Gastautor / 25.05.2016 / 06:00 / Foto: NASA / 1 / Seite ausdrucken

Zuckeranbau: Lieber Brandrodung als Gentechnik

Von Thilo Spahl.

Zucker ist eigentlich einfach Zucker. Bei Wikipedia ist es recht schlicht und hübsch beschrieben: „Zucker ist ein süß schmeckendes, kristallines Lebensmittel. Er wird aus Pflanzen gewonnen und besteht hauptsächlich aus Saccharose.“ Saccharose bezeichnen wir gemeinhin als Haushaltszucker. Es ist ein chemisch reiner Stoff aus einem Molekül Glucose (Traubenzucker) und einem Molekül Fructose (Fruchtzucker). Die chemische Formel lautet C12H22O11. Zucker besteht also zu 12 Teilen aus Kohlenstoff, 22 Teilen aus Wasserstoff und 11 Teilen Sauerstoff. Woraus besteht dann Bio-Zucker? Und woraus besteht gentechnikfreier Zucker? Richtig: alles dasselbe.

Wo kommt der Zucker her? Auch das steht in einem schlichten, hübschen Satz bei Wikipedia: „Hauptquellen sind Zuckerrohr (Anbau in den Tropen) und Zuckerrübe (Anbau in gemäßigten Breiten, z. B. Mitteleuropa) und die transgene Zuckerrübe H7-1 (USA)“ Und deshalb ist neuerdings nicht mehr alles dasselbe. Neuerdings gibt es in den USA zwei Preise für Zucker, je nachdem, ob er aus Zuckerrohr oder aus der Zuckerrübe H7-1 gewonnen wird. Aus bisher einem Produkt sind zwei Produkte geworden. Die Ursache liegt im Süßwarenmarketing. In den letzten Jahren haben immer mehr Hersteller wie Hershey oder Nestle angefangen, ihre Produkte als gentechnikfrei zu kennzeichnen.

Der einzige Unterschied zwischen Zucker und Zucker: Der geistige Überbau

Warum machen die Konzerne das? Ein Sprecher von Hershey begründet die Entscheidung des Unternehmens wie folgt: „Als konsumentenzentriertes Unternehmen hören wir auf unsere Kunden und bemühen uns, ihren Interessen und Erwartungen gerecht zu werden. Gentechnikfreie Zutaten sind ihnen wichtig, sagen unsere Kunden. Wir haben gesehen, wie das Interesse der Konsumenten an Produkten mit gentechnikfreien Zutaten gestiegen ist. Deshalb sind wir dazu übergegangen, hauptsächlich gentechnikfreien Zucker zu kaufen und bei unseren wichtigsten Marken 100% gentechnikfreien Zucker zu verwenden.“

Kurz: Der Kunde ist König. So die offizielle Stellungnahme. Aber wohl nicht einmal die halbe Wahrheit. Die Zahl derer, die ein dringendes Bedürfnis nach gentechnikfreien Schokoriegeln verspüren, dürfte nach wie vor sehr gering sein. Viel wichtiger scheint es, sich vor Angriffen zu schützen, die keineswegs von Millionen von Kunden kommen, sondern von einer kleinen, aber meinungsstarken und einflussreichen Lobby in eigener Sache.

Letztlich hat Hershey kapituliert, nachdem das Unternehmen Jahre lang durch die Kampagne GMO Inside, hinter der Dutzende von NGOs und Öko-Unternehmen stehen, unter Druck gesetzt worden war. Ein Einlenken erschien wohl als pragmatische und preiswerte Lösung. Praktischerweise muss man am Produkt nichts ändern, denn die gentechnikfreie Schokolade unterscheidet sich von der herkömmlichen ja nur im Bereich des geistigen Überbaus.

Die Rohrzucker-Produzenten freuen sich über höhere Preise

Doch die Entscheidung bleibt nicht ohne Folgen. Das veränderte Kaufverhalten von Hershey und anderen hat dazu geführt, dass sich der Zuckermarkt verändert hat und Rohrzucker in den USA inzwischen etwa 10 bis 15 Prozent teurer ist als Rübenzucker. Mit dem Preisunterschied wächst der Druck auf Farmer, wieder konventionelle Zuckerrüben anzubauen. Ein Erfolg für Umweltschutz und Gesundheitsförderung? Mitnichten. Denn dies würde bedeuten, dass wieder deutlich mehr und deutlich giftigere Pflanzenschutzmittel eingesetzt würden.

H7-1 ist resistent gegen das Herbizid Glyphosat. Glyphosat ist ein Totalherbizid, das alle grünen Pflanzen abtötet. Auf einem Zuckerrübenfeld also alles außer der resistenten Zuckerrübe. Klingt schlimm, ist aber ökologisch vorteilhaft. Vor der flächendeckenden Umstellung auf H7-1 vor acht Jahren mussten die Felder regelmäßig mit verschiedenen Kombinationen aus 13 anderen Wirkstoffen besprüht werden, die sich gegen einzelne Unkräuter richten und insgesamt sowohl für die Umwelt belastender sind, als auch für die Gesundheit der Anwender eine größere Gefahr darstellen. Im Vergleich zu den Alternativherbiziden schneidet Glyphosat in Hinblick auf akute und chronische Toxizität beim Menschen, das Risiko für Säugetiere, Fische, wirbellose Wassertiere, Wasserpflanzen und Vögel sowie die Kontamination des Grundwassers besser ab. Außerdem sind die Pflanzen gesünder, die Erträge höher, die Bodenerosion wird vermindert, der Wasserbedarf ist verringert und die CO2-Emissionen ebenso.

Zuckerrohr: Gentechnikfrei nach Tropenwald-Abholzung

Zurück in die Vorgentechnikzeit? Wollen wir hoffen, dass es nicht so weit kommt. Gut möglich, dass die Lage sich bald wieder ändert. Denn es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch beim Zuckerrohr gentechnisch verbesserte Sorten eingeführt werden. Schließlich ist Zuckerrohr wahrlich keine umweltfreundliche Alternative zu Rübenzucker. Der Anbau ist mit Brandrodung, hohem Wasserverbrauch, hohem Düngemitteleinsatz, hohen Pestizideinträgen in die Umwelt und nicht zuletzt harter Knochenarbeit verbunden. Gentechnisch ermöglichte bessere Sorten sind überfällig. So wird u.a. in Indien gerade eine Sorte entwickelt, die Trockenheit besser verträgt. Monsanto testet eine Sorte, die gegen Glyphosat resistent und gleichzeitig vor dem Stängelbohrer geschützt ist. Auch an Pilz- und Virusresistenzen wird gearbeitet.

Thilo Spahl ist Diplom-Psychologe und lebt in Berlin. Er ist freier Wissenschaftsautor, Mitgründer des Freiblickinstituts und Novo-Redakteur.

Dieser Kommentar erschien zuerst auf Novo-Argumente hier.

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Tom Hess / 25.05.2016

Das geht noch viel weiter. Ich lebe seit mehr als 10 Jahren in Südostasien und einen Großteil davon in Kambodscha. Als extrem armes Entwicklungsland (mit einer Dichte an Lexus Luxuskarossen, wie ich es noch nie gesehen habe) werden Zuckerexporte in die EU privilegiert, sprich, es gibt einen besseren Preis. Das hat dazu geführt, dass den kleinen Bauern ihr Land weggenommen wird durch Unternehmen. Der Staat hilft beim Enteignen und es entstehen große Zuckerplantagen. Für die Bauern war ihr Land unterdessen ihre Lebensgrundlage und sie werden mit nichts abgespeist. Das hat dazu geführt, dass vor ein paar Jahren eine EU-Kommissarin ins Land kam und furchtbar böse mit dem Zeigefinger winkte. Würde sich Kambodscha nicht ändern und die Klein(st)bauern angemessen entschädigen, würde das Zuckerprivileg fallen. Hat es gesagt, ist gefahren und nichts hat sich geändert. Außer, dass man bei der EU wohl ein ruhiges Gewissen hat und die Bauern weiter fleißig enteignet werden. Die Gewinne fließen, woe so oft, nicht in die Bevölkerung, sondern vornehmlich ausländische Unternehmen und natürlich die kambodschanische Regierung macht den Reibach. Übrigens läuft es mit den geschützten Tropenhölzern ähnlich. Hier werden alternativ dazu auch in Schutzgebieten Plantagen (nicht nur Zucker) genehmigt. Die Bäume werden gefällt, verkauft und was auch immer angebaut werden sollte, wird gar nicht mehr angebaut, weil der Profit mirt dem Tropenholz so gut war (die Bäume lassen sich tatsächlich beinahe mit Gold aufwiegen).

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