebracht, Homosexuelle umerzogen, junge Mädchen züchtig bekleidet, Kritiker mundtot gemacht, Juden ausgetrieben oder umgebracht werden sollen.
Die Taubheit des Westens
Das sind starke Gemeinsamkeiten zwischen den Hassaufmärschen damals und heute, und die Frage, ob die Fahnen braun oder rot-grün, die Inschriften in deutscher Fraktur oder arabischen Schriftzeichen gehalten sind, ist dann vergleichsweise unerheblich. Der Vorgang bleibt verstörend, bis ins Mark erschreckend. Und – wie damals – geschieht nichts dagegen, lässt man die Brüller gewähren, das Unheil seinen Lauf nehmen. Neuerdings, unter dem Schock der von der Hamas verübten Judenmorde, werden schöne Reden gehalten wie letzte Woche von Robert Habeck, dem deutschen Wirtschaftsminister. Nach langem Zögern wurden endlich die Hamas und der Hetzverein Samidoun verboten, aber die deutsche Innenministerin Faeser, eine ausgepichte Juristin, sorgte dafür, dass dieses Verbot wirkungslos bleibt, indem sie „vergaß“, es den Länderregierungen zustellen zu lassen. (Nun weiß man wenigstens, wozu diese sonst unfähige Frau, die von den Wählern in Hessen glatt verworfen wurde, immer noch im Amt gehalten wird.) Denn in Wahrheit geschieht: nichts.
Und nun naht der neunte November. Der Jahrestag des großen Judenpogroms der damaligen brüllenden Horden. Ich habe mir vorgenommen, an diesem Tag keine deutschen Online-Zeitungen zu lesen, um mir die Flut heuchlerischer Reden zu ersparen, gehalten von deutschen Politikern, die ihr Land eiskalt dem nächsten Unheil überlassen. Schon vor Jahren habe ich die deutschen Juden dazu aufgerufen, diesen beschämenden Feierstunden fernzubleiben. Die Hamas hat dem Westen den Krieg erklärt, und wir haben am 7. Oktober in Israel gesehen, wozu ihre „Gotteskrieger“ fähig sind. Ihre Anhänger ziehen grölend durch Berlin, Essen, Hamburg, durch Paris und London, doch der Westen nimmt ihre Kriegserklärung nicht an. Er stellt sich taub. Seit Jahrzehnten.
Die Wenigen, die sich mit Mahnungen und Warnungen hervorgewagt haben – etwa hier, auf der Achse des Guten – wurden als „islamophob“ oder „rassistisch“ abgetan, als „extrem“ oder „rechtspopulistisch“. Die Diffamierung gab den Vorwand, die unangenehme Wahrheit nicht hören und lesen zu müssen. Inzwischen beginnt man in Deutschland – wie immer reichlich spät – zu erwachen. Der Triumph der neuen Sturmkolonnen auf deutschen Straßen verdankt sich vor allem Deutschlands Schwäche. Einer desorientierten, verschüchterten Polizei, einer opportunistischen Justiz und zynischen, feigen Politikern, denen das Gemeinwohl, das Schicksal ihrer Bevölkerung gleichgültig ist, solange sie sich ihre Diäten erhöhen können.
Nicht ein einziger Schreier ist bisher für den immer wieder zu hörenden offenen Aufruf zum Judenmord („Hamas, Hamas, Juden ins Gas!“) in Deutschland rechtskräftig verurteilt worden, das wagt offenbar kein deutscher Richter mehr, und kaum ein deutscher Politiker wagt es zu fordern. Sie werden wunderbare Reden halten am 9. November über die Notwendigkeit, die Juden in Deutschland zu schützen und die Werte der Demokratie hochzuhalten, ein paar Feierstunden lang wird die Stimmung gehoben und zuversichtlich sein, und schon der nächste Tag wird zeigen: Die Reden sind gute Vorsätze, doch den grauen Alltag, den Schulhof, die Straße überlässt man wie damals den brüllenden Barbaren.
Chaim Noll wurde 1954 unter dem Namen Hans Noll in Ostberlin geboren. Seit 1995 lebt er in Israel, in der Wüste Negev. Chaim Noll unterrichtet neben seiner schriftstellerischen Tätigkeit an der Universität Be’er Sheva und reist regelmäßig zu Lesungen und Vorträgen nach Deutschland. In der Achgut-Edition ist von ihm erschienen „Der Rufer aus der Wüste – Wie 16 Merkel-Jahre Deutschland ramponiert haben. Eine Ansage aus dem Exil in Israel“.

@Dieter Grimm: Mir geht’s wie Ihnen, der Ekel schüttelt mich. Und ich erinnere mich lebhaft daran, dass die Polizei bei einer durch und durch friedlichen C-Demo in Berlin Wasserwerfer mit Reizgasbeimischung eingesetzt und die Demonstranten „beregnet“ hat. Das war auch im November. Unvergessbar! Die Rache der wilden Horden aus Islamistan fürchten die Damen und Herren von der Exekutive aber wie der berühmte Teufel das Weihwasser. Doch letzten Endes werden auch die widerlichsten Feiglinge und Befehlsempfänger untergehen.
Sehr geehrter Herr Noll, Sie haben Recht. Doch es hilft nicht, die Zustände nur anzuprangern oder zu beklagen. Die Staatsanwaltschaften sind gefragt, denn judenfeindliche Äußerungen sind strafbar. Der § 130 sieht sogar Haftstrafen vor. Also muß die konkrete Forderung lauten: das Recht durchsetzen. Und: nicht nur neue Kitas, sondern vor allem neue Haftanstalten bauen.
Als Goldstücke hofiert von Sozialisten in bester Tradition. U.a. das Erbe des Mufti von Jerusalem, Amin al Husaini, Gründer des palästinensischen Nationalismus, der die politische Einheit der Araber gegen Großbritannien propagierte. Er forcierte den arabischen Nationalismus mit rassistischen Phrasen gegen die Juden. Ist wohl auch auf einem Foto mit Hitler in Berlin in seinem politischen Asyl zusehen. Man, frau, divers sollte wissen, wen man, frau, divers sich ins Land holt. Selbst dieser Hass gegen Juden wird gegen die üblichen Verdächtigen geframt! Der Mufti war natürlich mit der Gründung eines jüdischen Staates durch die Engländer in Palästina einverstanden. Er entwickelte sich erst durch das Lesen der Bibel und dem Kontakt mit den Nationalsozialisten in Berlin zum Antisemiten.
(2) Wenn Israel weiter die positive Zuwendung Deutschlands & ein Votum für die Ein-Staat-Lösung will, muß es mehr die Patrioten Deutschlands unterstützen & sich gegen die Ampel, gegen die Kirchen & den von der Politik gekauften Zentralrat der Juden Deutschlands entscheiden. Wenn weiter hier die Kultur-Marxisten dran bleiben, werden nur noch Beileidsbekundungen & völlig verblödetes Bärbock-Gefasel nach Israel gehen. Wir Deutschen sind nicht Israel. Israel braucht unsere direkte Hilfe nicht. Aber unsere echte Freundschaft, die nicht mehr existiert, außer bei unseren Holzkopf-Geheimdiensten, die ohne die Infos vom Mossad völlig überflüssig wären, wäre sicher für uns alle eine Bereicherung.
Werter Herr Noll, ich lese gerne Ihre guten Artikel. Sie sind ein gebildeter Mann & sollten uns daher auch Ihr Wissen über die Gegenseite der Nationalsozialisten detaillierter mitteilen. Sie lassen das nur am Rande anklingen. Sie wissen, daß der letzte Deutsche Kaiser ein halbes Jahr vor Balfour den Zionisten einen eigenen Staat anbot. Aber gerade auch die Deutschen Zionisten verrieten das II. Reich & entschieden sich dann falsch für Britannien, welches erst 1948 den Zionisten freie Hand zum eigenen Staat gab, anstatt 1922. Sie wissen ebenso, daß die Deutschen für diesen I. Weltkrieg dann verantwortlich gemacht wurden, was keinerlei Realität entsprach. Die Entente-Mächte brachen das Berliner Abkommen von 1878 & sind alleinig schuld am I. Weltkrieg. Aufgrund der Reparationsbelastungen konnten sich logischerweise die national gesinnten Kräfte Deutschlands durchsetzen, wobei auch ein Ernst Thälmann Patriot war & heute aus dem Framing der kultur-marxistischen Ampel & der Linken fallen dürfte. Das II. Reich war nicht patriotisch. Der Adel & das Großbürgertum, zu dem auch viele einflußreiche Juden gehörten, waren viel zu sehr legal privilegiert. Bismarck war, wie der gesamte Adel, zwar leicht antisemitisch, ging aber trotzdem am liebsten zu seinem Jüdischen Banker, wenn es um sein Geld ging. Daß die Deutschen in der Weimarer Zeit ein eigenes Israel für alle Klassen der Gesellschaft wünschten, führte aber erst aufgrund der weltweiten Wirtschaftskrise (Schwarzer Freitag) 1929 zu einer Radikalisierung der Bevölkerung. Fast die Hälfte der Deutschen Bevölkerung hungerte. Die Nationalsozialisten mochten nicht nur keine Juden, sie waren auch bei Jüdischen Organisationen weltweit extrem unbeliebt. Dem Slogan “Kauft nicht bei Juden”, ging bei der Machtergreifung der Nationalsozialisten ein “Boycott over Nazi-Germany” Jüdischer Organisationen & Verbände voraus. Anti-Semitismus ist nicht immer ein Selbstläufer. Er entsteht, wie alle Beziehungen, aus Beziehungswelten.
@Ilona Grimm: Danke für Ihren Hinweis auf die beeindruckende Arte-Doku. Darin hat mich ein Zitat Victor Klemperes besonders berührt: “Gehen oder bleiben? Zu früh gehen, zu lange bleiben? Vielleicht ist es überhaupt nicht an uns [Juden] zu gehen, sondern zu warten. Ich bin deutsch und warte, dass die Deutschen zurückkommen. Vielleicht sind sie irgendwo untergetaucht.”
PS: (1) Zum Watson Experiment “The goal of the experiment was to show how principles of, at the time recently discovered, classical conditioning could be applied to condition fear of a white rat into “Little Albert”, a 9-month-old boy. Watson and Rayner conditioned “Little Albert” by clanging an iron rod when a white rat was presented. First, they presented to the boy a white rat and observed that he was not afraid of it. Second, they presented him with a white rat and then clanged an iron rod. “Little Albert” responded by crying. This second presentation was repeated several times. Finally, Watson and Rayner presented the white rat by itself and the boy showed fear. Later, in an attempt to see if the fear transferred to other objects, Watson presented Albert with a rabbit, a dog, and a fur coat. He cried at the sight of all of them” (siehe Wikipedia unter John B. Watson). Wenn selbsterklärte Vertreter des Islam die Welt des Fürchten lehren wie am 7. Oktober der Fall, sollte man kein Islamophiles Verhalten erwarten. Die Voraussetzungen f. gelebte Vielfalt sehen leider anders aus. Daran führt kein Geschwätz u. kein Demokratie Leben dran vorbei