Am 3. November stimmen die Kalifornier darüber ab, ob ihr Bundesstaat das Verbot von Rassen- und Geschlechterdiskriminierung aufheben soll. Im Januar hatten drei Abgeordnete der Demokraten eine entsprechende Vorlage in den kalifornischen Kongress eingebracht, im Juni war sie von der demokratischen Mehrheit in beiden Kammern verabschiedet und den Bürgern zur Abstimmung vorgelegt worden.
Die Proposition 16 (Prop 16) – so der Name der Initiative – soll einen Verfassungszusatz abschaffen, der 1996 ebenfalls durch eine Volksabstimmung (Proposition 209) eingeführt wurde. Es handelt sich um Abschnitt 31 von Teil I der kalifornischen Verfassung:
„Der Staat soll nicht Individuen oder Gruppen bei Beschäftigung im öffentlichen Dienst, bei der öffentlichen Bildung oder bei öffentlichen Aufträgen auf der Basis der Rasse, des Geschlechts, der Hautfarbe, der Ethnie oder der nationalen Herkunft diskriminieren oder ihnen bevorzugte Behandlung gewähren.“
Das alles soll wegfallen. Hinter der Pro-Diskriminierungsbewegung steht ein breites Bündnis: das gesamte Establishment der Demokratischen Partei; Gewerkschaften und linksradikale Gruppen; Tageszeitungen und multinationale Konzerne wie Facebook, Uber und Twitter; der Football-Verein San Francisco 49ers sowie – nicht überraschend – der Council on American-Islamic Relations (CAIR), ein islamistischer Lobbyverband mit Verbindungen zum türkischen Erdogan-Regime (der derzeit amerikanische Muslime vor Reisen nach Frankreich warnt, weil ihnen dort Diskriminierung drohe).
An die Stelle der Gleichheit vor dem Gesetz soll gezielte Bevorzugung und Benachteiligung aufgrund von Rasse und Geschlecht treten: Affirmative Action nennt man das in den USA. Warum die Bürger für Proposition 16 stimmen sollen, erklärte die Redaktion der New York Times – auch sie gehört zu dem o.g. Bündnis – in einer am Dienstag veröffentlichten Wahlempfehlung: Durch den Wegfall der Affirmative Action im Jahr 1996 seien „sehr wahrscheinlich“ „über tausend Schwarze und Latinos pro Jahr“ davon „abgeschreckt“ worden, sich für ein Hochschulstudium an der University of California zu bewerben, behauptet sie. Zudem seien „nur sechs Prozent der praktizierenden Ärzte“ in Kalifornien Latinos, obwohl diese demografische Gruppe 40 Prozent der Bevölkerung ausmache. Das habe angeblich zur Folge, dass „Latinos, die an Covid-19 erkranken“, „Schwierigkeiten“ hätten, „einen Arzt zu finden, der sich mit ihnen verständigen“ könne. Und schließlich hätten Frauen und Minderheiten früher sehr davon profitiert, dass es eine Politik gegeben habe, Unternehmen, die von Frauen oder Minderheiten geführt werden, bei der Vergabe öffentlicher Aufträge zu bevorzugen. Der Wegfall dieses Programms koste diese Unternehmen „825 Millionen Dollar pro Jahr“. „Kalifornien ist die fünftgrößte Volkswirtschaft der Welt, und die Frage, welche Geschäftsleute die mehr als 600.000 privaten Aufträge der Regierung ergattern, ist keine Kleinigkeit“, so die Zeitung. Da es Frauen und Minderheiten in der derzeitigen Rezession schlecht gehe, sei es „wichtig“, dass staatliche Aufträge an sie vergeben würden, so das Argument. Im Übrigen, schreibt die New York Times weiter, werde das Referendum auch von Kamala Harris unterstützt.
„Diskriminierung ist unamerikanisch“
Soweit die Argumente für „Ja“. Um die Argumente der „Nein“-Kampagne zu hören, wende ich mich direkt an die No on Prop 16 Campaign. Als die Pressesprecherin erfährt, dass ich ein Journalist aus Deutschland bin, schlägt sie vor, mich mit jemandem in Kontakt zu bringen, der Deutsch spricht: Karina Rollins, 53 Jahre alt, geboren in Frankfurt am Main als Tochter eines dort stationierten US-Soldaten. Seit 1989 lebt sie in den USA, derzeit in Washington D.C. Da sie nicht in Kalifornien lebe, sagt sie, werde sie nicht mitabstimmen, tue aber ihr „Bestes“, um ihre Freunde und Bekannten in Kalifornien zu informieren. Rollins sagt:
„Bei Proposition 16 geht es ganz und gar nicht um gesunde ‚Vielfalt’ (diversity) und ‚faire Bedingungen’ (level playing field), sondern darum, Menschen in Rassen und Ethnien aufzuteilen. Sie nicht als Individuen zu sehen und zu behandeln, sondern als Stellvertreter von Gruppen.“
Die Prop-16-Kampagne benutze „harmlose und positive Worte“ wie „Vielfalt“ und „Fairness“, so Rollins, „denn welch gut meinender Mensch könnte schon dagegen sein?“ Die Kampagne setze darauf, dass „gutmeinende Menschen auch gutgläubig“ seien, sagt sie. Deshalb sei es so wichtig, die „echte Agenda“ hinter Prop 16 zu erklären:
„Meine Motivation, über Prop 16 aufzuklären, ist, dass die USA in puncto Rassengleichheit seit den 1960er Jahren so großen Fortschritt gemacht haben – Menschen werden heute als Individuen, nicht als Hautfarbe betrachtet –, dass ich um das Land fürchte, wenn immer mehr Bürger und Politiker meinen, Menschen wieder nach Hautfarbe oder ethnischer Herkunft aufteilen zu müssen. Prop 16 würde in Kalifornien viel von dem Fortschritt rückgängig machen.“
Als jemand, der Gleichheit liebe, empfinde sie Diskriminierung, wie sie unter dem Stichwort Affirmative Action, praktiziert wird, „als absolut unamerikanisch“:
„Gleichheit bedeutet doch nicht mathematisch aufgeteilte Proportionen, sondern Chancengleichheit, und auch die Freiheit, als eigenständiger Mensch zu leben – und nicht als Repräsentant einer Gruppe.“
Dass „viel zu viele schwarze Amerikaner“ diese Chancengleichheit nicht hätten, sei „wahr und tragisch“:
„Unzählige wachsen ohne Stabilität in Ghettos auf, umgeben von Drogen, Gewalt und Kriminalität. Sie müssen gefährliche Schulen besuchen, wo ihnen kaum etwas beigebracht wird.“
Dagegen müsse unbedingt etwas getan werden, so Rollins – aber Affirmative Action helfe überhaupt nicht.
„Gleichheit existiert bereits“
Ich wende ein, dass die New York Times und andere Fürsprecher der „Ja“-Kampagne aber doch behaupten, Affirmative Action sei nötig, um die „Rassen- und Gendergleichheit herzustellen“. – „Diese Gleichheit existiert bereits“, erwidert Rollins:
„Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich und das sieht man auch in der Praxis: An den öffentlichen Universitäten Kaliforniens – um die es bei Prop 16 vor allem geht – sind Frauen in der Mehrheit. Das gilt für ganz Amerika. Und der Anteil der Schwarzen und Latinos an der University of California (UC) entspricht fast genau ihren Anteilen an der kalifornischen Bevölkerung.“
Tatsächlich: Eine im Juli veröffentlichte Statistik der University of California (UC) besagt, dass fünf Prozent der Studenten Schwarze sind, was weitgehend ihrem Bevölkerungsanteil in Kalifornien (sechs Prozent) entspricht. Dasselbe gilt für Latinos, die 39 Prozent der kalifornischen Bevölkerung ausmachen und 36 Prozent der Studenten an der UC. Rollins weist auf bemerkenswerte Fakten hin:
„Latinos sind seit 2014 mit 39 Prozent die größte Bevölkerungsgruppe in Kalifornien – trotzdem werden sie zu den ‚Minderheiten’ (minorities) gezählt, die sich angeblich auf staatliche Hilfe verlassen müssen, damit sie nicht diskriminiert werden.“
Auf der anderen Seite machten Weiße zwar 37 Prozent der kalifornischen Bevölkerung aus, sagt Rollins, aber ihr Anteil unter den Studenten an der UC liege bei nur 21 Prozent. „Und trotzdem ist niemand der Meinung, dass deshalb mehr weiße Studenten zugelassen werden müssten“.
Der Kern der Debatte ist ein ideologischer und seit Jahrzehnten derselbe. Mit den Amerikanern asiatischer Abstammung (Asian Americans) gibt es in den USA eine nichtweiße ethnische Gruppe, die überhaupt nicht den herrschenden Erwartungen entspricht, wie nichtweiße Minderheiten zu sein haben: sozial benachteiligt, hilfsbedürftig, „Opfer“ des angeblich systemischen Rassismus. Stattdessen sind die Asian Americans offensichtlich in großer Zahl außerordentlich erfolgreich. „Dass Asian Americans 15 Prozent der kalifornischen Bevölkerung ausmachen, aber 35 Prozent der Studenten an der University of California, ist aus Sicht der Befürworter der Yes on Prop 16-Kampagne eine ‚Überrepräsentation’ (overrepresentation) von Asiaten an den besten Universitäten“, erklärt Rollins. Wenn es nach dem Willen der „Yes“-Kampagne gehe, sagt sie,
„sollen also weniger Asiaten zugelassen werden, auch wenn sie die besten Highschool-Noten und die besten Qualifikationen haben. Anstelle von Asiaten sollen dann mehr Schwarze und mehr Latinos zu den Universitäten zugelassen werden, auch wenn sie akademisch unvorbereitet sind.“
Hier sieht Rollins nicht nur die Verfassung, sondern grundlegende Prinzipien der Humanität verletzt:
„Es ist doch eine Entmenschlichung, dass Amerikanern asiatischer Herkunft gesagt wird, von ihnen gebe es zu viele an der Uni, selbst wenn sie die am höchsten Qualifizierten sind. Diese Studenten werden also nicht als individuelle Menschen angesehen, sondern als Asiaten, von denen es zu viele gebe.“
Genau das sei Rassismus, so Rollins. „Gerade in Amerika sollte das im Jahr 2020 undenkbar sein.“
Wer unterstützt die Nein-Kampagne?
An der No on Prop 16-Kampagne beteiligten sich Schwarze, Weiße und Asiaten, sagt Rollins. Dennoch werde die Kampagne „ständig von Gegnern als rassistisch angeklagt“:
„Wenn man z.B. sagt, dass es natürlich individuelle Rassisten gibt und immer geben wird, aber dass das Land an sich, das System, nicht mehr rassistisch ist, wird man schon als Rassist verschrien.“
Der Vorsitzende der No on Prop 16-Kampagne ist der 81-jährige, in Louisiana geborene Schwarze Ward Connerly, der schon 1996 die erfolgreiche Kampagne anführte, die zum Verbot von Rassen- und Geschlechterdiskriminierung führte, das nun aufgehoben werden soll, wenn es nach den Befürwortern von Proposition 16 geht. „Er sagt, dass die geforderte Sonderbehandlung für Schwarze beleidigend und bevormundend ist, und dass es längst Zeit ist, dass Schwarze dieses Joch ablegen“, sagt Rollins. „In meinen Augen ist dieser Mann ein amerikanischer Held.“
In einem Aufruf schreibt Ward Connerly: „Wenn Prop 16 durchkommt, wird dieses Virus der rassischen Spalterei sich über den Rest des Landes verbreiten.“ Die Amerikaner dürften das nicht zulassen. „Wir dürfen nicht schweigen, während unser Land buchstäblich brennt.“
Zu viele Asiaten?
Das Argument der „Überrepräsentanz“ wird in den USA schon seit Anfang der 1980er Jahre gegen Amerikaner asiatischer Abstammung an den Universitäten vorgebracht. Damals nämlich begann die Zahl der Asian Americans an High Schools und Universitäten deutlich zu steigen. An der University of California in Berkeley, hieß es in einem Artikel der New York Times vom 9. Mai 1982, seien „20 Prozent der Studenten Asiaten, obwohl sie nur 5,3 Prozent der Bevölkerung ausmachen.“ Auch in Harvard und Stanford seien Asiaten „disproportional“ repräsentiert, so das Blatt weiter.
Die angebliche „Überrepräsentanz“ sorgt für Unmut unter denen, die glauben, dass die an Schulen und Universitäten Erfolgreichen die Ursache des Misserfolgs der weniger Erfolgreichen wären, weswegen man die Erfolgreichen bekämpfen müsse. Asiaten, heißt es, nähmen anderen die Plätze weg – insbesondere Schwarzen und Hispanics. Was meist nicht so laut hinausposaunt wird, ist, dass es sich um ein Null-Summen-Spiel handelt: Diejenigen, die Schwarze und Hispanics durch Affirmative Action „fördern“ wollen, wollen in Wahrheit die Asian Americans durch rassistische Regeln benachteiligen.
Das passiert bereits seit Jahrzehnten. 2018 verglich der Think Tank Center for Equal Opportunity (CEO) in einer Studie drei Hochschulen: das California Institute of Technology (Caltech), das Massachusetts Institute of Technology (MIT) und die Universität Harvard. Das CEO wollte wissen, ob es statistische Anzeichen dafür gibt, dass Universitäten die Anzahl der von ihnen aufgenommenen Asian Americans begrenzen. Das Ergebnis: Am Caltech, wo die Ethnie bei der Aufnahme keine Rolle spielt, liegt der Anteil der asiatisch-amerikanischen Erstsemester stets bei über 40 Prozent. Am MIT, wo sie ein Kriterium bei der Auswahl der Studenten ist, erreichte der Anteil der asiatisch-amerikanischen Studenten in den 1990er Jahren einen Gipfel von 29 Prozent und liegt nun schon seit langer Zeit bei konstant 26 Prozent. In Harvard, wo ebenfalls eine Rassenauslese unter dem Banner von „Diversität“ und Affirmative Action stattfindet, lag der Hochpunkt bei 21 Prozent und hat sich inzwischen bei 17 Prozent verfestigt.
Die Studie bezog sich nur auf Universitäten, doch das, was sie aufzeigt, wird noch klarer, wenn man zum Vergleich New Yorks berühmtestes Elitegymnasium, die Stuyvesant High School, heranzieht. Stuyvesant ist stolz darauf, Bewerber nur nach Leistung auszuwählen und blind gegenüber der Hautfarbe zu sein. Der Anteil der asiatisch-amerikanischen Schüler liegt dort bei 74 Prozent. Das ist, wohlgemerkt, nicht das Ergebnis von ethnischer Selektion, sondern von Fairness und wahrer Chancengleichheit. Versucht eine Einrichtung hingegen, die Zusammensetzung der Schülerschaft nach dem Kriterium der „Diversität“ zu modeln, dann führt das in der Praxis dazu, dass man einem Bewerber sagen muss: „Von deinen exzellenten Prüfungsleistungen her würden wir dich gerne nehmen, aber leider hast du die falsche Rasse: Wenn deine Eltern nicht beide in Vietnam geboren wären, sondern zumindest einer von ihnen in einem lateinamerikanischen oder afrikanischen Land, würden wir dich nehmen. So aber bist du bloß einer von denen, von denen es viel zu viele gibt.“
Harvard und der Asiatenmalus
Eine Studie, die die Soziologen Thomas J. Espenshade und Alexandria Walton Radford von der Universität Princeton 2009 veröffentlichten, kam zu dem Ergebnis, dass Asian Americans, um an Eliteuniversitäten, die nach Rasse diskriminieren, aufgenommen zu werden, in dem standardisierten Zulassungstest (SAT) deutlich höhere Punktzahlen erreichen müssen als Weiße und erst recht höhere als Schwarze und Hispanics. Dieses Phänomen ist unbestritten und wird laut einem Artikel der New York Times auch als die Asian tax bezeichnet – das muss man wohl mit „Asiatenmalus“ übersetzen. Würden die Eliteuniversitäten an der Ostküste nur nach der Leistung in den Aufnahmeprüfungen gehen, rechneten die Wissenschaftler vor, hätten Asiaten nicht, wie derzeit, die niedrigste Aufnahmequote (18 Prozent), sondern die höchste (30 Prozent), und ihr Anteil an der Studentenschaft stiege von durchschnittlich 24 auf 38 Prozent.
In einem Beitrag mit dem Titel The War on Asian Americans verglich Abe Greenwald, ein Kolumnist des jüdisch-amerikanischen Monatsmagazins Commentary, die Diskriminierung asiatischer Studenten heutzutage mit der „Judenquote“ im Amerika des frühen 20. Jahrhunderts: „Vor allem in Harvard ist der Angriff auf die asiatisch-amerikanischen Bewerber so offensichtlich, so absichtlich und so systematisch, dass er auf verstörende Weise dem fanatischsten Kapitel in der Geschichte dieser Institution ähnelt – der Kampagne, Juden von der Studentenschaft fernzuhalten, wie es sie in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts gab.“
Damals nämlich hatte Harvard einen Präsidenten namens Abbott Lawrence Lowell, der in Auftrag gab, die Studenten in der Kartei in vier Gruppen zu sortieren: J1: Ganz sicher ein Jude; J2: Sehr wahrscheinlich ein Jude; J3: Könnte ein Jude sein; J4: Andere. Er fand heraus, dass der Anteil der Juden unter den Harvard-Studenten zwischen 1900 und 1922 von sieben auf 21,5 Prozent gestiegen war und beschloss, ihn auf 15 Prozent zu kappen. Greenwald räumt in seiner Kolumne ein, dass es deutliche Unterschiede zwischen beiden Situation gibt:
„Die Begrenzung der Zahl der Juden war offensichtlicher Teil einer breiten kulturellen Welle des Fanatismus und Antisemitismus, währen die Kampagne gegen Asian Americans in die Sprache und Ideologie von Diversität gekleidet ist. Doch in jedem Fall … stigmatisieren Hochschulen erneut eine Gruppe von Menschen, um sie auszuschließen und verüben eine große Sünde gegen tausende von Individuen, die im Begriff sind, nach dem amerikanischen Traum zu greifen.“
Bemerkenswert ist, dass die Affirmative Action auch damit begründet wird, dass historisches Unrecht an schwarzen Sklaven gesühnt werden müsse, indem man deren Nachfahren fördert. Dieser These aber steht die Beobachtung entgegen, dass die Eliteuniversitäten sich zwar gern mit schwarzen Studenten schmücken, um zu zeigen, wie „divers“ sie sind; statt aber Kinder aus Detroit aufzunehmen, füllen sie die Studienplätze mit den Kindern gebildeter Einwanderer aus Afrika. Ob Harvard, Yale oder Cornell – jede amerikanische Eliteuniversität hat inzwischen einen Verband Nigerianischer Studenten. „Obwohl afrikanische Einwanderer – viele von ihnen aus Nigeria und Ghana – weniger als 1 Prozent von Amerikas Bevölkerung ausmachen, stellen schwarze Einwanderer 41 Prozent aller schwarzen Studenten an Ivy-League-Universitäten“, so das Ergebnis einer Studie aus dem Jahr 2007.
Asiaten waren in der Geschichte der USA häufig Opfer von Rassismus oder sogar Pogromen. Jetzt sollen sie wieder diskriminiert werden, im Namen der „Diversität“ und „Chancengleichheit“ – und natürlich im Namen der People of Color. Dabei haben viele Asiaten eine dunklere Haut als die „Schwarze“ Kamala Harris oder als Elizabeth Warren, die sich in ihrer Studienzeit fälschlich als eine Native American vom Stamm der Cherokee ausgab.
Prop 16 ist nur der Anfang
Damit es nicht so auffällt, dass Asian Americans die wahren Opfer sind, nehmen die Befürworter von Affirmative Action lieber die Weißen und deren „Privilegien“ (white privilege) ins Visier. Eine Verfechterin der „Ja“-Kampagne ist Eva Paterson von der Equal Justice Society in Oakland. Sie unterstützt Prop 16 und nennt die Covid-19-Pandemie als ein Beispiel für das angebliche Privileg der Weißen: Schwarze und Latinos litten viel mehr unter ihr, behauptet sie.
„Das weiße Amerika kann nicht mehr länger sagen: ‚Oh, ich sehe keine Farben, wir sind über den Rassismus hinweg.’ People of color werden anders behandelt. Ein Weg, mit dem Menschen ihren Wunsch nach der Beseitigung von Rassismus zur Tat werden lassen können, ist, für Proposition 16 zu stimmen. Das wird People of color und Frauen mehr Macht und mehr Geld geben. Wenn man mehr Geld hat, hat man mehr Möglichkeiten und mehr Sagen im politischen System.“
Geld? Macht? Sollte es nicht um „Diversität“ gehen? Tatsächlich ist Proposition 16 nur eine Waffe bei der ideologischen Offensive, die in Kalifornien derzeit geführt wird. Am 30. September hat Kaliforniens Gouverneur Gavin Newsom (Demokraten) ein Gesetz unterzeichnet, das für Unternehmensvorstände Rassenquoten festlegt. Zudem muss jeder Highschool-Schüler mindestens ein Semester lang ein Fach namens „Ethnische Studien“ belegen. Ein weiteres neues Gesetz soll den Weg ebnen, um Nachfahren von Sklaven „Reparationen“ zu zahlen.
„Diese Maßnahmen demonstrieren, dass die Unterstützer von Rassenbevorzugung … nach Quoten streben, nach von der Regierung verordneter rassischer Indoktrination und bestrafenden, rassebasierten Zahlungen, die von den Steuerzahlern eingetrieben werden“, schreibt Frank Xu, ein Unterstützer der „Nein“-Kampagne, in einem Gastkommentar für die Tageszeitung San Diego Union Tribune. Vor fünfzehn Jahren sei er aus China in die USA eingewandert, so Xu. In China sei die staatliche Kontrolle über das Leben der Bürger „ein wesentlicher Bestandteil der autoritären Herrschaft“.
„Hier in Kalifornien war ich dankbar, dass Grundsätze, die für die Menschenwürde von zentraler Bedeutung sind, wie die Gleichstellung, sowohl in den Verfassungen der USA als auch in Kalifornien verankert sind.“
Proposition 16 versuche, mit der Gleichheit der Bürger Schluss zu machen, sagt Xu. Das dürften die Kalifornier nicht unterstützen. Weil er selbst Asiate ist, werde ihm von den Befürwortern von Proposition 16 „Egoismus“ vorgeworfen, schreibt er weiter: Es gehe ihm ja bloß darum, seine Kinder nach Berkeley zu schicken, wird ihm unterstellt. Rassismus ist unter den Befürwortern des Referendums verbreitet. 2014, als diese bei ihrem ersten Versuch, das Verbot von Affirmative Action aufzuheben, noch im kalifornischen Senat gescheitert waren, sagte Cristina Garcia, eine Abgeordnete der Demokraten, sie würde am liebsten dem nächsten Asiaten ins Gesicht schlagen: This makes me feel like I want to punch the next Asian person I see in the face. So berichtete es die Website Politico. Später entschuldigte sich Garcia, doch der Vorfall zeigt den rassistischen Hass, unter dem manche der „Antirassisten“ leiden.
Affirmative Action beschäftigt auch die Gerichte. Der Supreme Court hat sie in zwei Grundsatzurteilen (1978 und 2003) für prinzipiell zulässig erklärt. Das heißt aber nicht, dass er in einem anderen Fall erneut so entscheiden müsste. Derzeit müssen sowohl Harvard als auch Yale ihre diskriminierende Zulassungspraxis vor Gerichten verteidigen. Yale ist diesen Monat vom US-Justizministerium verklagt worden. An der Wahlurne ist der Erfolg der Diskriminierungsbefürworter unsicher. Laut einer Umfrage des Public Policy Institute of California wollen 46 Prozent der Wähler der Demokraten und 9 Prozent der Wähler der Republikaner am 3. November für Proposition 16 stimmen. Um Gesetz zu werden, benötigt der Vorschlag mindestens 50 Prozent der gültigen Wählerstimmen.