Johannes Eisleben / 15.09.2020 / 12:00 / Foto: Tomaschoff / 53 / Seite ausdrucken

Zufriedene Nochwähler, unzufriedene Nichtwähler?

In NRW sind am Sonntag gerade mal etwas mehr als die Hälfte (51,2 Prozent) der Wahlberechtigten zur Wahl gegangen. Diese Menschen sind mit der Politik der etablierten Parteien offenbar zufrieden. Denn diese Parteien erhielten knapp 85 Prozent der Stimmen – die AfD 5 Prozent, die Wählergruppen 4,4 Prozent und die Sonstigen 6,4 Prozent. In den Städten Köln, Aachen und Bonn erhielten die Grünen die relative Mehrheit, in Münster, Dortmund und Düsseldorf und anderen Städten rangierten sie auf dem zweiten Platz. Insgesamt erhielt die CDU 34 Prozent der Stimmen, die SPD 24,3 und die Grünen 20. Die AfD verpasste in den meisten großen Städten den Einzug in die kommunalen Parlamente. Die FDP erhielt mit 5,8 Prozent in etwa so viele Stimmen wie die AfD, ist aber in mehr Großstädten erfolgreich als diese. Wie bei allen Kommunalwahlen gab es auch hier durch attraktive Bürgermeisterkandidaten erzielte Sondereffekte, doch liegen die Ergebnisse im Wesentlichen im Bundestrend vom 3.9.2020, sieht man einmal vom Effekt der ostdeutschen AfD-Wähler ab, der sich dort widerspiegelt.

Was ist ein Nochwähler?

Die Wahlbeteiligung war bei der letzten Kommunalwahl etwas niedriger als in diesem Jahr. Das Lager der Nochwähler ist also in etwa gleichgeblieben. Sie gehen offenbar zur Wahl, weil sie mit der Regierungspolitik insgesamt noch zufrieden sind und stützen zu 80 Prozent die drei Großparteien Westdeutschlands (CDU, SPD und Grüne). Warum?

Die etablierten Parteien unterscheiden sich hinsichtlich der wesentlichen Themen Migration, Sozialversicherungssyteme, Eurorettung, Europapolitik, Umweltpolitik, Sicherheitspolitik, Meinungsfreiheit, Wirtschaftspolitik und neuerdings Gesundheitspolitik kaum. Zwar werden diese Themen nur marginal auf kommunaler Ebene entschieden, doch bestimmen sie den politischen Diskurs und haben einen wichtigen Einfluss auch auf das kommunale Wahlverhalten, was man auch daran erkennen kann, dass oft mit irrealen Themen wie Rassismus oder Gender sowie romantisch-moralischen Themen wie Migration oder Klimapolitik Kommunalwahlkampf gemacht wird, für die keine oder kaum kommunale Kompetenz besteht – insbesondere bei der SPD und den Grünen. Und das wirkt, besonders auch auf unmündige 16- bis 17-jährige Wähler, die in NRW erstmals wählen durften.

In all diesen Themen besteht Politikversagen oder wir finden sogar einen bewusst usurpatorischen Politikstil, ein Handeln des Staates als Gegner seiner Bürger, vor: Wir haben eine Migration in die Sozialsysteme, die deren Leistungsfähigkeit aushöhlt. Außerdem verschlechtert sie öffentliche Ordnung, Sicherheit und Zusammenhalt, was man insbesondere in den Städten deutlich sieht und spürt. Wir haben Sozialversicherungssysteme, die auf massive, systemwidrige Staatszuschüsse angewiesen sind und die sich entfaltende Wirtschaftskrise nicht überstehen werden. Wir haben eine Währungspolitik, die die Währung und Volkssouveränität verfassungswidrig zerstört, die EU hat in weiten Teilen jegliche politische Legitimität verloren, unsere Energiewende geht von falschen Prämissen aus und deindustrialisiert das Land. Wir lassen unsere Bundeswehr, den BND und die Polizei verfallen. Die Meinungsfreiheit schränken wir rechtlich mit dem NetzDG und durch einen Gesinnungskonsens der Leitmedien ein. Unsere Wirtschaftspolitik stützt eine von Fehlallokationen geprägte Angebotsstruktur, was die Erholung blockieren wird. Unsere neue Gesundheitspolitik agiert in formaler (aber nicht in inhaltlicher) Hinsicht ähnlich wie im “Dritten Reich”.

Doch all dies ficht die Nochwähler nicht an. Sie sind zufrieden mit dem Status quo, denn sonst würden sie Proteststimmen abgeben. Interessanterweise mobilisiert das politische Handeln unseres Staates aber auch keine Nichtwähler, denn sonst würde die Wahlbeteiligung deutlich steigen und die Protestparteien mehr Stimmen erhalten. Die Nichtwähler sind entweder politisch gleichgültig, sehen Kommunalpolitik als für ihr Leben irrelevant an, finden im Angebot der zur Wahl stehenden Parteien trotz ernsthafter Bemühung keine geeignete Partei (mehr), oder sind resigniert – haben also die Hoffnung aufgegeben, durch Abgabe der Stimme etwas bewirken zu können.

Die Wellen verstehen

Wir müssen also feststellen, dass die oben geschilderten Probleme der Politik, die man durch rationale Analyse der Tatsachen unserer Wirklichkeit einsieht, für fast alle Menschen, nämlich die Nochwähler und Nichtwähler, keine nennenswerte Rolle spielen. Da wir in einer Demokratie leben, müssen wir uns damit abfinden, dass eine überwältigende Mehrheit der Menschen in NRW (und Prognosen zufolge auch in Deutschland) mit dem Zustand der Politik sehr zufrieden ist und sich sehr viele bewusst dagegen entscheiden, zu wählen. Es hat keinerlei Sinn, den Medien daran die Schuld zu geben oder die politische Haltung der meisten Menschen zu beklagen oder zu verurteilen. Denn jeder Mensch kann die Medien selbst hinterfragen und sich aus eigener Anschauung oder Lektüre alternativer Medien oder durch Beschäftigung mit wissenschaftlichen Texten ein eigenes Bild machen. Die Leute tun es aber nicht, weil sie noch recht zufrieden sind. Sie haben es noch nicht nötig und sie wollen es nicht. Das ist ihr gutes Recht!

Tatsache ist daher, dass das Beben der staatlichen Illegitimität noch kein nennenswertes Gehör findet, das sich in Wahlverhalten niederschlüge. “Unda fert, nec regitur.” (Die Welle trägt, sie wird nicht gelenkt.), sagt Horaz. Immerhin hilft es, die Wellen zu sehen und halbwegs zu verstehen – dann kann man den Kopf leichter oben halten.

Foto: Tomaschoff

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Lothar Hannappel / 15.09.2020

Die Frage sei erlaubt: Wieviel der sogenannten Nochwähler arbeiten direkt in Ämtern und Verwaltungen?

Gertraude Wenz / 15.09.2020

@Sabine Heinrich: Wie immer ein toller Leserbrief von Ihnen! Ich unterschreibe jedes Wort! In ferner Zukunft wird man (hoffentlich) die Perfidie erkennen, wie unfähige, korrupte, einzig am Machterhalt interessierte Politiker sich die einzige nennenswerte Opposition, die die Rettung des Volkes bedeuten könnte, durch Diffamierung, Täuschung und Dämonisierung vom Hals halten - zum Schaden des Landes! Eine Tragödie antiken Ausmaßes! Es schnürt mir den Hals zu, wie die meisten Bürger dieser desaströsen Politik ergeben sind und immer wieder - es ist schon lachhaft- genau die Parteien wählen, die sie in den Untergang führen. Als wenn man auf einem kenternden Schiff genau den zum Kapitän machen würde, der noch mehr Löcher in den Bootskörper schlagen will. Ja, wie hier schon oft gesagt: Es muss erst der gnadenlose Zusammenbruch kommen, ehe die Dummen sich verstört die Augen reiben werden. Und man kann nur hoffen, dass er bald kommt!

Thomas Taterka / 15.09.2020

@Steffen Rascher : Sie lesen schlampig. ” Bewegungsstiftung “, Gabriele Bischoff, Brüssel, Kohle kommt von dort. - In diesem Teil von Berlin können Sie Ihre Partei GANZ vergessen. Da müssen die gar nichts machen, praktisch kein Mensch unter 45 würde dort die AFD wählen und unter 45 sind mindestens 75% , an Wochenenden bei Sonnenschein draußen 95%. Pessimistisch geschätzt. - Genießen Sie die letzten Tage der Freiheit. Und “wenn Sie durch die Hölle gehen, gehen Sie weiter” ( Churchill ).

Petra Wilhelmi / 15.09.2020

Also haben nur rund 50% der Wahlberechtigten gewählt. Das ist aber eben nur die halbe Wahrheit. Wer seine Stimme nicht abgibt, wählt indirekt. Dieser Teil der Wahlberechtigten hat entschieden keinem die Stimme zu geben und hat damit ermöglicht, dass die Wahlsieger, Sieger sein können. Was ich z.B. den Westen besonders ankreide ist, dass sie nicht zwischen Freund und Feind (mal krass ausgedrückt) unterscheiden können. Statt ihre Amusitäten mit der einen oder der Figur in einer Partei strategisch zu begraben und die einzige Alternative zu wählen und wenn vielleicht auch nur aus Protest,  aber nein, dazu ist man sich ja zu fein, zu erhaben und lässt zu, dass die linksgrünen Blockparteien sich in ihrem Wahlsieg sonnen können und das zurecht. Es gibt keine Wahl ohne eine Wahl zu treffen, entweder unmittelbar oder mittelbar.

Angie Dahm / 15.09.2020

Ich habe den Oberbürgermeister meiner Stadt im Ruhrgebiet gewählt, weil er in den vergangenen Jahren viel für diese Stadt getan hat und es weiterhin tun wird. Er ist nicht nur ein netter Kerl, sondern verdient für sein großartiges Engagement und sein Team wirklich jede Stimme. Aber den Teufel werde ich tun und diese Partei bei irgend einer Wahl außerhalb der Kommunalwahl wählen.

Sirius Bellt / 15.09.2020

Wahlen sind das eine, die Stimmung im Land das andere. Machen Sie mal eine Strichliste wann, worüber und wie oft in diesem Land noch herzhaft gelacht wird.

R.Nicolaisen / 15.09.2020

Selbstdenken strengt doch an. Glauben ist viel bequemer. Dazu ab und zu “Heil” murmeln im Wahltakt, das ist der durchschnittliche Bundesbürger. Daß der polit-mediale Komplex nichts anderes ist als eine große Terroristenvereinigung, will er nicht sehen.

P.Neumann / 15.09.2020

Hätte gern mein Protest ausgedrückt, aber wenn diese Partei nicht auf dem Wahlzettel steht, bleibt man eben zu Hause! Aus meiner Sicht kann sich keine Partei feiern, wenn nur jeder zweite wählt und es nur eine Umverteilung der Stimmen stattgefunden hat. Es muss also was faul sein im Staate und wo man auch weiß, das die Kommunalwahlen nichts an den politischen Verhältnissen etwas ändert. Lass sie sich ruhig feiern, sich in die eigene Tasche lügen, können sie ja bestens.

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