Chaim Noll / 28.09.2021 / 12:00 / Foto: Imago / 81 / Seite ausdrucken

Zentralrat ohne Juden

Ein Vorstandsmitglied erzählte mir, die Hälfte seiner jüdischen Gemeinde wolle AfD wählen. Der Zentralrat der Juden rief gerade zur Bekämpfung dieser Partei auf. Finde den Fehler.

Vor einigen Tagen traf ich einen alten Bekannten, Vorstandsmitglied in einer jüdischen Gemeinde in Deutschland. Weitere Details behalte ich für mich, weil ich um die Rigidität und Rachsucht der Mitglieder des „Zentralrats der Juden in Deutschland“ weiß. Wir sprachen über die Situation seiner Gemeinde, über den Mitgliederschwund, das Abwandern der Jugend, die es leid ist, als Dekoration für staatliche Trauer- und Gedenkveranstaltungen herzuhalten, während in Wahrheit nichts für sie getan wird. Das von der Bundesregierung gezahlte Geld verbrauche der Zentralrat für sich und seine Selbstdarstellung, für den Unterhalt seines Apparats und seiner Funktionäre. Die Stimmung in seiner Gemeinde sei desolat, sagte mein Freund, man erwarte nichts Gutes von den etablierten Parteien. Etwa die Hälfte der Mitglieder würden am 26. September die AfD wählen.

Indessen fühlt sich der „Zentralrat der Juden in Deutschland“ verpflichtet, zur Bekämpfung ebendieser Partei aufzurufen. Seine neueste Erklärung nach der Bundestagswahl verlangt, „die AfD aus dem Bundestag und aus allen Landesparlamenten zu verbannen.“ Wir wollen uns nicht bei Kleinigkeiten aufhalten wie der, dass es einen peinlichen Mangel an Demokratieverständnis offenbart, eine demokratisch gewählte Partei aus den Parlamenten „verbannen“ zu wollen. Amüsante Wortwahl: Den Bann, hebräisch cherem, gab es tatsächlich einst im Judentum, er wurde von Rabbinern und Vorständen gegen Abtrünnige, Gesetzesbrecher und Herätiker ausgesprochen. Er ist heute, im Zeitalter vieler pluralistischer Gemeinden, wirkungslos. Der Zentralrat, ganz auf starren Zentralismus programmiert, hat das offenbar noch nicht begriffen.

Er müsste dann auch einen beträchtlichen Teil der Mitglieder seiner Gemeinden „verbannen“, denn die AfD wird von vielen deutschen Juden gewählt. Sie gilt ihnen als die einzige Partei, die ihr existenziell drückendstes Problem benennt und angeht: die Bedrohung der deutschen Juden durch militante Muslime. Etwa 9.300 jüdische Kinder gibt es noch in Deutschland, Tendenz fallend, dank der Unfähigkeit des hoch dotierten Zentralrats, den ihm unterstehenden Gemeinden eine Zukunft zu sichern. Diesen paar tausend jungen Juden steht eine halbe bis ganze Million junger Muslime gegenüber, auf Schulhöfen, in Nahverkehrsmitteln, im öffentlichen Raum. Ohne Leibwächter und gepanzerte Limousinen, wie sie die Zentralrats-Funktionäre zu ihrem Schutz beanspruchen. Wenn es so weitergeht, wird sich das Problem des Zentralrats mit der AfD erübrigen, weil es keine Juden mehr in Deutschland gibt, die diese Partei wählen könnten. Und der Zentralrat darf sich ganz seiner gefühlten Aufgabe zuwenden: Sprachrohr der Bundesregierung zu sein, bei Fuß zu sitzen für weitere Weisungen.

Foto: Imago

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Leserpost

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Chr. Kühn / 28.09.2021

Am Ende werden sich AfDler, Juden und andere Quer- bzw. Selberdenker in ein und dem selben Lager wieder finden. Und über dem Tor wird eine Raute zu sehen und die Worte “Impfen macht frei!”. Oder so ähnlich.

H.Milde / 28.09.2021

Sehr geehrter Herr Noll. Vielleicht ist auch dieser ZR aus/mit den gleichen Begründungen entstanden, wie einige zT untergroße, physisch überpräsente und/oder bunte Politdarsteller es vorgeben in die Politik gegangen zu sein? Hat der ZR sich auch ein warmes Plätzchen in New-Wandlitz gesichert, in Sicht-, und Rufweite von der # der Herzen, und des -nicht mein- Bundespräserdenten? Sorry, für den Zynismus…. Btw. wie sieht es eigentlich mit der Klage gegen Ex-PM Netanjahu in Den Haag aus, wg. Verstoß gegen Nürnberger Kodex´47 ?  P.S. Ihre mahnenden und eindringlichen Schreiben erinnern mich irgendwie an Thomas Mann Reden an “Deutsche Hörer”.

Andreas Müller / 28.09.2021

In einem Vortrag habe ich Hans Küng mal sagen hören, katholische Bischöfe würden erst etwas merken, wenn es in der Hierarchie unterhalb von ihnen niemanden mehr gebe. Offensichtlich ist Chaim Noll in Bezug auf den Zentralrat da nicht so optimistisch.

Konrad Goecke / 28.09.2021

Lieber Herr Chaim Noll „… während in Wahrheit nichts für sie getan wird.“ Dies ist kein Alleinstellungsmerkmal des Zentralrates der Juden. Das erlebe oder besser erleide ich in diesem Staat, seit ich um mein Vermögen gebracht worden bin. Beweise, dass Wirtschaftskriminalität der Grund ist, liegen in Staatlichen Archiven einschließlich der der EU-Kommission. Seit fast 20 Jahren versuche ich, an die beweisenden Unterlagen heranzukommen. Absolut vergeblich. Zuletzt schrieb mir die EU, dass man mir keinen Zugang gewähren könne, da kein öffentliches Interesse vorliegt. Wenn man weiß, dass ich nicht nur um meine gesamten Lebenseinkünfte beraubt worden bin, sondern auch der Steuerzahler über den Staat (Subventionen, denen die EU-Kommission zustimmen musste) um mindestens 20 Millionen EUR von Wirtschaftskriminellen beraubt worden ist, dürfte die Frage, wo das öffentliche Interesse liegen mag, sich selbst beantworten. Das Interesse des Staates ist, an die Leistungen seiner Bürger zu bekommen und mit diesem Geld dann die zu subventionieren, die seine Macht in irgendeiner Weise stützen und stärken. Bei mir sieht die Sache so aus, dass in den Archiven höchstwahrscheinlich Beweise auch dafür vorliegen, dass eine staatliche Organisation (Treuhandanstalt) mit den Kriminellen zusammengearbeitet hat. Ein möglicher Großskandal, der zu verhindern ist. Am Staat wird sich nicht viel ändern, er wird mauern, solange es geht, aber, so meine Hoffnung am öffentlichen Interesse für dieses Staatsversagen.

Michael Stoll / 28.09.2021

Mit Erstaunen nehme ich immer wieder zur Kenntnis, mit welcher Verbissenheit der Zentralrat der Juden die AfD angreift, die einzige Partei, die sich uneingeschränkt für Israel und auch für die Juden in Deutschland einsetzt. Da ich mich frage, wer sind diese Leute und durch wen oder was sind sie legitimiert, habe ich bei Wikipedia nachgeschaut. Der Zentralrat der Juden in Deutschland (ZdJ) ist eine “Körperschaft des öffentlichen Rechts” und ist damit “eine mit öffentlichen Aufgaben betraute juristische Person des öffentlichen Rechts, deren hoheitliche Aufgaben ihr gesetzlich oder satzungsmäßig zugewiesen worden sind”. Er hat verschiedene Organe und vertritt laut Wikipedia etwa 100.500 Mitgliedern in 105 Gemeinden. Zumindest scheinen die verantwortlichen Personen, wie z.B. Herr Schuster, nicht von oben eingesetzt, sondern durch demokratische Verfahren (Wahlen, Delegierte) legitimiert zu sein. Könnte mich mal bitte jemand aufklären, wie es sein kann, dass (angeblich) die Hälfte der Juden die AfD wählt, zu Recht finde ich, während die legitime (?) Vertretung der Juden, in der AfD und nicht in der, durch alle “Altparteien” forcierten Islamisierung, die Hauptgefahr für die Juden in Deutschland sieht. Ich verstehe das einfach nicht.

Marc Blenk / 28.09.2021

Lieber Herr Noll, ich wünsche mir für die deutschen wie nichtdeutschen Juden in Deutschland eine dezentrale Organisation, dass aber darüber hinaus eine neue gemeinsame Interessenvertretung geschaffen wird, wo sich laut und deutlich geäußert wird (und werden kann), damit “das Abwandern der Jugend, die es leid ist, als Dekoration für staatliche Trauer- und Gedenkveranstaltungen herzuhalten, während in Wahrheit nichts für sie getan wird”  doch noch gestoppt werden kann. Und Deutschland sollte in den sportiven Wettstreit eintreten, wo es darum geht, den für Juden sichersten Ort auf Gottes Erden zu ermitteln. Und am Ende, es kann ja nur einen Sieger geben, würde es heißen “Weltmeister sammer”. Dieses Ziel stünde meinem Land gut zu Gesicht. Ganz ohne salbadernde Worte und hündischem Betroffenheitsblick, dem niemanden etwas nützt. Sie sehen, ich träume Tag. Sich einfach die Frage stellen, was erforderlich ist, damit Juden hier sicher und frei leben können, gehörte genauso zum Trainingsprogramm wie die realistische Einschätzung der Gegner. Dann könnte man sich auch die gut dotierten Antisemitismusbeauftragten sparen, von denen ich glaube, dass sie noch keinem Juden in Deutschland je ein besseres und sichereres Gefühl gegeben haben. Die jungen Juden werden sich sicher gut überlegen, welchen politischen Kräften es zuzutrauen ist, das Land für Juden sicherer zu machen. Die Kräfte, die seit Jahren Deutschlands Geschicke bestimmen, haben das Leben der Juden ganz objektiv jedenfalls unsicherer gemacht.  

Gert Gatzen / 28.09.2021

Von Eltern stammend, die noch als Kinder die Nazizeit in politisch eher desinteressierten Kreisen (Bauern) erlebt haben, war ich zunächst neutral gegenüber Juden aufgestellt. Ich wußte nicht, was das war und es interessierte mich als Kind auch nicht. Wir erfuhren in der Schule dann über das entsetzliche Schicksal der Angehörigen dieses Glaubens im dritten Reich. Unvergesslich eine alte jüdische Frau, die, von unserer Schule eingeladen, von ihren eigenen Erfahrungen in einem Konzentrationslager erzählte. Ein sehr zierliche, zerbrechlich wirkende Dame, völlig ohne Hass und mit freundlichem Blick auf uns Kinder. Unvorstellbar in dem Kontext, der ihre Erzählung dazu lieferte. Sie war sehr nett und jemand, der auch meine Oma hätte sein können. Aber dann wurde ich älter und ich begann, via ARD und ZDF am politischen Geschehen teilzunehmen. Und da tauchte er dann auf; der “Zentralrat der Juden”. Mir wurde erzählt, daß ich “nie vergessen dürfe”! Ich dürfe Sachen, die ich nie veranlasst, nie befürwortet und nie gutgeheißen habe, “nie vergessen!” Sachen, die Jahrzehnte vor meiner Geburt passiert sind. Immer und immer wieder “nie vergessen!” Langsam ging mir das auf die Nerven; spätestens dann, als sich der Zentralrat mit einem Menschen, der, wie ich, den Holocaust selbst aufgrund der Gnade der späten Geburt nie erlebt hatte, immer wieder politisch in den Vordergrund drängte und sich als moralische Instanz aufspielte. Ein Mensch, der ein unangenehmes und selbstgerechtes Auftreten hatte und den man auf jiddisch einen “Schmock” nennen würde. Spätestens da hatte ich vom Judentum in Deutschland die Nase voll. Ich kannte keinen einzigen Juden persönlich, mußte mich aber von diesem Vorsitzenden permanent beschimpfen und “mahnen” lassen. Meiner Erinnerung war er es, der die Nazifizierung von Andersdenkenden mit dem Ziel des politischen Geländegewinns erst in Deutschland medial eingeführt hat. Es hat Jahre gedauert, bis ich das Judentum von diesem Verein getrennt betrachtet habe.

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