Richard Wagner / 25.01.2011 / 13:07 / 0 / Seite ausdrucken

Zu Guttenberg in der Takelage

Erstaunlich ist er schon, der mediale Befund über den angeblich schikanösen Befehl, in die Takellage zu klettern. Erstaunlich in einer Zeit, in der jedes halbwegs seriös geführte Tourismusunternehmen Extremsport in seinem Programm anbietet. Die Diskussion um die Gorch Fock zeigt nicht zuletzt die Verwirrung der Begriffe in unserer Öffentlichkeit.

Das Gerede ist, jenseits des dramatischen Unfalls auf dem Schul-Schiff, Teil der Afghanistan Diskussion, und so, wiederum Teil der ewig gleichen Debatte um Krieg und Frieden. Deren entscheidende Lücke beruht darauf, das man davon ausgeht, dass Krieg und Frieden einander ausschließen, diese aber ergänzen sich. Die drei Begriffe, die ins Spiel gebracht wurden, Gorch Fock, Afghanistan und Frieden stellen die Eckpunkte des Dilemmas unserer deutschen Gesellschaft dar, die im Gefolge der Weltkriegs-Katastrophe auf den Pazifismus geeicht wurde, was unter der Prämisse des Dritten Reichs im Prinzip richtig war. Nur, heute ist die Prämisse eine andere, und das Prinzip eine Art Gewohnheitsrecht, das mit der Gegenwart praktisch nichts mehr zu tun hat.

Im Ergebnis haben wir es, vor allem in den Köpfen, mit einer verkehrten Welt zu tun, in der die Gefahren nicht viel zählen, und die Verteidigungsbereitschaft erklärt werden muss. Schwarmgeister, wie Todenhöfer, sitzen in den Talkrunden, als hätten sie die Wundmale in den anderen Kulturen ausgemacht. Das Verständnis hat längst die Erkenntnis ersetzt. Darüber täuscht bloß ein geschmeidiger Ton hinweg. Die Bundeswehr war von Anfang an ein zur Diskretion angehaltener Akteur unserer Öffentlichkeit. Das hat sie vor manchen Querelen bewahrt, sie blieb aber auch die große Unbekannte im allgemeinen Debattenmanöver. Die Bundeswehr wurde in den fünfziger Jahren gegründet, um den Deutschen einen weiteren Schritt zurück in die Normalität zu vermitteln, und auch später in den turbulenten politisierten Jahren wurde sie höchstens durch den Zivildienst untergraben.

Ihre Normalität als Armee aber erreichte sie erst im vereinigten Deutschland durch die Intervention in die Balkankriege. Seither wird                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 ständig an der humanitären Begründung für die Einsätze gefeilt, so, als gelte es eine bewaffnete Aktion von Amnesty International zu managen. Während man immer noch an den Worten feilt, ist diese Bundeswehr längst in Kriegsrealitäten geraten, in denen es um Leben und Tod geht.

Als es noch nicht um Leben und Tod ging, bei der Bundeswehr, war die Gorch Fock ein Ort, an dem der Krieg spielte. 1958 gebaut, und auf den Namen eines vor allem niederdeutsch schreibenden Schriftstellers getauft, der 1916 in der legendären Seeschlacht am Skagerrak zwischen Briten und Deutschen zu Tode gekommenen ist. Das Segelschulschiff simulierte nicht nur die Kriegssituation, es verwies mit seinem Namen auch diskret genug auf eine Kontinuität des Militärhandwerks in Deutschland.

Die Regeln, die auf diesen Übungsschiffen gelten, sind nicht als Voraussetzungen für Übergriffe gedacht, sondern als Rahmenbedingungen der Ausnahmesituation. Der Krieg ist die Ausnahme, der Frieden die Regel. Um der Ausnahmesituation gewachsen zu sein, muss man sich an ihr messen können. Dafür ist die Gorch Fock gedacht. Wer nach Afghanistan geht, sollte nicht nur kampfbereit sondern auch kampffähig sein.

Uns erscheinen die Kampfhandlungen aber mäßig vorstellbar, da wir sie nur von der Couch aus ins Visier nehmen können. Und selbst das so Imaginierte beschränkt sich weit gehend auf die Visiten unserer Politiker vor Ort, die sich ein Bild vom Stand der Dinge machen wollen oder einen Fototermin fürs Wahlvolk planen. Während die Models in die Karibik gekarrt werden, um dort am Bacardi zu nippen, als ginge es tatsächlich um Bacardi-Sharing, katapultieren sich unsere Führenden ins Ausnahmegebiet und wieder zurück.

Unser aktueller Verteidigungsminister zu Guttenberg ist trotz aller Äußerlichkeiten kein Udet, und damit auch kein Teufels General. Er ist vielmehr der Serienheld, den die Medien jagen, aber nicht weil sie etwas gegen ihn hätten, sondern weil sie es inzwischen als Sport betrachten, ihn zu stürzen. Er tritt zwar gerne in Afghanistan mit ordnender Hand auf, aber mehr zu ihm passen würde die Rolle des Kapitäns auf der Gorch Fock. Es wäre die angemessene Nachfolge für „Wetten das…” ZDF, übernehmen Sie!

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