Sylke Kirschnick, Gastautorin / 15.01.2023 / 14:00 / Foto: Mttbme / 16 / Seite ausdrucken

Zu wenig Islam im Theater? Er will es so.

Neulich hörte ich amüsiert im Deutschlandfunk – mit anklagendem Unterton, wie sollte es anders sein –, dass der Islam im Theater hierzulande nicht oder kaum vorkäme. Der Vorwurf ist einigermaßen absurd, denn der Islam will es in vielfacher Hinsicht so.

Zunächt einmal die Frage: Kommt eigentlich das Christentum im Theater vor? Überhaupt in der Kunst? Ja, durchaus, denn es gibt beispielsweise die Gregorianischen Gesänge sowie Passionsspiele, mit unter anderem Händels „Messias“ und Bachs Passionen, also eine heute (!) als Kunst wahrgenommene christliche Musiktradition sowie ein – allerdings immer schon weltliches – Musiktheater.

Es war übrigens Felix Mendelssohn Bartholdy, der Bachs „Matthäus-Passion“ in die Konzertsäle ein- und damit in die Kunstwelt überführte. Die Maler und Bildhauer der Renaissance wären ohne den Humanismus undenkbar gewesen, und auch wenn ihre Motive der christlichen Bibel entstammten, war ihre künstlerische Darstellung alles andere als christlich. Damit ist nicht gesagt, dass ihre Vorstellungen davon, was gut oder böse ist, nicht christlich grundiert gewesen wären.

Ihre Plastiken und Gemälde wären im Islam undenkbar, ganz einfach, weil dort bildliche und figürliche Darstellungen all dessen, was Schatten wirft, untersagt wurden. Auch darum gibt es im Islam kein Theater, das übrigens griechisch-hellenistischen, nicht christlichen Ursprungs ist. Das biblische Bilderverbot hatte und hat seinen guten Sinn darin, dass es das Anbeten jedweder Autorität außer Gott unterband und damit auch das buchstäbliche und übertragene In-die-Knie-gehen und Niederwerfen vor Menschen und Dingen. Im Judentum hat das geklappt, im Christentum – siehe Jesus – und im Islam – siehe Mohammed – nicht. Es ist kein Zufall, dass der moderne Personenkult ausgerechnet in christlich und islamisch geprägten Kulturen Fuß fasste.

Weder Musikinstrumente noch Kultlyrik überliefert

Natürlich gab es im Orient immer Kunst. Denn erstens war der Orient in seiner kulturellen und künstlerischen Vielfalt schon einige Jahrtausende alt, als der Islam im 7. Jahrhundert aus jüdischen und christlichen Quellen entstand. Zweitens verschwanden weder die ägyptische, jüdische, babylonische, persische, indische, chinesische, griechisch-hellenistische, römische, armenische (!), byzantinische Kunst und damit auch nicht die christliche Kultur aus der Region, als der Islam seine Eroberungszüge startete. Byzanz und damit Konstantinopel fielen erst 1453. Viel zu spät, als dass der Islam kulturprägend für die gesamte östliche Mittelmeerregion hätte gewesen sein können.

Drittens war die Blütezeit des Islam während des Kalifats in Bagdad gerade durch offene Debatten mit jüdischen und christlichen Gelehrten und durch Übersetzungen aus dem Aramäischen, Griechischen, Persischen und so weiter ins Arabische charakterisiert. Die „Erzälungen der Schehersâd aus den tausendundein Nächte“ sind eine solche Übersetzung ins Arabische aus dem 9. Jahrhundert. Sie sind fraglos Weltliteratur, aber eben nicht, weil sie originär arabisch-islamisch wären, sondern deshalb, weil sie das gerade nicht sind.

Aus dem Hedschas, dem Kerngebiet des Islam, sind weder Musikinstrumente oder Kultlyrik (Psalmen) überliefert, wie hingegen aus der hebräischen Bibel noch Epen wie die „Ilias“ oder die „Odyssee“ aus dem heutigen kleinasiatischen Raum und der Schwarzmeerregion, aus denen die Dramatiker Aischylos, Sophokles und Euripides viele ihrer Stoffe bezogen und ab dem 6./5. Jahrhundert v. Chr. auf die attische Theaterbühne brachten. Weder die Shakespeare-Bühne noch die englischen Komödianten hatten viel mit dem Christentum am Hut – es sei denn, es ging wie im „Kaufmann von Venedig“ gegen Juden.

Angeblich christliche Vormachtstellung

Die moderne europäische Theatertradition seit dem 18. Jahrhundert hat sich gegen und nicht mit dem Christentum durchgesetzt. Wenn Autoren und Darsteller gläubig waren, dann als Privatpersonen, und wenn sie das Christentum auf die Bühne brachten, dann in kritischer Absicht und als Stoff, nicht wie in den Passions- und Krippenspielen als Bekenntnis. Wenn der Islam aber noch nicht mal einer Kritik unterzogen werden darf und selbst die berühmten Derwischtänze der Verbindung mit Gott dienen, dann kann es auch keine Theaterkunst geben, die den Islam distanziert reflektiert. Man denke nur an den Aufruhr und an die Morde wegen der Mohammed-Karikaturen oder an die Morddrohungen gegen Salman Rushdie wegen seiner „Satanischen Verse“!

Das Jiddische Theater, das im 19. Jahrhundert in Ostmitteleuropa entstand, ist wiederum kein religiöses Theater, und seine Sujets speisen sich aus dem jüdischen Humor, einer Art Hochleistungssport in den Disziplinen Reflexion und Distanz.

Mit Emine Sevgi Özdamar ist eine brillante Theaterfrau und Erzählerin nach Deutschland eingewandert. Dass sie ihre Inspiration aus dem Islam bezogen hätte, wäre mir neu. Es gibt Schauspieler und Regisseure aus islamischen Ländern in Deutschland und überall auf der Welt und dies seit Jahrzehnten – wer erinnert sich nicht an Omar Sharif, einen orientalischen Christen, der zum Islam übertrat, bevor er 1965 die Titelrolle in „Doktor Schiwago“ neben Julie Christie als Larissa und Geraldine Chaplin als Tonja spielte. Allein mit Religion hatte und hat die darstellende Kunst, nachdem sie einmal aus paganen Kulten entstanden war, nichts zu tun.

Worum also geht es bei der Frage nach dem Islam und dem Theater? Um religiöse Identitätspolitik und gegen das Fantasma einer angeblich christlichen Vormachtstellung auf den Bühnen dieses Landes. Das ist so absurd wie die Fragestellung selbst und wird nur noch dadurch übertroffen, dass die Autorin des Beitrags in „Tag für Tag“, dem Religionsmagazin des Deutschlandfunks, diese Absurdität in ihrem missionarischen Eifer offenkundig noch nicht mal bemerkt hat. Die Redaktion des Magazins allerdings auch nicht.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Sylke Kirschnicks Blog.

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Leserpost

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Elias Schwarz / 15.01.2023

Ich bin seit 40 Jahren ein bekennender Iron-Maiden-Fan. Muß ich jetzt irgendwie islamfreundlich werden oder kann ich einfach sagen: interessiert mich nicht?

Dirk Jürgens / 15.01.2023

Islam auf der Bühne? Ich empfehle Voltaires Stück “Der Fanatismus oder Mohammed der Prophet” von 1741, aber nicht die Übersetzung von Goethe, die ist verharmlosend, sondern die aktuelle von Tobias Roth, die hält sich mehr ans Original. Dann weiß man, warum Voltaire, der Kämpfer für die Meinungsfreiheit, von Islamisten und ihren linken Handlangern so gehasst wird.

giesemann gerhard / 15.01.2023

Islam ist sich selbst Theater genug, das muss niemand auch noch inszenieren.

Marc Jenal / 15.01.2023

Bei streng gläubigen Muslimen ist Theater und Musik (ausser religiöse) haram. Mehr Islam im und ums Theater heisst also kein Theater. (Quelle: https://islamfatwa.de/soziale-angelegenheiten/66-bilder-medien-musik/1941-komoedien). Das sehen wohl westlich orientierte Muslime anders, aber die werden ja von den Anderen als Verirrte angesehen. Als Ungläubiger und als westlich orientierter Muslim lebt man wohl besser in Ländern ohne viele streng gläubige Muslime, falls man noch gerne Theater besuchen möchte. In den übrigen Ländern können ja alle in die Moschee und brauchen sowieso kein Theater mehr. Dieses Glück dürfte mit zunehmender Förderung/Ausbreitung der streng Gläubigen noch mehr Menschen zuteil werden. Vielen Dank.

Klaus Schmid / 15.01.2023

Wir haben aber doch überall schon ein Theater mit dem Islam, live und in Farbe, und mit prominenten, Regierungs-bezahlten Darsellerinnen.

Heike Olmes / 15.01.2023

Ich will es auch so. Ist die Deutschlandfunk-Autorin komplett durchgeknallt oder eine speichelleckende Masochistin? Heute sah ich ein Video vom Fußballspiel meines örtlichen 4-Liga-Fußballvereins. Während des Spiels kniete ein Ordner nieder und betete gen Mekka. Vielleicht hilft es besagter Autorin, wenn sie mal hautnahen Kontakt mit dem Islam hat. Das Zwangskopftuch ist da noch der angenehmste Teil.

Christian Kaisan / 15.01.2023

Omar Sharif kann keinesfalls ein Anhänger des Islam gewesen sein. Warum? Er hat Zeit seines Lebens gezockt “wie ein vergifteter Affe”. Er war zeitweise so verschuldet, dass er in einem Hotel an der Riviera als Frühstücksdirektor die Gäste bespaßen musste, um seine Schulden abzuzahlen.

T. Merkens / 15.01.2023

Wer “Den Islam” im Theater sehen will, wähle Mozarts “Entführung aus dem Serail”. Beispielsweise google man nach “Solche hergelaufne Laffen | Die Entführung aus dem Serail” - dann sollte man bei der Webseite “opera-arias” landen, mit Video von Kurt Moll als Osmin und nebst Text für Uninformierte. Komfortabler gehts nicht :-)

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