Mehr und mehr Schwarze, vor allem die der jüngeren Generation, glauben nicht mehr daran, dass es gut für sie sei, die Demokraten zu wählen. Für das ZDF ist der Fall klar: Russland steckt dahinter! Und Schwarze sind willenlose Objekte der Manipulation...
Schwarze Männer seien naiv und würden leicht auf „Desinformation“ hereinfallen – diesen kaum verhüllten Rassismus verbreitet ZDF-„Faktenchecker“ Nils Metzger im Zusammenhang mit dem amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf („Desinformation für junge Männer: Wie Fake News Schwarze US-Wähler beeinflussen“).
Der Hintergrund: Schwarze Wähler in den USA favorisieren laut Meinungsumfragen nicht mehr so stark die Demokratische Partei, wie das noch die Generation ihrer Eltern und Großeltern tat. Das versetzt die Unterstützer der Demokraten in einige Unruhe, wie wir im Juni berichteten. Damals war Joe Biden der allgemein erwartete Kandidat.
Mittlerweile ist Vizepräsidentin Kamala Harris die Kandidatin der Demokraten für die Wahl im November. Doch Demoskopen sehen keine Trendwende, sondern erwarten weiterhin, dass sie bei Weitem nicht die 88 Prozent der Stimmen der schwarzen Wähler bekommen wird wie John Kerry 2004; schon gar nicht 95 Prozent wie Barack Obama vier Jahre später, und auch keine 89 Prozent wie Hillary Clinton 2016 oder 87 Prozent wie Joe Biden 2020 (Zahlen laut Nachwahlbefragungen durch Meinungsforscher).
Um die Wahlen zu gewinnen, benötige Harris unter schwarzen Wählern einen Vorsprung vor Trump von 85 Prozentpunkten, zitierte Newsweek Anfang September den Direktor des Suffolk University Political Research Center, David Paleologos. Tatsächlich habe sie laut Umfragen aber nur einen Vorsprung von 64 Punkten (76 Prozent zu 12).
Andrea Benjamin, Professorin für African-American Studies an der Universität Oklahoma, sagte dem Magazin, Harris müsse schwarze Männer davon überzeugen, dass ihre Vorschläge zur Wirtschaftspolitik ihnen nützen würden. Das klingt nach gesundem Menschenverstand. Denn junge schwarze Männer wollen zum großen Teil das Gleiche wie junge weiße Männer: einen Job, mit dem sie eine Familie ernähren können. Rapide steigende Lebenshaltungskosten haben das in den letzten vier Jahren seit dem Amtsantritt der Regierung Biden/Harris schwieriger gemacht. Darum drohen Harris Wähler abhanden zu kommen, die die Demokraten fest eingeplant hatten.
„Warnsignal für den Wahlkampf“
Sie „betrachten den schwachen Rückhalt schwarzer Männer als Warnsignal für den Wahlkampf“ von Kamala Harris in wahlentscheidenden Staaten wie Georgia, berichtete die New York Times vor wenigen Tagen. 26 Prozent der Schwarzen unter 50 wollen für Donald Trump stimmen, meldet die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf eine Umfrage der afroamerikanischen Bürgerrechtsorganisation NACCP. Das wäre wohl für die USA das, was man ein „politisches Erdbeben“ nennt. Die New York Times zitiert Fred Hicks, einen als Stammwähler der Demokraten vorgestellten Schwarzen aus dem Bundesstaat Georgia mit den Worten:
„Sie sind jung, sie sind unbeständig in ihren Meinungen und ihren Wahlentscheidungen und sie haben nicht von Natur aus dieselbe Loyalität zur Demokratischen Partei wie beispielsweise ihre Eltern. Das macht mir nicht nur im Hinblick auf die Wahlen 2024 Sorgen, sondern ich denke, die Republikaner könnten in den nächsten 20 Jahren davon profitieren.“
Laut diesem Bericht zeigten Interviews „mit mehr als einem Dutzend schwarzer männlicher Wähler, Meinungsführer und Strategen", dass die abnehmende Unterstützung der Demokraten bei schwarzen Männern eine „allgemeinere Frustration“ darüber widerspiegelte, „dass die politische Partei, die sie lange unterstützt haben, nicht mehr für sie arbeitet“. Das eröffne Trump und der Republikanischen Partei die Möglichkeit, um ihre Wählerstimmen zu werben.
Mit anderen Worten: Mehr und mehr Schwarze, vor allem die der jüngeren Generation, glauben nicht mehr daran, dass es gut für sie sei, die Demokraten zu wählen. Zumindest nicht immer. Aus manchen Stammwählern werden Wechselwähler. Sie wägen ihre Interessen ab und überlegen, welche Politik geeignet ist, ihr Leben besser zu machen. Mehr als früher entscheiden einige sich für Trump, während die meisten weiterhin für die Demokraten stimmen werden. Das klingt alles ziemlich normal.
Doch so sieht es nicht Nils Metzger, der Faktenchecker des ZDF. Es ist jener Metzger, der im Februar 2021 einen diffamierenden und inzwischen vom ZDF gelöschten Beitrag über den Hamburger Professor Roland Wiesendanger wegen dessen Studie zu einem möglichen Laborursprung von SARS-CoV-2 schrieb, mit dem Titel: „Uni Hamburg verbreitet fragwürdige Theorie“.
ZDF suggeriert Verschwörung mit Russland
Metzger will die Leser davon überzeugen, dass es nur einen guten Grund geben könne, warum die Zustimmungswerte der US-Regierung unter schwarzen US-Bürgern sinken. „Zentral“ dafür seien „Falsch- und Desinformationen im Netz, die sich gezielt an die Black Community richten.“ Einige davon kämen „direkt oder indirekt aus Russland".
Metzger beruft sich auf Erkenntnisse der Organisation Onyx Impact. Diese habe „in einer Studie von Juni untersucht, wie sich Falschinformationen in der Schwarzen Community in den USA verbreiten“. Auf der Website von Onyx Impact wird nur eine einzige Mitarbeiterin vorgestellt: Esosa Osa, die „Gründerin und CEO“ des Unternehmens. Sie hat für die Finanzkonzerne Morgan Stanley und BlackRock gearbeitet, ehe sie sich selbstständig machte – als Wahlkampfberaterin der Demokraten. 2022 war sie laut der Nachrichtenagentur AP eine „hochrangige Beraterin“ der Wahlkampagne der demokratischen Kandidatin Stacey Abrams bei den Gouverneurswahlen in Georgia (die Abrams verlor). Beim diesjährigen Demokratischen Nationalkonvent – dem Parteitag der Demokraten – nahm sie an einer Podiumsdiskussion teil. Das ist alles nicht verwerflich, aber ob jemand mit ihrem Berufsweg als einzige Informationsquelle für einen Artikel über „Desinformation schwarzer Wähler“ im Präsidentschaftswahlkampf taugt? Aus welcher parteipolitischen Richtung eine professionelle Wahlkämpferin der Demokraten ausschließlich „Desinformation“ erwarten wird, dürfte klar sein.
„Maga-Influencer“ „jamaikanischer Herkunft“
Die New York Times gibt in ihrem Beitrag Beispiele dafür, wie die Republikaner per E-Mail-Reklame um die Stimmen von Schwarzen in Georgia werben:
„Die Botschaften waren weitgehend einheitlich: Vizepräsidentin Kamala Harris wurde als ‚gescheiterte Führungspersönlichkeit‘ mit ‚gefährlich liberalen‘ Ansichten zu Kriminalität und Abtreibung dargestellt, und der ehemalige Präsident Donald J. Trump wurde als jemand dargestellt, der in Fragen von Abtreibung und Einwanderung eine ‚vernünftige Agenda‘ vertrete.“
Eine Zuspitzung – auch polemisch – ist bei Wahlwerbung üblich. Aber ist das „Desinformation“? Nur für die, die alles durch die Brille der Demokraten sehen, was bei einer Wahlkampfberaterin der Demokraten naturgemäß der Fall ist. Sie wird schließlich dafür bezahlt. Und Nils Metzger?
Er kann einen „Maga-Influencer“ „jamaikanischer Herkunft“ anführen, der behauptet habe, Haitianer würden Haustiere für Voodoo-Rituale entführen. Das sei eine „rassistische Erzählung“. Für die will Metzger aber nicht jenen Jamaikaner verantwortlich machen, sondern Donald Trump, denn dieser sei ja „auf solche Unterstützer angewiesen, um seit Jahrzehnten gegen ihn bestehende Diskriminierungsvorwürfe herunterzuspielen“. Noch Fragen?
Schwarze als willenlose Objekte
Dann ist da noch die Krise der Masseneinwanderung. Vom Frühjahr 2022 bis August 2024 sind allein in New York City 210.000 Migranten angekommen, „ein zweijähriger Zustrom, der die staatlichen Ressourcen und die Offenheit der Stadt gegenüber Einwanderung strapaziert hat“, wie die New York Times schreibt (die eine Wahlempfehlung für Kamala Harris abgegeben hat). „Es sind Menschen aus aller Welt angekommen, jede Woche zu Tausenden.“
Auch wenn in den USA Republikaner und Demokraten darüber streiten, wie darauf zu reagieren ist, leugnet dort niemand, dass es ein Problem ist, gegen das etwas getan werden muss. Doch Schwarze, die wegen der Migrationskrise ähnlich besorgt sind wie alle anderen Bevölkerungsgruppen, werden von Metzger als unsolidarisch angeprangert. Die „Debatte um Immigration“ werde „auch in der Schwarzen Community intensiv geführt“, schreibt er. Die sei dort aber nicht etwa von Vernunft geprägt, sondern von „Abstiegsängsten“. Die „Trump-Kampagne“ wisse das „auszunutzen“ und versuche, „verschiedene, überdurchschnittlich von Armut betroffene Bevölkerungsgruppen gegeneinander auszuspielen“.
Amerikaner wissen, dass die illegale Masseneinwanderung die zivile Infrastruktur überfordert, ob es sich um Schulen, Krankenhäuser oder sonstige öffentliche Dienstleistungen handelt. Aber wenn Schwarze darüber debattieren, gesteht Metzger ihnen nicht zu, dass sie objektiv und besonnen über Probleme und mögliche Lösungen reden und ihre eigenen Interessen – und die ihrer Kinder – geltend machen. Schwarze handelten kopflos und emotional, suggeriert der Autor. Sie erscheinen nicht als rationale Akteure, sondern als Spielball finsterer Intrigen.
65 Prozent der Schwarzen sehen die Einwanderungspolitik kritisch
Unter Berufung auf einen Bericht des US-Senats von 2019 schreibt Metzger, eine „von Russland betriebene Facebook-Seite“ habe 2016 „Kritik an der damaligen demokratischen Kandidatin Hillary Clinton“ geübt. Metzger weiter: „Es waren Maßnahmen zur gezielten Spaltung und Demobilisierung demokratischer Wähler.“
Wer über Hillary Clinton, Donald Trump und russische Einflussnahme schreibt, der sollte den Durham Report des Justizministeriums von Mai 2023 erwähnen. Darin wird eben jener Wahlkampagne von Hillary Clinton vorgeworfen, den Anschein erweckt zu haben, Trump habe im Wahlkampf 2016 mit Russland konspiriert. Es ist ein Gerücht, das der Durham Report widerlegt. Metzger aber bringt es wieder ins Spiel, wenn er legitime republikanische Wahlwerbung, die sich gezielt an schwarze Wähler richtet, als irgendwie nicht ganz sauber darstellt („bewusste Strategie der Republikaner“) und im gleichen Atemzug nennt wie „Falsch- und Desinformationen“, die „direkt oder indirekt aus Russland" kämen. Das ist just die Art Desinformation, der der erwähnte Durham Report den Boden entzogen hat. Was dem Fass den Boden ausschlägt, ist der Kurzfilm, den das ZDF in den Artikel eingebettet hat. Man sieht Trump, umringt von Polizisten, wie er offenbar gerade aus der Präsidentenlimousine aussteigt. Ein Mann, von dem im Bild nur der linke Arm zu sehen ist, hilft Trump offenbar beim Aussteigen. Der ZDF-Kommentar dazu lautet: „Donald Trump widersetzt sich einer Festnahme.“ Im Zusammenspiel mit dem Bild klingt der Kommentar, als hätte Trump körperlich Widerstand gegen die Polizei geleistet.
Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts PEW sind 65 Prozent der schwarzen Wähler der Meinung, die Regierung mache eine „schlechte Arbeit“ bei der Bewältigung der Einwanderung über die mexikanische Grenze; 40 Prozent fürchten im Zuge der illegalen Einwanderung eine steigende Kriminalität. Man könnte dies einfach so darstellen und Schwarze, die beabsichtigen, für Trump zu stimmen, nach ihren Gründen befragen. Doch Metzger zitiert lieber eine Lobbyistin der Demokraten und diffamiert die schwarzen Wähler als im Grunde unmündige Instrumente einer vermeintlichen Desinformationskampagne, bei der Trump und Putin angeblich die Strippen ziehen. Sachliche Information ist das nicht.
Stefan Frank, geboren 1976, ist unabhängiger Publizist und schreibt u.a. für Audiatur online, die Jüdische Rundschau und MENA Watch. Buchveröffentlichungen: „Die Weltvernichtungsmaschine. Vom Kreditboom zur Wirtschaftskrise“ (2009); „Kreditinferno. Ewige Schuldenkrise und monetäres Chaos“ (2012).