Wir schwärmen für Wotan Wilke Möhring, meine Frau und ich, auch ihre beste Freundin und ihr Mann, mit denen wir den sonntäglichen „Tatort“ über uns ergehen ließen, nennen ihn zärtlich WoWiMö. Er ist immer so nachdenklich, so verletzlich, vor allem, wenn er die harten Kerle spielen muss, denn Nick Tschiller ist offenbar aufgrund seines durchschlagenden Erfolges bekanntlich gerade ausgefallen.
Und dass WoWiMö diesmal als Kommisar Falke im Zentrum des Rechtspopulismus ermittelt, dabei auch gegen eine linke, gar ex-rechte Aktivistin, stellt ihn gleich ins Zentrum der Hüter einer nachdenklichen, verletzlichen Demokratie wider den Extremismus. Wir lernen auch, dass linke, ex-rechte Aktivistinnen sexy sind, und dass Jugendliche eine Wehrmachts-Ordonanzwaffe, eine „Luger“ P08 Kaliber 7,65 bevorzugen, wie jene, deren Reste einst ein Kumpel von mir in völlig verrostetem Zustand nicht im „Darknet“, sondern auf dem Gebiet der ehemaligen Reichskanzlei fand – oder ist es doch eine 9-mm-Para?
Wie dem auch sei, am Ende ist WoWiMö schneller, wie in seiner wundervoll gebrochenen Rolle als am deutschen Wesen genesener Old Shatterhand. Gewalt ist ihm immer nur letztes Mittel, und so setzt er den finalen Kopfschuss ins Hirn der attraktiven Aktivistin, so dass die einem glatt leid tut, und er schreit – mit angemessener Verzögerung – nach Notarzt und Rettungswagen, der letzte echte Lacher dieses dunkeldeutschen Machwerks. Und Lacher, davon gibt es so einige in diesem „Tatort“.
In einem Multikulti-Stadtteil voller Harmonie aufgewachsen
Zunächst: das Übliche. Natürlich ist Kommissar Falke in einem Multikulti-Stadtteil voller Harmonie aufgewachsen, vor dreißig Jahren, als er sich dort als einziger Deutscher zum Boxsport angemeldet hat. Das nennt man Erfahrung, und das verschaffte ihm den nötigen Respekt. Mädels mit Kopftuch waren in diesem Sportstudio selbstverständlich seit jeher inkludiert – 1987 wahrscheinlich im Bikini, als Nummerngirls zwischen den einzelnen Boxkampfrunden, damals, als der spätere Kommissar noch im Ring stand. Immerhin: der zweite Lacher.
Nächster Lacher: Natürlich ist es gut für Deutschland, wenn man etwas gegen Populisten tut. Gehört der für die Sondierungen mit CDU und CSU kaltgestellte Sigmar Gabriel auch schon dazu, weil er über „Heimat“ und „Leitkultur“ nachdenkt?
Und weitere Lacher: In dem sauberen, dem hellen Deutschland des Kommisars Falke gibt dieser den finalen Schuss in Notwehr ab, völlig gefahrlos, auf eine Person, hinter der in seiner Schusslinie ihr jugendlicher Lover sitzt. Und Nachrichten gibt es natürlich nur mit dem echten Sprecher einer ÖRMA (öffentlich-rechtlichen Medienanstalt). Sie werden völlig authentisch in dem inzwischen ÖRMA-typischen, hohen, aufklärerischen Ton und mit dem verklärten, wasserklaren Blick knapp neben der Kamera vorgetragen, auf den Teleprompter.
Weitere Lachnummern folgen: Nur rechtspopulistische Politiker verdrehen Inhalte, verhalten sich unvorsichtig-kalkulierend, zynisch, konspirativ und korrupt, was also bei anderen demokratisch gewählten Parteien nie vorkommt.
Selbst am Ende dieses also völlig klischeefreien „Tatorts“ kommt man aus dem Lachen nicht heraus, nämlich über die überwiegend positiven Kritiken, sogar in der NZZ: Das geht ein bisschen auf Kosten der Spannung, (…) damit gelingt dem „Tatort“ ein wichtiges Stück Aktualität. So kann man es allerdings auch sehen: Es war langweilig, aber gerade deshalb pädagogisch wertvoll für uns dumme Fernsehkinder.
Maßstäbe werden woanders gesetzt
Ach, WoWiMö, warum lässt Du Dich für so eine Schmierenkomödie verheizen? Da lege ich lieber die DVD noch einmal ein, in der Du wirklich in aller Gebrochenheit glänztest, als harmloser Familienvater, von Skrupeln geplagter Mitwisser und am Ende, durch Suizid, unfreiwilliger Beschützer eines pädophilen Sexualmörders, der auch deshalb nicht erwischt wird, in dem düsteren Baran-bo-Odar-Film „Das letzte Schweigen", in dem die Polizisten so real sind, so nervös, so hilflos.
Die großartige, flapsig-augenzwinkernde Alwara Höfels steigt aus aus dem „Tatort“: "Unterschiedliche Auffassungen zum Arbeitsprozess und ein fehlender künstlerischer Konsens haben nach vielen Gesprächen diesbezüglich dazu geführt, dieses renommierte Format zu verlassen, da ich meine Verantwortung als Künstlerin ansonsten gefährdet sehe".
Alwara Höfels hat offensichtlich andere Vorstellungen und Ziele als die, zweitklassige, unfreiwillig komische Unterhaltungskrimis über erstklassig gewählte und dann grandios verfehlte Themen zu drehen. Auch das ist die Verantwortung des Künstlers.