Staatliche Zensur ist nicht nur auf Facebook beschränkt und wurde in den letzten Jahren als immer größeres Netzwerk ausgebaut.
Facebook-Gründer Mark Zuckerberg hat, wie an dieser Stelle kürzlich berichtet, unlängst zugegeben, dass Facebook in den vergangenen Jahren Zensur gegen Nutzerbeiträge ausgeübt hat und dies auch auf Verlangen staatlicher Stellen geschah. Facebook war also der verlängerte Arm staatlicher Meinungskontrolle. In einem Brief an Jim Jordan, den Vorsitzenden des Rechtsausschusses des Repräsentantenhauses, schreibt Zuckerberg:
„Im Jahr 2021 übten hochrangige Beamte der Biden-Administration, darunter das Weiße Haus, monatelang wiederholt Druck auf unsere Teams aus, bestimmte COVID-19-Inhalte, darunter Humor und Satire, zu zensieren, und äußerten ihre große Enttäuschung gegenüber unseren Teams, wenn wir nicht zustimmten. Letztendlich war es unsere Entscheidung, ob wir Inhalte entfernen oder nicht, und wir sind für unsere Entscheidungen verantwortlich, einschließlich der COVID-19-bezogenen Änderungen, die wir im Zuge dieses Drucks an unserer Durchsetzung vorgenommen haben. Ich glaube, der Druck der Regierung war falsch, und ich bedauere, dass wir nicht offener darüber gesprochen haben. Ich denke auch, dass wir einige Entscheidungen getroffen haben, die wir im Nachhinein und mit neuen Informationen heute nicht treffen würden.“
Es ist zu betonen, dass Zuckerberg nichts zugibt, was die Öffentlichkeit noch nicht wusste und dass die staatlichen Zensurbestrebungen sich nicht auf Facebook und die USA beschränken.
Merkel forderte Zuckerberg zur Zensur auf
Im September 2015 hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel Druck auf Zuckerberg ausgeübt, „Maßnahmen gegen Hassparolen“ zu ergreifen. „Ich denke, wir müssen daran arbeiten“, versprach Zuckerberg Merkel bei einer Veranstaltung der Vereinten Nationen in New York. Als Merkel nachfragte, ob er die Situation „verbessern“ werde, antwortete er mit „Ja“. Das Gespräch war über das eingeschaltete Tischmikrofon auf dem Livestream der Vereinten Nationen zu hören, wie u.a. die FAZ berichtete.
Bei den „Hassparolen“ werden vielleicht auch unerwünschte Kommentare im Zusammenhang mit der damaligen „Flüchtlingskrise“ gemeint gewesen sein. Just in den Tagen vor Merkels Treffen mit Zuckerberg war bekannt geworden, dass ein Bündnis von vier Sozialverbänden und Frauenrechtsorganisationen – der Paritätische Wohlfahrtsverband Hessen, Pro Familia Hessen, der Landesfrauenrat Hessen und die Landesarbeitsgemeinschaft Hessischer Frauenbüros – einen Brief an die frauenpolitischen Sprecherinnen der hessischen Landtagsfraktionen geschrieben hatte, in dem es Alarm schlug: Es gebe in Flüchtlingsunterkünften „zahlreiche Vergewaltigungen und sexuelle Übergriffe“, zunehmend werde „auch von Zwangsprostitution berichtet“. Es müsse „deutlich gesagt werden, dass es sich hierbei nicht um Einzelfälle handelt“. In der bayerischen Stadt Pocking rief die Schulleitung des Wilhelm-Diess-Gymnasiums Eltern dazu auf, ihre Töchter keine freizügige Kleidung tragen zu lassen, um „Missverständnisse“ unter den 200 muslimischen Flüchtlingen zu vermeiden, die in Notunterkünften neben der Schule untergebracht sind. In dem Brief hieß es:
„Die syrischen Bürger sind mehrheitlich Muslime und sprechen arabisch. Die Asylbewerber sind von ihrer eigenen Kultur geprägt. Da unsere Schule in direkter Nachbarschaft ist, sollte eine zurückhaltende Alltagskleidung angemessen sein, um Diskrepanzen zu vermeiden. Durchsichtige Tops oder Blusen, kurze Shorts oder Miniröcke könnten zu Missverständnissen führen.“ Ein in der Tageszeitung Die Welt zitierter Kommunalpolitiker sagte einem Reporter unter dem Schutz der Anonymität: „Wenn minderjährige muslimische Jungs ins Freibad gehen, sind sie völlig überfordert damit, Mädchen in Bikinis zu sehen. Die Jungen, in deren Kulturkreis nackte Haut von Frauen völlig verpönt ist, laufen den Mädchen nach und bedrängen sie – ohne das zu beabsichtigen, aber das löst natürlich Ängste aus.“ Das war einige Monate vor der „Kölner Silvesternacht“ und Merkel glaubte offenbar noch, sie könne die Berichterstattung und Meinungsbildung unter Kontrolle halten, wenn die Eigentümer der sozialen Medien sie dabei unterstützten.
Staatlich-kommerzielle Zensur
Rund ein Jahr nach Merkels Intervention berichtete die Süddeutsche Zeitung über „Facebooks Abteilung, die die Regeln festlegt, nach denen Inhalte gelöscht werden“. Umgesetzt würden diese Regeln dann oft von Subunternehmen – wie der Bertelsmann-Tochter Arvato in Berlin: „Sie bekommen interne Schulungen, in denen ihnen erklärt wird, was gelöscht wird und was nicht.“
Unter besonderem Schutz stünden: „Geschlecht, Religionszugehörigkeit, nationale Herkunft, geschlechtliche Identität, Rasse, Ethnizität, sexuelle Orientierung, Behinderung oder ernsthafte Krankheit“. „Angriffe, die aufgrund einer dieser Kategorien erfolgen, werden gelöscht“, so die Zeitung. Für die Zensur war es nicht nötig, dass Journalisten nachts von der Polizei abgeholt worden wären und man ihnen die Folterinstrumente gezeigt hätte. Es brauchte „keine Konspiration, keine steuernde Instanz, um mit politischer Schlagseite zu löschen, zu unterdrücken und zu sperren“, wie Roger Letsch im Dezember 2022 an dieser Stelle zutreffend kommentierte. „Man dachte gleich, man stellte einander ein, hielt die gleichen Dinge für relevant oder gefährlich.“ Für Deutschland mit seiner jahrhundertealten Geschichte der Zensur und des Obrigkeitsfetischs mag das niemanden überraschen. Durch geleakte interne Dokumente und Anhörungen im US-Repräsentantenhaus kam indessen heraus, dass es sogar in den USA – dem Hort vermeintlicher Redefreiheit, die durch den ersten Verfassungszusatz garantiert ist – ein regelrechtes Zensurnetzwerk gibt, das aus Regierungsbehörden, Geheimdiensten, privaten Medienkonzernen sowie Technologiekonzernen wie NewsGuard und PayPal besteht.
Das wohl bekannteste Beispiel war die Unterdrückung der – wahren – Story über den inkriminierenden Laptop von Hunter Biden, dem Sohn des derzeitigen Präsidenten. Wochen vor den US-Präsidentschaftswahlen 2020 veröffentlichte die New York Post eine brisante Geschichte über einen von Hunter Biden in einem Geschäft zurückgelassenen Laptop, der E-Mails und Texte enthielt, die dubiose Geschäfte und Verwicklungen der Biden-Familie dokumentierten. Hunter Biden hatte Deals mit zweifelhaften Geschäftsleuten aus Russland, der Ukraine, China und Rumänien gemacht, und Joe Biden wurde als möglicher Empfänger von Geldern aus diesen Deals erwähnt. Die Unterdrückung dieser Story ging so weit, dass Twitter und Facebook die Story löschten und Twitter die Tageszeitung New York Post, die darüber berichtet hatte, mitten im amerikanischen Wahlkampf sperrte. So wurde das Ergebnis der Präsidentschaftswahl – bei der wenige tausend Stimmen den Ausschlag gaben – erheblich beeinflusst.
FBI, CIA, NewsGuard & Co.
Der investigative Journalist Matt Taibbi – ein langjähriger Redakteur des Magazins Rolling Stone und selbsterklärter (Links-)Liberaler, der an der Veröffentlichung der Twitter Files mitgewirkt hat – sprach im März 2023 US-Kongress darüber, wie das „Internet in ein Instrument der Zensur und sozialen Kontrolle“ verwandelt wurde, ausgehend von der staatlichen Obrigkeit. In der geleakten Kommunikation unter Twitter-Funktionären vor der US-Präsidentschaftswahl 2020 las er Dinge wie „vom DHS (Department of Homeland Security; S.F.) markiert“ oder „siehe den angehängten Report des FBI über potenzielle Falschinformation“. Daran, so Taibbi, „hing üblicherweise eine Excel-Tabelle mit einer langen Liste von Namen, deren Accounts oft kurz danach gesperrt wurden“. Twitter, Facebook, Google und andere Unternehmen, so Taibbi, hätten „ein formelles System entwickelt“, „um aus jeder Ecke der Regierung Forderungen nach Moderation entgegenzunehmen: vom FBI, vom DHS (Department of Homeland Security), vom HHS (Gesundheitsministerium), vom DoD (Verteidigungsministerium), dem Global Engagement Center des Außenministeriums, selbst von der CIA“. Noch aktiver aber seien private Agenturen, die von der Regierung finanziert würden – etwa der Meinungswächter NewsGuard:
„Auf jede Regierungsagentur, die Twitter scannt, kommen zwanzig quasi-private Entitäten, die dasselbe tun, unter ihnen die Stanford Election Integrity Partnership, NewsGuard, der Global Disinformation Index und viele andere, von denen viele vom Steuerzahler finanziert werden.“ Die Voreingenommenheit des NewsGuard-Konzerns ist schon daran zu erkennen, dass er von allen Onlinemedien weltweit, die er für „konservativ“ hält, verlangt, dass sie diese ihnen von NewsGuard zugesprochene Weltsicht mit einem für die Leser gut sichtbaren Warnhinweis kennzeichnen. NewsGuard prangert an: „Achgut.com beschreibt sich selbst als Meinungs- und nicht als Nachrichtenwebsite. Allerdings legt sie keine bestimmte politische oder ideologische Perspektive offen … Die Informationen auf der Website werden aber konsistent aus einer konservativen bis rechtspopulistischen Perspektive dargestellt, die die Website nicht offenlegt.“
Abgesehen davon, dass das Unsinn ist, wird von linken Medien nichts Entsprechendes eingefordert. Vom Spiegel, der Süddeutschen Zeitung und tagesschau.de wird nicht verlangt, dass sie ihre links-grüne Perspektive offenlegen. Was ja freilich auch so überflüssig ist, wie wenn der Papst offenlegen würde, dass er katholisch ist. Auch bekommen linksgerichtete Websites bei NewsGuard im Durchschnitt viel mehr Punkte bei der „Glaubwürdigkeit“ als konservative, selbst dann, wenn sie – wie der Spiegel – in der Vergangenheit frei erfundene Stories veröffentlicht haben.
Die öffentlich gemachten diffamierenden Behauptungen von NewsGuard, Achgut würde „falsche und irreführende Behauptungen“ verbreiten, erweisen sich, wenn sie vor deutschen Gerichten belegt werden müssen, selbst als falsch. Was NewsGuard betreibt, ist Rufzerstörung in kommerziellem Maßstab, die gegen alle betrieben wird, die Nachrichten veröffentlichen, die NewsGuard nicht sehen will. Ein Beispiel. Am 3. März 2020 schrieb NewsGuard-Journalistin Marie Richter an Achgut-Chefredakteur Dirk Maxeiner, dass da auf Achgut ein Artikel stehe, den es besser nicht geben solle:
„Während unserer Analyse fanden wir außerdem ein paar Artikel, die falsche Behauptungen enthielten. Diese schicke ich Ihnen ebenfalls und würde Sie um Stellungnahme bitten.“
Da sei etwa ein Beitrag von diesem Claudio Casula:
„Dieser Artikel berichtet von erhöhten Messerattacken und suggeriert, dass Migranten daran Schuld seien. ... Es gibt kaum Anhaltspunkte, dass Messerattacken erheblich gestiegen sind und keine Beweise, dafür, dass Migranten an diesen beteiligt wären.“
Ja, klar.
Lesen Sie morgen im zweiten Teil dieses Beitrages: US-Ausschuss untersucht NewsGuard.
Stefan Frank, geboren 1976, ist unabhängiger Publizist und schreibt u.a. für Audiatur online, die Jüdische Rundschau und MENA Watch. Buchveröffentlichungen: „Die Weltvernichtungsmaschine. Vom Kreditboom zur Wirtschaftskrise“ (2009); „Kreditinferno: Ewige Schuldenkrise und monetäres Chaos“ (2012).