Cora Stephan / 19.01.2020 / 06:28 / Foto: Pixabay / 101 / Seite ausdrucken

Zickenkrieg

„Angela vom anderen Stern. Merkel, der Superstar, der alle Starklischees überwand. Die absurde Karriere einer hoffnungslos überschätzten Dilettantin, die aus jedem Handicap einen Glamourfaktor machte. Ihr Spitzenplatz in US-Rankings der Topmagazine wurde zum Abonnement über Jahre. Ihre Rechtsverstöße mehrten ihren Ruhm. Jeder ihrer spektakulären Regelbrüche wurde unter Merkels Deutungsanweisung zum humanitären, ökologischen oder friedensstiftenden Sieg erklärt. Das Talent der Laien-Politikerin führte sie im politischen globalen Business auf den idealen Platz: zur Symbolpolitik.“

Wer noch immer Nachhilfe braucht beim Merkel-Bashing, ist hier richtig. Hell hath no fury than Gertrud Höhler: Die hat ihr Merkel-Trauma noch immer nicht verwunden und stimmt in ihrem jüngsten Buch ein Requiem auf die bereits ins Globale entrückte Kanzlerin an.

Boshaft kann die Höhler. Vernichtend auch. „Nichts, was (Angela Merkel) anfasste, wurde vollendet.“ Sie agiere „intransparent und entscheidungsscheu“, werde „mit den Mitteln der Demokratie die Demokratie überwinden“, und gerate „bei ihren amokhaften Ausbrüchen in Richtung Intensivtäterin“ zur „Rechtsbrecherin“. Puh. Merkel erledigt? Noch lange nicht.

Abräumen demokratischer Standards

Die Kanzlerin setze „auf Omnipräsenz, um den Eindruck der Omnipotenz zu erwecken“, betreibe nichts als Symbolpolitik, aber auch schon mal, wie in Griechenland, Kolonialpolitik. Die „Verächterin des Parlamentarismus“ trotte „wasserdicht durch ihre Geschichtssekunden“, doch wehe, wenn Merkel-Herrschaft und grüne Ideologie sich zusammentun! Dann „wird im Schlafsaal Rasen gemäht, und die Weltöffentlichkeit geht zur lange vernachlässigten Tagesordnung über, ohne Deutschland.“

Gertrud Höhler bricht sämtliche Stäbe über der Kanzlerin, vom Mikado bis Kantholz. Merkel betreibe die „Entmachtung des Rechtsstaates“, setze Recht, indem sie geltendes Recht ignoriert, sei eine Pioniergestalt beim Abräumen demokratischer Standards. Ihr Projekt: „die Ablösung der Demokratie durch eine internationale Weltregierung vorzubereiten“. Ausräumen, umräumen, abräumen!

Kurz: Merkel, der Superstar, ist „eine Regentin mit autistischen Zügen“, ihr Erfolg „die absurde Karriere einer hoffnungslos überschätzten Dilettantin, die aus jedem Handicap einen Glamourfaktor machte.“ „‘Merkel was here‘ singen die deutschen Wälder“: Das Wild ist erlegt. Jagdsignal Hirsch tot.

Wenn Bücher töten könnten!

Gegen Höhlers Wutausbruch war mein Bekenntnis von 2011, mich im Falle Angela Merkels zu ihren Gunsten geirrt zu haben, ein laues Lüftlein. Also immer feste druff, gnädige Frau! Ich bin dabei! Aber hätte es dafür ein ganzes Buch gebraucht?

Die Professorin kontert Merkels eher schlichte Sprache mit enormer Wortgewalt, da rollt jeder Satz wie eine Lawine zu Tale und erschlägt die paar triftigen Gedanken, die unterwegs aufkreuzen. Irgendwann schwindet das Vergnügen an inhaltlich identischen Boshaftigkeiten in variierendem Sprachspiel. Ein Drittel der 351 Seiten hätte auch genügt und seinen Zweck erfüllt: das Requiem auf eine Kanzlerin zu sein, die zur Abrissbirne Deutschlands geworden ist.

Denn in vielem hat Gertrud Höhler ja recht. Nur fehlt es ein wenig an analytischem Unterfutter – Höhler beruft sich da, wo sie erklären müsste, am liebsten auf die eigenen vergangenen Werke, die hier noch einmal in den Brei gerührt werden.

Angela Merkel kommt aus der DDR, hat also gelernt, dass alle Regelwerke vergänglich sind? Gewiss, das erklärt womöglich die Leichtigkeit, mit der sie darüber hinweggeht. Sie will ein neues Menschenbild? Sicher, das wollen die meisten Globalisierer. Schon in der DDR war der Kampf gegen Rechts Priorität? Stimmt, daraus hat allerdings nicht nur Merkels CDU gelernt.

„Zukunftsagentin auf einer Epochenfuge“

Über Höhlers Hauptthese aber ließe sich sinnvoll reden, wenn sie mehr als eine These wäre: Angela Merkel sei mit dem Oberteufel der digitalen Götterwelt im Bunde, als den Höhler Mark Zuckerberg enttarnt hat, und das gemeinsame Ziel sei eine „multipolare Weltordnung, die ökonomisch nicht mehr Marktwirtschaft und in ihren ethischen Standards nicht mehr demokratisch sein wird“. Adieu, kulturelle Differenzen und Nationalstaat.

Die zunehmende Überführung der Bürger in Sozialstaatsabhängigkeit kann man gewiss als Indiz dafür nehmen, ebenso den Angriff auf ursprüngliche Solidaritätsformen wie die Familie. Damit sind wir aber noch nicht beim Menschen als digitalem Datenträger angelangt, zumal der Kampf um kulturelle Identität oder gar die Beliebtheit des Nationalstaats weltweit, außer in Deutschland, zugenommen hat. Und warum Zuckerberg, warum nicht Jeff Bezos?

Egal. Angela Merkel als „Zukunftsagentin auf einer Epochenfuge“, die uns „präpariert für die Übernahme durch Maschinen ohne Seele“, ist auf jeden Fall eine eindrucksvolle These. Leider schnurrt sie zum Schluss zusammen wie das ganze Werk. Denn wer oder was steckt hinter dieser sinistren Figur, die einen „hohen Verschleierungsbedarf“ hat, derweil sie derart Weltumstürzendes anstrebt? Mark oder Jeff oder ein Algorithmus? Achwas. Eine Büroleiterin namens Beate Baumann, BBB also, sie ist „die dunkle Seite der Macht“. Der Beweis: eine in die Jahre gekommene Reportage aus dem „Stern“. Recht haben wir also, wenn wir uns vor solcher Frauenpower fürchten...

Kurz: Das Buch enthält ein paar starke Aussagen, verloren in einer wolkigen Suada, garniert mit ein paar englischen Blähwords aus der Unternehmensberaterszene. Vor allem aber fehlt der Analyse das, was viele Bürger in Deutschland womöglich am meisten interessiert: Wie sich das Agieren der so trefflich abgewatschten Kanzlerin auf das eigene Leben auswirkt, kurz: Wer den Preis zu bezahlen hat. Das scheint die eine ebenso wenig zu interessieren wie die andere.

 

„Angela Merkel. Das Requiem“ von Gertrud Höhler, 2019, Berlin: Ullstein, 351 Seiten, hier bestellbar.

Foto: Pixabay

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E. Albert / 19.01.2020

Ich habe auch jedesmal einen Wutausbruch, sobald die Sprache auf das Ding aus der Uckermark kommt. - Und dann gibt es tatsächlich Leute, die mich fragen, wer es denn sonst machen solle?! Früher habe ich dann noch lang und breit ausgeholt, heute drehe ich mich nur noch um und gehe…es hat einfach keinen Zweck. Bei soviel Ignoranz gegenüber des mittlerweile unübersehbaren Schadens für unser Land und wer diesen zu verantworten hat, verliere ich sonst meine gute Kinderstube…

marcuse von absencron / 19.01.2020

Na, ich nehme Gertrud Hoehler das Werklein nicht uebel. Schliesslich war sie eine der Ersten, die hellsichtig den autoritaeren Fuehrungsstil u. die damit einhergehende umfassende Erosion demokratischer Institutionen „entlarvte“, als die Vielzahl noch ergeben im „Mutti befiehl, wir folgen dir“ verharrte, da eine Physikerin ja alles vom Ende her denke ... Es gibt ausserhalb von scientific communities eben doch Stimmen oder Meinungen, die das Unsagbare benennen (-; ... U. so ganz abwegig ist der Zeitpunkt der jetzigen Publikation auch nicht: bestimmt kriechen bald wieder die Pofallas, Polenze, Kauders, DeMisereres usw. aus ihren Loechern hervor, um zu raunen: aber wir haben doch die weltbeste aller Musch … aeh, Muttis, sry, die sowas von praedestiniert ist, uns auszupeitschen … aeh, nee, in die gruenlinks-schwarze Koalition durchs naechste Jahrzehnt zu fuehren …. U. warten Sie mal ab, ploetzlich gibt es auf der CDU-Bundesdelegiertendingsbums wieder minutenlang Standing Ovations fuer diese totgesagte Totengraeberin, u. hinterher weiss keiner, wie‘s geschehen konnte … Die Zeichen mehren sich: es ist an der Zeit, die dt Christdemokratie endgueltig zu Grabe zu tragen. Moegen sich endlich neue Parteien konstituieren, um die gesellschaftspolitischen Vakua zu fuellen …

Gudrun Dietzel / 19.01.2020

Wer sich, wie ich, quälend die Frage stellte, warum ist Merkel da, wo sie heute ist, und warum hat KEINER, auch der Souverän, bis heute nichts gegen diese Frau unternommen, wird in Gertrud Höhlers Buch fündig. Die Analyse ist atemberaubend klar, man muß die 351 Seiten nur mit großer Aufmerksamkeit zu Ende lesen. Die Kaiserin wird nackt gemacht, Frau Stephan! Der Mund bleibt einem offen stehen. Und man fragt sich: Was tun? Diese Frage kann nur der Souverän beantworten. Auf Merkels Mitläufer in ihrer und anderen Parteien ist nicht zu hoffen.

Richard Loewe / 19.01.2020

Vielleicht lesen es ja einige Trottel, die die Partei Merkels und Hoehlers waehlen und glauben, dass da irgendetwas Christlich-Demokratisch-Soziales drin waere und waehlen dann eine Alternative. Die Ueberschrift Zickenkrieg finde ich deplaziert: Hoehler ist ein gutaussehende Grande dame, waehrend Merkel so gut aussieht wie Wehner und so elegant ist wie Altmaier. Und nur eine der beiden duerfte wie eine Ziege riechen.

Ursula Horvath / 19.01.2020

Wie Recht hatte Heinrich Heine, als er in “Deutschland ein Wintermärchen”  schrieb, “Denk ich an Deutschland in der Nacht, bin ich um den Schlaf gebracht”. Ja ich ebenfalls und wie schon geschrieben wurde, kann man sich nur über die Mehrheit der Deutschen nicht wundern sondern maßlos aufregen. Ein solch dummes Volk trotz Bildung, gibt es nicht ein zweites Mal auf Erden, Beifall klatschen zu jeden Schwachsinn den ein/e führende Politpersönlichkeit von sich gibt, ist das erbärmliche Hobby unseres Volkes! Sollte es ein zweites Leben geben, dann sage ich den Lieben Gott,  “Niemals wieder zu den Deutschen” dort besteht das Leben aus Kadavergehorsam und Klatschorgien, falls man gerade mal nicht malochen muss, um den Eliten des Landes,  ihr konfortables Leben zu erhalten. Das Land ist schon verloren, die Globalisten werden es hemmungslos ausrauben und auf die Meinung der Bürger pfeiffen!

Chr. Kühn / 19.01.2020

Hitler hatte Bormann. Merkel hat Baumann. Historische Parallelen? Eher historische Überkreuzungen, bzw. Auf’s-Kreuz-Legen. Urban Priol hatte das schon 2010 mal gekonnt persifliert. Die beiden haben ein ganzes Land gekapert, weil auf’m Abi-Ball keiner mit ihnen tanzen wollte.

Renate Bahl / 19.01.2020

Sehr geehrte/r N. Reher, Merkel ist natürlich das Grundübel, keine Frage. Aber ohne die vielen eierlosen Wasserträger um sie herum und die vielen Wähler, die offensichtlich nachwievor hinter ihr stehen,  hätte sie doch niemals so viel Macht erzielen können. Aber die Politschranzen wollen ihren Platz am wohlgefüllten Futtertrog nicht verlieren. Mir wird noch immer speiübel wenn ich nach ihren nichtssagenden Reden (CDU- PARTEITAG) sehe, wie sie minutenlang standing ovations bekommt! Auch von der Werteunion, das sind Heuchler vor dem Herrn. Ich weiß nicht, wen ich mehr verachte: AM oder die Menschen, die sie wählen…..

Volker Seitz / 19.01.2020

Lieber die unübertroffenen Bücher von Phillip Plickert und Ferdinand Knauß lesen. Dort wird das Phänomen Merkel exzellent beschrieben.

Michael Scheffler / 19.01.2020

Merkel war weder Investor SED noch in Blockparteien, merkt Euch das! Das ist nämlich das eigentlich Perfide. Ein klassisches U-Boot…

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