Peter Grimm / 13.02.2018 / 06:14 / 12 / Seite ausdrucken

Zivilcourage bei der ARD? Das gab es einmal

Zu der WDR-Produktion „Aufbruch ins Ungewisse“ ist hier und hier ja schon einiges geschrieben worden. Der plumpe volkserzieherische Ansatz des Films, den Zuschauern zu suggerieren, die reale unkontrollierte Massenzuwanderung aus Arabien und Afrika sei eigentlich nichts anderes als die Drehbuch-Massenflucht der von einer Rechtsdiktatur verfolgten Deutschen in Richtung Kapstadt.

Wenn sich die Gebührenzahler das von ihnen inszenierte Werk anschauen, dann sollen sie Mitgefühl für die Familie entwickeln, die über das Mittelmeer flüchten und den ganzen Kontinent mit Hilfe von Schleusern durchqueren muss, um endlich vielleicht Asyl in Südafrika zu bekommen. In allen anderen Ländern wäre es viel zu unsicher, und auch die südafrikanischen Behörden drohen mit Ablehnungsbescheiden und Abschiebungen.

Ob die unfreiwilligen Finanziers dieses Stückes, also die Zuschauer, trotz der beinahe propagandistisch-plakativ konstruierten Analogien zur umgekehrten realen Zuwanderung soviel Empathie mit den Protagonisten entwickeln, dass diese auch – wie offensichtlich gewünscht – ihre Sicht auf die reale Zuwanderung nach Deutschland beeinflusst oder ob sie sich mehr darüber ärgern, für welch simple Gemüter man sie hält, sei dahingestellt.

Den meisten Zuschauern wird ohnehin auffallen, was alles in der fiktiven Zuwanderung doch irgendwie anders ist, als in der realen. Da haben alle Flüchtlinge ihre Pässe, verlangen keine Einhaltung eigener Glaubens- und Speiseregeln, werden nicht von einem verlockenden Sozial- und Versorgungssystem angezogen. Deshalb gibt es natürlich in dieser fiktiven Welt auch fast nur wirkliche Flüchtlinge und keine Zuwanderer in die Sozialsysteme des Aufnahmelandes.

Es ging auch mal anders

Man mag es ja tatsächlich für die Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Bildungsauftrags halten, einen Film zur Stärkung der guten und richtigen Gesinnung zu produzieren. Doch als Zuschauer zweifelt man schon daran, dass die Drehbuchautoren von der zu vermittelnden Botschaft selbst überzeugt sind, wenn ein derart platter Plot herauskommt. Man mag ja mit dem deutschen Blick gern den Weg in eine hiesige Rechtsdiktatur annehmen. Das mag noch eine nachvollziehbare Dystopie sein. Unausgesprochen utopische Veränderungen wären allerdings in Afrika vonnöten, bevor sich eine solche Fluchtbewegung in Gang setzte, ganz unabhängig davon, welch desaströse Entwicklung Europa nimmt. Doch so viel Plausibilität der Fiktion scheint der öffentlich-rechtliche Zuschauer nicht zu verdienen.

Aber es soll hier gar nicht darum gehen, das Gebührenfernsehen anzugreifen. Es ist die Richtung, die es genommen hat. Denn entgegen einem landläufigen Gefühl war das nicht immer so. Man kann da interessante Blicke ins Archiv werfen. Dank vieler Menschen, die ihre YouTube-Kanäle mit ausgewählten TV-Aufzeichnungen bestücken, hat auch jeder normale Konsument dazu die eine oder andere Gelegenheit. Dabei kann man so manche Überraschung erleben.

Eine solche ist „Zivilcourage“, eine ARD-Produktion aus dem Jahr 2009 mit Götz George in der Hauptrolle. Dieser Film beschäftigt sich mit der Entwicklung von Parallelgesellschaften, denen viel zu lange zugesehen wurde. Ein Antiquar ist irgendwann in seiner Straße fast in einer fremden Welt. Das stört ihn nicht, bis er bei einer brutalen Körperverletzung nicht wegschaut, sondern einschreitet und den Täter bei der Polizei identifiziert. Es folgt eine dramatische Eskalation, weil er nicht bereit ist, dem vielfachen Druck nachzugeben, seine Aussage zurückzuziehen.

Abschied von zwanghaften Reflexen?

Das Bemerkenswerte – deshalb kann man diese beiden Filme, diese beiden ARD-Produktionen, zusammen in einem Artikel erwähnen – ist, dass einen als Zuschauer des Jahres 2018 das Gefühl beschleicht, der Film aus dem Jahr 2009 würde heute nicht mehr produziert werden. Nicht weil er sich inhaltlich überlebt hätte, im Gegenteil. Doch er spricht genau die Probleme an, die heute eher schöngeredet werden. Wer dies so tut, wie der Film „Zivicourage“, würde heute schnell unter den Verdacht gestellt, mindestens ein Rechtspopulist zu sein. Man würde ihm die Nähe zu AfD-Positionen vorwerfen. Die Maßstäbe haben sich verschoben und der gesunde Menschenverstand geht unter.

Ich erinnere mich in solchen Momenten immer gern an eine Szene in einer Tagesthemen-Sendung im April 2016. Interviewpartner Hamed Abdel-Samad wurde von der Moderatorin vorgehalten, er würde mit seiner Islamkritik doch das gleiche sagen wie die AfD. Seine Antwort darauf war, dass er der AfD auch nicht widersprechen würde, wenn sie bei Sonnenschein sagt, dass die Sonne scheint. Es sei eben das Problem, wenn man meint, jemandem reflexartig widersprechen zu müssen. Unvoreingenommenen Erkenntnissen und einer Diskursfähigkeit stehen solche Reflexe jedenfalls arg im Wege. Wie schön wäre es, wenn auch gebührenfinanzierte Filme wieder mehr ohne solch zwanghaften Reflexe auskämen.

Foto: pixabay

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Karla Kuhn / 13.02.2018

“Eine solche ist „Zivilcourage“, eine ARD-Produktion aus dem Jahr 2009 mit Götz George in der Hauptrolle. Dieser Film beschäftigt sich mit der Entwicklung von Parallelgesellschaften, denen viel zu lange zugesehen wird. Ein Antiquar ist irgendwann in seiner Straße fast in einer fremden Welt. Das stört ihn nicht, bis er bei einer brutalen Körperverletzung nicht wegschaut, sondern einschreitet und den Täter bei der Polizei identifiziert. Es folgt eine dramatische Eskalation, weil er nicht bereit ist, dem vielfachen Druck nachzugeben, seine Aussage zurückzuziehen.” Wurde der Film jetzt erst gedreht ?? Ich weiß, G.G. ist tot aber das Thema nicht, es scheint aktueller denn je. Der pure Wahnsinn !! Wir können doch “gut und vor allem gerne” hier leben. Viele Medien scheinen genau dieser Ansicht zu sein, sonst würde sie endlich mal die Realität, wie sie wirklich ist, gnadenlos thematisieren.

Roland Binz / 13.02.2018

Ein Nebenaspekt des Films: Götz George verkörpert in seiner Rolle den gesellschaftspolitischen Wandel in Deutschland, vom Schimanski, dem „gesellschaftskritischen Bullen“, zum aufrechten Bürger in „Zivilcourage“, der genau die Werte vertritt, die er als „Schimmi“ verächtlich gemacht hat.

Wolfgang Lang / 13.02.2018

Ich rate sich alte Sendungen mit Ekel Alfred anzusehen. Köstlich und heute dank PC und Zensur unsendbar.

Martin Landvoigt / 13.02.2018

Mein Bewunderung gilt jenen, die mit klugen Worte auch dann noch weiter führen, selbst wenn man glaubte, dass schon alles gesagt sei.

Ulrich Lucas / 13.02.2018

Neben “Zivilcourage” ist noch eine ARD-Produktion wert, erwähnt zu werden. “Der verlorene Sohn” mit Kostja Ullmann, der einen Konvertiten spielt. Als der Film lief, musste ich zweimal nachschauen, ob ich tatsächlich bei der ARD bin, denn soviel geballte politische Unkorrektheit war schon erstaunlich, besonders im Hinblick auf das Filmende. Aber wie heißt es so treffend? Ausnahmen bestätigen die Regel.

Bernd Ackermann / 13.02.2018

Wären die Macher von “Aufbruch ins Ungewisse” in einer anderen Zeit oder einem anderen Land geboren worden, würden sie ohne mit der Wimper zu zucken verherrlichende Filme über Ernst Thälmann oder Kim Il-Sung drehen. Filme wie dieser oder auch “lustige Komödien” wie “Willkommen bei den Hartmanns”, bei denen man am Anfang schon weiß wie es schließlich endet, fallen schlicht in die Kategorie “Propagandafilm”, einziges Ziel ist es den Zuschauer zu manipulieren. Ich hätte nie geglaubt, dass so etwas in diesem Land noch einmal geschehen würde, aber Geschichte wiederholt sich anscheinend doch.

Viola Heyer / 13.02.2018

Dazu passt ein Beitrag des RBB-Magazins “Täter, Opfer, Polizei”, der am Sonntag lief. Es ging um den messerschwingenden, prügelnden Turnschuh-Räuber Tarek N., der in Berlin im Dezember zu 21 Monaten auf Bewährung verurteilt wurde. Der RBB machte aus ihm einen “Philipp”. Es wäre legitim keinen Vornamen zu nennen, aber ihn mit einem deutschen Namen versehen? Niemals würde man es wagen einen straffälligen Bernd, Frank oder Stefan in Mohamed, Ali oder Bülent umzutaufen.

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