Von Andreas Zimmermann.
Gegenwärtig wird viel über das Medikament Paxlovid zur Behandlung von Corona-Erkrankungen gesprochen. Was ist das für ein Mittel, was bewirkt es, sollte man es einnehmen?
SARS-CoV-2 hatte als Virus nie die Gefährlichkeit von Influenza Stamm A H1N1pdm09/ Stamm B Yamagata, die 2017/18 endemisch waren und es auf eine Infection Fatality Rate von drei Promille brachten. Die heutigen endemischen Varianten sind so gefährlich wie das Rhinovirus, der gemeine Schnupfenerreger.
Doch wie Kollegen berichten, sollen Anreize geschaffen werden, um die Verschreibung und Einnahme des gegen SARS-CoV-2 gerichteten Medikaments Paxlovid zu verstärken, das Mittel soll unter die Leute kommen.
Was ist das für ein Mittel, was bewirkt es, sollte man es einnehmen?
Paxlovid ist eine Fixdosiskombination aus den Verbindungen Nirmatrelvir (150 mg) und Ritonavir (100 mg), einem Virostatikum und einem Enzyminhibitor. Nirmatrelvir ist ein Proteaseinhibitor und hemmt in vitro das Enzym 3-Chymotrypsin-like Protease (3CLpro), ein virales Protein von SARS-CoV-2, das für die Verarbeitung (posttranslationale Modifikation) von SARS-CoV-2-Virusproteinen zu deren Reifung wichtig ist. Ritonavir ist ein Hemmstoff des Enzyms Cytochrom P450 CYP3A4, das Proteinaseinhibitoren wie Nirmatrelvir in der Leber abbaut. Durch die Kombination der beiden Wirkstoffe wird die Wirksamkeit von Nirmatrelvir stark verlängert. Der Preis dafür sind vielfältige Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten, die ebenfalls von CYP3A4 abgebaut werden und deren Serumspiegel unter Ritonavir ansteigt, was zu Vergiftungen führen kann, wenn deren Dosis nicht angepasst wird. Das Pharmakon ist in der EU bedingt zugelassen, in den USA hat es eine Notfallzulassung.
Keine Datengrundlage für die Zulassung
Eine Datengrundlage für die Zulassung fehlt, wenn man genau hinschaut. Es gibt bislang nur eine prospektive, randomisierte Doppelblindstudie, die in dieser zulassungsrelevanten Publikation beschrieben wird. Die Kliniker randomisierten von gut 2.200 frisch mit SARS-CoV-2 infizierten, symptomatischen, aber nicht hospitalisierten Patienten in schlechtem Grundgesundheitszustand (mit hohem Hospitalisierungsrisiko) eine Hälfte auf eine Gruppe, die Paxlovid in der Dosierung 300 mg Nirmatrelvir plus 100 mg Ritonavir erhielt, die andere Hälfte auf eine Placebogruppe. Dabei wurde eine Risikoreduktion bei der Einnahme von Paxlovid festgestellt: Es ergab sich eine leichte Risikoreduktion in der Paxlovidgruppe (3 von 389 Patienten in deren Gruppe wurden hospitalisiert, in der Placebogruppe wurden 20 von 385 Patienten hospitalisiert, 7 starben).
Die Studie hat einige Schwächen, auf die Chen und Wei hingewiesen haben: Keine Analyse anderer Kovariablen, die das Outcome verändern könnten und Ausschluss aller Patienten mit künstlicher Immunisierung gegen SARS-CoV-2 (sog. „Impfung“) oder bekannter COVID-Vorerkrankung. Desweiteren dürfte das Kriterium „Hospitalisierung wegen SARS-CoV-2“ weich sein, ein Kriterium „Hospitalisierung aus irgendeinem Grund“ wäre sinnvoller gewesen. Die entscheidende Schwäche, die Chen und Wie übersehen haben oder nicht berichten wollten, ist aber die Tatsache, dass für Patienten, bei denen zu Beginn der Studie bereits Antikörper gegen SARS-CoV-2 nachgewiesen werden konnte, kein Effekt der Behandlung nachweisbar ist (Abbildung 2c).
Der ganze in der Studie gemessene Effekt wird nur in absolut SARS-CoV-2 naiven Patienten erzielt, die es in der Wirklichkeit kaum noch gibt. Wer „geimpft” ist oder schon mal mit dem Virus Kontakt hatte (auch in relativ alten und sehr kranken Patientengruppe, die in der Studie untersucht wurden, dürften die meisten Verläufe asymptomatisch sein, was erklärt, warum seropositive Patienten in die Studie aufgenommen wurden) und Antikörper dagegen hat, profitiert nicht von der Therapie. Da aber in OECD-Ländern die Kombination aus Durchimpfung und natürlicher Durchseuchung in dieser Altersgruppe bei nahezu 100 Prozent liegt, sind die Ergebnisse der Studie für eine Zulassung unbrauchbar.
Die Toxizität ist noch nicht gut untersucht
Denn die Studie legt nahe, dass Paxlovid selbst bei den hier untersuchten ziemlich kranken Patienten, die bereits Antikörper gegen das Virus aufweisen, keine Wirkung hat. Sie beweist dies nicht, da sie dafür nicht angelegt war (mangelhafte Wirkung zu beweisen, ist schwierig), doch weisen die Daten zu den seropositiven Patienten stark darauf hin. Eine Zulassung hätte daher nicht erteilt werden dürfen, vor allem nicht in einer Dosierung, die nur halb so hoch ist wie in der Zulassungsstudie. Diese Praxis legt nahe, dass FDA und EMA Daten zur Toxizität vorliegen, die in der Publikation nicht berichtet wurden und sie dazu bewegt haben, die Dosis zu halbieren. Doch wenn schon eine Dosis von zweimal täglich 300 mg über fünf Tage bei bereits immunen Patienten keine Wirkung zeigt, wie soll dann die halbe Dosis wirken?
Retrospektive Studien wie eine soeben veröffentlichte zur angeblichen Wirksamkeit sind unbrauchbar und bieten nur ein sehr schlechtes Evidenzniveau.
Die Toxizität von Paxlovid ist noch nicht gut untersucht, doch interagiert Ritonavir stark mit anderen Pharmaka, die diese kranken Patienten oftmals erhalten. Daher kann eine Gabe ohne Berücksichtigung dieser Wechselwirkungen riskant sein. Schon dieses Risiko, das in der Praxis häufig auftritt, weil die Verschreibungen durch unterschiedliche Ärzte vorgenommen werden, kann angesichts der Wirkungslosigkeit des Pharmakons nicht in Kauf genommen werden. Außerdem dürfte Nirmatrelvir wie alle Proteinkinaseinhibitoren bei chronischer Gabe zelltoxisch wirken, doch spielt dies bei einer Behandlungsdauer von fünf Tagen keine große Rolle. Immerhin ergab die Studie, dass Paxlovid zu vorübergehendem Geschmacksverlust, Übelkeit und Durchfall führt wie andere zytotoxische Medikamente auch. Wäre das Medikament wirksam, würde man diese Wirkungen bei kurzer Einnahme jedoch in Kauf nehmen.
Warum?
Es ist insgesamt absurd, dass eine Klasse von Pharmaka, die für die Therapie tödlicher Virusinfektionen wie Hepatitis C oder für die Krebstherapie eingesetzt werden, nun zur Therapie eines Schnupfenvirus zugelassen werden. Schon die Studie selbst hätte niemals genehmigt werden dürfen, weil die therapeutischen Mittel dem pathophysiologischen Anlass nicht angemessen sind.
Warum wird ein Pharmakon, das seinen therapeutischen Zweck mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht erfüllt und zumindest pharmakokinetisch (hinsichtlich der Wechselwirkungen) problematisch ist, zugelassen? Weil es für die Aufrechterhaltung des Narrativs, COVID sei gefährlich und man benötige dagegen starke, oral wirksame Medikamente, benötigt wird.
So gefährlich, dass man Zellgift für ein Schnupfenvirus einsetzen muss.
Cui bono? Dem Hersteller sicherlich, doch der gesamtgesellschaftliche Sinn wird sich erst später erschließen und vor allem anhand von bislang unbekannten Quellen beweisen lassen.