Erinnern Sie sich an Teil 1 des "Krimis" aus der Zürcher Finanzwelt? Hier gibt es die Fortsetzung und einen Überblick über das, was bisher geschah:
Die Welt wundert sich. Jagdszenen in Zürich? Die Credit Suisse lässt einem ehemaligen Mitglied der Geschäftsleitung nachstellen, weil der es wagte, mit fliegenden Fahnen zur direkten Konkurrenz UBS zu wechseln. Der enttarnt einen seiner stümperhaften Verfolger. Geschrei, Polizei, Peinlichkeit.
Das war außergewöhnlich. Gewöhnlich war dann die Reaktion der Bank. Sie ließ den Fall gründlich von einer Anwaltskanzlei untersuchen. Wer war das, wer wusste davon, wessen Köpfe müssen rollen? Während man sich nicht nur in den Medien die Lachtränen abwischte und auf die Schenkel klopfte, schwieg die Bank zwei Wochen lang verkniffen. Nur bösartige Kritiker konnten vermuten, dass das auch mit dem Zurich Film Festival zu tun haben könnte.
Wie das? Nun, die langjährige Lebensgefährtin des Vorsitzenden des Aufsichtsrats der Credit Suisse, Urs Rohner, hat dieses Festival ins Leben gerufen und präsidiert es heuer das letzte Mal. Denn aufgepäppelt von einem Hauptsponsor – der Leser darf nur einmal raten, welcher – konnte die Dame das Festival profitabel verkaufen. Und da extra eingeflogene Hollywood-Größen Zürich für einmal das Flair einer Weltstadt geben, lässt es sich Rohner nicht nehmen, auch auf dem hier grünen Teppich an der Seite seines Trophy-Weibchens zu stolzieren.
Ja, befremdlich, so ein Verhalten
Nur Javier Bardem, der großartige Schauspieler und Bond-Bösewicht, sorgte für einen Kratzer in Prominentenflitter. Als die Security ein paar Demonstranten wegdrängen wollte, die gegen die CS protestierten, stellte er sich demonstrativ an deren Seite und lächelte freundlich in die Kameras. Aber so ein kleines Ungemach lächelt man auch in Zürich weg. Vielen Kommentatoren der Beschattungsaktion verging dann aber das Lachen, als bekannt wurde, dass sich der externe Sicherheitsmitarbeiter der Bank, der die Überwachung organisierte, das Leben genommen hatte.
Denn diese Affäre wurde – vorläufig – auf Schweizer Art erledigt. Zwei Wochen, nachdem sie aufgepoppt war, konnte Rohner mit wichtiger Miene auf einer Medienkonferenz verkünden, dass die Ergebnisse der Untersuchung vorlägen. Auch hier darf der Leser höchstens einmal raten: Der COO, also das fürs Tagesgeschäft zuständige Mitglied der Geschäftsleitung, hatte zusammen mit dem Sicherheitschef der Bank den Auftrag für diese Beschattung gegeben. Wovon der CEO, die übrige Geschäftsleitung und natürlich der gesamte Aufsichtsrat nichts gewusst hatten.
Dass der COO und der CEO bereits seit über 20 Jahren Weggefährten an verschiedenen Wirkungsstätten waren: Na und, deshalb muss man doch nicht über alles miteinander sprechen. Dass ein COO einen solchen Auftrag erteilt, ohne wenigstens die Führung der Bank darüber zu informieren: Ja, befremdlich, so ein Verhalten. Dass der Untersuchungsbericht konstatierte, dass privater Meinungsaustausch auf höchster Ebene gelöscht worden war, zudem WhatsApp dafür verwendet wurde, was ansonsten den Bankmitarbeitern strikt verboten ist? Nun, quod licet Jovi, non licet bovi, wie da der Lateiner sagt.
Die Bank hat sich lächerlich gemacht
Also wurde energisch durchgegriffen: Der COO musste gehen, der Sicherheitschef der Bank ebenfalls, und zum Tod des externen Mitarbeiters heuchelte der Aufsichtsratsvorsitzende sein Beileid. Er verlor natürlich kein Wort darüber, dass der Name der Beschattungsfirma und auch der Name dieses Mitarbeiters an die Medien durchgestochen worden waren. Von wem? Auch hier darf der Leser einmal raten. Ich darf’s aber nicht schreiben, sonst kommt der Anwalt.
Zusammenfassend: Die Bank hat sich lächerlich gemacht, sich und dem ganzen Finanzplatz Schweiz einen Imageschaden zugefügt, wie selbst der Bankenlenker Rohner einräumte. Er hat sich immerhin beim beschatteten Ex-Mitarbeiter und dessen Familie entschuldigt. Der CEO der Bank, Tidjane Thiam, der sonst gerne den großen Auftritt liebt und sich auch beim Filmfestival zeigte, ist seit dem Platzen des Skandals abgetaucht. Kein Wort von ihm zur Sache.
Inzwischen will man krampfhaft wieder zu Business as usual übergehen. Auch wenn ein wichtiger Bestandteil davon Bußen verursachen und Bußen bezahlen ist. Seit der Finanzkrise von 2008 mussten alleine die beiden Schweizer Großbanken UBS und CS sagenhafte 26 Milliarden US-Dollar an Strafen bezahlen. Und während die UBS gerade in Frankreich von einer Buße in der Höhe von fast 5 Milliarden Euro bedroht wird, liegt die CS in den USA immer noch mit den Behörden im Clinch, ob sie nach einer Vergleichszahlung von über 5 Milliarden Dollar im Zusammenhang mit dem Verkauf damaliger Hypo-Schrottpapiere nochmal 2 Milliarden drauflegen muss.
Ach, und der Ex-Mitarbeiter lebt noch?
Vielleicht fragt man sich im Ausland, wieso denn die Hauptbetroffenen, die Aktionäre der CS, stillhalten. Die mussten alleine seit Stellenantritt des aktuellen CEO eine Halbierung des Aktienkurses hinnehmen. Was ihn nicht daran hindert, Jahr für Jahr mehr als 10 Millionen abzukassieren. Der Grund dafür ist: Die Credit Suisse trägt die Schweiz nur noch im Namen. Ihre wichtigsten Aktionäre, die zusammen 30 Prozent an der Bank halten, sind US-Fonds, asiatische Fonds und arabische. Denen sind Absonderlichkeiten wie Verfolgungsjagden in Zürich herzlich egal.
Zudem wurden in erster Linie die arabischen Investoren mit einem besonderen Guetsli (Schweizerdeutsch für Bonbon) ruhig gehalten. Als die CS in der Finanzkrise 2008 dringend Geld brauchte, nahm sie das in erster Linie bei arabischen Fonds auf. Denen sie dafür Cocos gab, sogenannte Zwangswandelanleihen. Und darauf zahlte die Bank bis zu 9,5 Prozent Zinsen. Ein Wahnsinn im aktuellen Zinsumfeld. Aber das mag der Scheich; und wenn der von dieser Beschattung hört, fragt er höchstens: Ach, und der Ex-Mitarbeiter lebt noch?
Ein ähnliches Trauerspiel entfaltet sich gerade beim Telecom-Anbieter Sunrise in der Schweiz. Sogar mit deutscher Beteiligung. Denn die Firma Freenet ist mit fast 25 Prozent mit Abstand der größte Einzelaktionär. Sunrise will nun den größten Kabelnetzbetreiber der Schweiz, UPC Cablecom, kaufen. Für satte 6,3 Milliarden Franken, das sind über 6 Milliarden Euro. Damit wäre das eine der größten Firmenübernahmen der Schweizer Geschichte.
Zuvorderst wird dieser Kauf vom Vorsitzenden des Aufsichtsrats von Sunrise betrieben. Der hat, die Schweiz ist klein, eine notorische Vergangenheit. Peter Kurer begann seine Karriere bei einer großen Zürcher Anwaltskanzlei (die gleiche, die gerade die CS "untersuchte"). Dort betreute er die Ankäufe eines Großkunden: der Swissair. Kurz bevor die Airline die Flügel hängen ließ, an den Zukäufen erstickt, wechselte Kurer zur UBS als Chefjurist. Und wurde im Schweizer Erfolgsfilm „Grounding" als eiskalter Bösewicht dargestellt. Dann brach die Finanzkrise über die UBS herein, und Kurer wurde sogar deren Boss. Allerdings nur für ein Jahr, dann verschwand er in der Versenkung. Um vor vier Jahren als Vorsitzender des Aufsichtsrats von Sunrise wieder aufzuerstehen.
Trost für Deutschland?
Inzwischen ist Kurer 70 Jahre alt, und mit diesem Kauf möchte er gerne als erfolgreicher Unternehmer in den Sonnenuntergang reiten. Nicht mehr der Swissair-Anwalt bis zum Grounding. Nicht mehr der Kurzzeit-Boss der UBS. Kurer, der visionäre Firmenlenker. Aber leider scheint ihm auch hier die Fortüne zu fehlen. Denn Freenet, der größte seiner Aktionäre, stemmt sich gegen den Kauf. Zu teuer, denn die 6,3 Milliarden müssten durch eine Kapitalaufnahme und Schulden beglichen werden. Zudem mache es keinen Sinn, in ein Kabelnetz zu investieren, wo doch kabellose Datenübertragung mit 5G die Zukunft sei.
Am 23. Oktober kommt es da zum Showdown im Zürcher Hallenstadion. Auf dieses Datum ist eine außerordentliche Aktionärsversammlung einberufen. Die soll als einziges Traktandum über die nötige Kapitalaufnahme abstimmen. Ach, und dann ließ ein Aktionär, der ebenfalls gegen den Kauf ist, die Abwahl des Aufsichtsratsvorsitzenden traktandieren. Und seit Kurzem stänkert ein munterer Blog gegen diesen Milliardenkauf an.
Das mag im Euro- und EU-Land Deutschland beruhigen: Auch bei den Eidgenossen ist nicht alles Gold, was glänzt. Aber wenn die einen Tunnel bauen, dann wird der pünktlich fertig. Und wollten sie einen neuen Flughafen bauen, dann wären höchstens die Chinesen schneller. Aber Banker wie Rohner oder Ex-Banker wie Kurer sind nun nicht ein Aushängeschild für währschafte Schweizer Qualitätsarbeit.