Henryk M. Broder / 08.08.2019 / 06:15 / Foto: Olaf Kosinsky / 103 / Seite ausdrucken

ZDF: Demnächst noch gewissenhafter

Das ZDF, eine der größten öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Europas mit Sitz in Mainz, beschäftigt etwa 3.600 feste Mitarbeiter. Der Betrieb läuft 24/7 von Mitternacht bis null Uhr. Wenn aber der Chef in Urlaub ist, bleiben die wirklich wichtigen Vorgänge einfach unbearbeitet, bis er wieder das Ruder übernimmt. 

So hat es eben eine Weile gedauert, bis eine Anfrage von mir beantwortet wurde. Schauen Sie bitte:

22. Juli, Broder an Bellut

guten morgen, lieber herr bellut,

ich schreibe ihnen aus Virginia, wo ich derzeit eine entziehungskur vom deutschen humor mache. – ein Leser hat mir einen ZDF-spot geschickt, den er auf FB gefunden hat. ich verstehe diesen spot nicht. könnten sie mir bitte sagen, wo sich der witz versteckt und worauf die feststellung "unfickbar seit 1949" anspielt? https://www.facebook.com/147771989635/posts/10157355891579636?s=1290160565&v=e&sfns=mo

beste grüße vom potomac, ihr hb

3. August, Broder an Bellut

guten tag, lieber herr bellut,

am 22. juli habe ich ihnen die unten angefügte mail geschickt und bis heute, 3.8., keine antwort von ihnen bekommen. ich kann verstehen, dass sie bzw. ihre mitarbeiter zeit brauchen, um den Witz zu finden, der sich hinter der auf das GG bezogenen pointe "unfickbar seit 1949" versteckt. aber 12 tage sollten doch genug sein. so lange dauert nicht einmal die produktion des ZDF-fernsehgartens.

bei der gelegenheit – und um ihnen zeit zu sparen – möchte ich sie auch fragen, ob sie eine falschmeldung richtigstellen werden, die klaus kleber im heute journal verbreitet hat, nämlich die, boris johnson habe sich selbst als "durchgeknallten idioten" bezeichnet. die einzelheiten dazu finden sie hier : https://sciencefiles.org/2019/08/02/das-zdf-und-sein-blithering-idiot-claus-kleber-beleidigt-boris-johnson/

ich vermute, die verzögerung bei der beantwortung von zuschaueranfragen hängt damit zusammen, dass sie noch im urlaub sind. ich denke aber, es müsste in ihrem haus jemand geben, der während ihrer abwesenheit ihre post bearbeitet. der sendebetrieb geht ja auch weiter.

mit sommerlich-herzlichen grüßen, ihr hb

7. August, Bellut an Broder

Lieber Herr Broder,

vielen Dank für Ihre Email, die ich hiermit direkt nach meiner Rückkehr aus dem Urlaub beantworten möchte. Die von Ihnen angesprochene Moderation von Claus Kleber bezieht sich auf ein Zitat aus einer BBC-Talkshow von 2010, in der Johnson auf seine Kompetenz als Politiker angesprochen wurde. Johnson antwortete darauf: „You can’t rule out the possibility that beneath the elaborately constructed veneer of a blithering idiot, there lurks an blithering idiot.” Ich kann Ihre Kritik insofern nachvollziehen, dass Johnson nicht wörtlich „in meinem Fall” sagte. Der von Claus Kleber in der Übersetzung des Zitats eingeschobene Halbsatz war also nicht korrekt. Ich habe Ihre Anmerkung an die Redaktion weitergegeben und gebeten, bei zukünftigen Übersetzungen noch gewissenhafter zu arbeiten.

Bezüglich Ihrer Kritik an dem Slogan „unfickbar seit 1949“, den das Neo Magazin Royal im Zusammenhang mit satirischen Clips zum 70. Jubiläum des Grundgesetzes nutzte, kann ich nur sagen: Satire darf fast alles. Und Satire nutzt Worte und Formulierungen, die ich persönlich so sicher nicht verwenden würde. Dennoch ist die gewählte Ausdrucksweise auch in diesem Fall eben dadurch legitimiert, dass sie satirisch zuspitzt und Aufmerksamkeit schafft. Das kann naturgemäß nicht immer jedem gefallen. 

Ich hoffe, ich konnte Ihre Bedenken zumindest teilweise ausräumen. Bleiben Sie uns gewogen!

Mit besten Grüßen, Thomas Bellut

 

Redaktioneller Hinweis: Siehe zu diesem Thema auch Achgut.com vom 03.08.2019 Wie Claus Kleber sich und Boris Johnson zum Idioten macht

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Archi W Bechlenberg / 08.08.2019

“Noch gewissenhafter”? Also von Null auf Rollator im 1. Gang? Das ist ja mal ein Wort! Wenn Herr Bellut da nicht den Mund etwas zu voll genommen hat…

Gabriele Kremmel / 08.08.2019

Herr Broder, das Geheimnis um den versteckten Witz in Böhmermannsatire kann ich leicht lösen. Da handelt es sich um einen Generationenkonflikt. Erwachsene Menschen finden bekannterweise die zusammenhangslose Verwendung von Fäkal- und Pornosprache nicht so lustig wie Vorpubertierende oder Personen, die zwar körperlich gewachsen sind, aber über das Entwicklungsstadium der Vorpubertät aus Gründen nicht hinausgekommen sind.

Matze Axion / 08.08.2019

Aus der Antwort ist zu erkennen, dass Herr Bellut die Probelamtik überhaupt nicht verstanden hat (oder nicht verstehen möchte) Ich für meinen Teil habe mich komplett vom “linearen” Fernsehen und Radio verabschiedet. Filme (ohne Werbung oder Nachrichten) und nur die auf die ich Lust habe, schaue ich auf verschiedenen Streamingdiensten, genau wie Musik vom gleichem Medium. Zeitung lese ich schon lange keine mehr, im Internet stöbere ich morgens auf der Achse oder anderen ähnlichen Puplikation, Blogs oder in der NZZ, Twitter, Facebook und andere “sozialen” Medien nutze ich seit Jahren nicht.

Wilfried Düring / 08.08.2019

Vielleicht sollten die durch entschiedene Anhänger des Herrn Erdogan gesteuerten GEZ-Gebührenzahler aus dem Umfeld der DITIB den Kollegen Böhmermann und Bellut mal unmißverständlich zeigen, daß auch ‘Satire’ nicht ‘alles darf’!

Heiko Loeber / 08.08.2019

Ich glaube, Jan Böhmermann meint, dass das Grundgesetz in Buchform keine Geschlechts- und wesensverwandte Öffnungen hat, sondern lediglich Löcher an den Seiten, wo ein, mit dem Rumpf im Grundgesetz aufhaltender, Schwarzer von innen Arme und Beine durchstecken kann, bevor er unter Zeugen ein Polizeiauto demoliert und gegen Polizeibeamte in minderschwerer Form tätlich wird. Satire darf fast alles mit Gebührengeldern. Das ist so, damit es keine Nazis mehr gibt, weil wir aus unserer Geschichte gelernt haben.

Gert Hans Wengel / 08.08.2019

Weiße Männermacht ist immer böse, weiße Männer sind Vergewaltiger, auch das GG vergewaltigen sie – ihnen muss Frauenpower entgegengesetzt werden von ihren Opfern, die immer weiblich und unschuldig sind. Die Opfer von Rotherham und der Kölner Silvesternacht dürften das anders sehen – deshalb bringt ihnen das ZDF das korrekte Menschenbild bei.

Th.F. Brommelcamp / 08.08.2019

Satire ist immer auch dann als Satire gedeckt, wenn man auch bereit ist beidseitige Satire zu akzeptieren. Auch bedient sich die Satire ein gewisses Niveau. Niveaulose Individuen eine Sendung zuzugestehen nur um auch eine Satiresendung mit eher unterdurchschnittlich Zuschauerquote zu haben wäre nicht im Sinne der Öffentlichen. Es sei denn es wäre für eine ungefickte frustierte Minderheit, die über diesen Weg zur Befriedigung kommt. Also eine Art “Bravo für Postpubertären Klemmis“. (Auch Satire)’

Robert Jankowski / 08.08.2019

Dem ZDF gewogen bleiben, nach Hayalis Racketenshow? Aber das war wahrscheinlich auch Satire, nur hats Niemand bemerkt. Im Zweifel hilft nur “Haltung” zeigen, dann ist man im gleichen Boot, wie Böhmermann, Hayali, Maas und hat als Bonus noch Frau Rackete als Kapitän dabei.

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