Ramin Peymani, Gastautor / 03.05.2021 / 12:00 / Foto: Pixabay / 51 / Seite ausdrucken

Zahlenspiele der Politik vertrauen auf die Rechenschwäche der Bürger

Wundern Sie sich auch oft über die fehlende Verhältnismäßigkeit politischer Maßnahmen? Fragen Sie sich, wie es möglich ist, Millionen von Menschen mit aus dem Zusammenhang gerissenen Zahlen in Panik zu versetzen? Haben Sie das ungute Gefühl, dass den gängigen Grenzwerten und Messzahlen zweifelhafte Ausgangsgrößen zugrunde liegen? Dann sind Sie zumindest nicht allein.

Sie dürften aber zu einer Minderheit gehören. Denn die große Mehrheit der Bürger dieses Landes scheint mit Dreisatz und Prozentrechnung nicht besonders viel anfangen zu können. Nur so ist es zu erklären, dass sich Umverteilungsfetischismus, Klimaradikalismus und Inzidenztotalitarismus ihren Weg bahnen können. Die Politik setzt bewusst auf absolute Zahlen, die nur ungern ins Verhältnis zur Gesamtgröße gesetzt werden.

Umgekehrt werden dort, wo es den gewünschten Politnarrativen dient, gewaltig erscheinende Prozentzahlen durch die Medien getrieben, die bei Lichte betrachtet lächerlichen Größenordnungen entsprechen. Beispiele hierfür liefern die polit-mediale Darstellung des Anstiegs bestimmter politisch motivierter Straftaten, der Zuwachs staatlicher Investitionen in Bildung und Digitalisierung oder der angebliche Run auf Bio-Produkte. Gerne natürlich auch der Anstieg des Anteils erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung.

Hier werden jeweils auf Basis mickriger Ausgangswerte plakative Meldungen kreiert. Dabei müsste bereits Schülern der Mittelstufe einleuchten, dass die „enormen“ Zuwachsraten nur deshalb so groß erscheinen, weil aus fast nichts etwas mehr geworden ist. Immerhin füllt sich ein Raum um sage und schreibe 100 Prozent, wenn zu einer Person eine weitere hinzutritt. Geht sie wieder, sind 50 Prozent der zuvor Anwesenden plötzlich verschwunden. Es ist aber auch vertrackt.

Möglichst lange als Alarmsignal tauglich

Neben dem Hang zum „Großrechnen“ gewünschter Zuwächse findet sich in der polit-medialen Szene ein Kennzahlen-Fetisch. Die Umwelt- und Klimagrenzwerte sind ein Beispiel dafür. Willkürliche Größen dienen dazu, die Bürger eines Teils ihrer Freiheitsrechte zu berauben, sie zu enteignen und zu gängeln. Nun sogar mit höchstrichterlichem Segen. Immerhin handelt es sich bei den Grenzwerten wenigstens um Verhältniszahlen, der wissenschaftliche Sinn der penibel genauen Festlegung erschließt sich aber deshalb noch lange nicht.

Am Schlimmsten ist es dort, wo nur mit absoluten Zahlen gearbeitet wird. Besonders drastisch erleben wir Bürger dies seit mehr als einem Jahr in der ausgerufenen Corona-Pandemie. Galt anfangs noch der auf mysteriöse Weise errechnete „R-Wert“ als das Maß aller Dinge, stellte sich alsbald heraus, dass dieser (da unter 1) nicht mehr zur Panikmache taugte. Die Inzidenz musste her – nicht die mathematische, aber so etwas Ähnliches – und mit ihr tägliche Horrorzahlen zu „Infizierten“ und Verstorbenen. Der Erfinder des „Corona-Inzidenzwerts“ dürfte in nicht allzu ferner Zukunft vom Politkollektiv für den Nobelpreis vorgeschlagen werden.

Die Glanzleistung, diesen so zu berechnen, dass er möglichst lange als Alarmsignal taugt, ist nur vergleichbar mit der politischen Etablierung des Verschwörungstheoriebegriffs durch die CIA in den 1960er Jahren und der Erfindung der Drohkulisse des „Klassenfeindes“ in den kommunistischen Regimen des 20 Jahrhunderts. Was uns da als „Inzidenz“ verkauft wird, ist absurdes Theater, nicht nur wegen der definitionsnegierenden Berechnung. Wenn die 11 Bewohner des abgeriegelten Altenheims in einer 10.000-Einwohner-Stadt positiv auf das Corona-Virus getestet werden, gehen alle anderen 9.989 Bürger in den Lockdown. Irre.

Besonders perfides Beispiel des Täuschens mit absoluten Zahlen

Genauso unanständig ist die Rechenakrobatik, die uns bei der Belegung der Intensivbetten zugemutet wird. Lässt man beiseite, dass hier durch falsche Anreize ein Bettenabbau ausgerechnet vorm Virus-Winter 2020/21 begünstigt worden ist, geben selbst die absoluten Zahlen der mit oder wegen Corona eingelieferten Intensivpatienten erst dann einen Aufschluss, wenn zugleich in Betracht gezogen wird, wie hoch ihr prozentualer Anteil und wie die gesamte Kapazitätsauslastung ist.

Dort, wo diese Zahlen medial kolportiert werden, wird der Eindruck erweckt, es sei dem Virus geschuldet, dass über 80 Prozent der Betten belegt sind. Tatsächlich ist diese Belegungsquote allerdings nicht ungewöhnlich. Im Gegenteil: Jeder Krankenhausmanager strebt derartige Auslastungen an, um seine Einrichtung kosteneffizient zu betreiben.

Ein besonders perfides Beispiel des Täuschens mit absoluten Zahlen erleben wir derzeit bei der Berichterstattung über den Corona-Verlauf in Indien. Fast 3.700 Menschen seien an einem Tag verstorben, wird alarmiert. Dass in Indien rund 1,4 Milliarden Menschen leben und das Verhältnis der täglichen „Corona-Toten“ zur Bevölkerung dem in Deutschland entspricht, versteht allerdings nur, wer in Mathe aufgepasst hat. So vernichtend kann die „indische Mutante“ also nicht wüten.

Auch bei der angeblichen Übersterblichkeit muss man nur wenig mathematisches Verständnis mitbringen, um den Medien nicht auf den Leim zu gehen. Um demografische und statistische Effekte bereinigt, bewegen sich die 986.000 Toten des Jahres 2020 im normalen Rahmen. Die Wahrscheinlichkeit, an Covid-19 zu sterben, liegt für die meisten Menschen übrigens im Nachkommabereich. Ähnliches gilt für den Effekt der Klimaschutzmaßnamen auf den CO2-Gehalt. Aber wen interessiert schon Prozentrechnung?

Dieser Beitrag erschien auch auf Ramin Peymanis Liberale Warte

Foto: Pixabay

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Leserpost

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dr.goetze / 03.05.2021

@Dr. Markus Hahn: die bewußte Verdummung der Schuljugend und VORHER schon die Indoktrination durch die durch psychologischen Druck auf die Eltern erzwungene Kita “Erziehung” durch Linke und Grüne! Das passt zusammen! Ich hatte mich bei Studenten der Medizin oft gewundert, dass sie meist 1er oder sogar negative (0,9er z.B.) Abiturnoten hatten, während ich trotz aller Mühen nicht unter 2,5 gekommen war vor Urzeiten. Bis mir vor kurzem ein in Pension gehender Oberstudienrat erklärte, daß ein Pennäler mit einer vor 20 Jahren gestellten Klassenarbeit heute nicht mehr zurecht käme, und wahrscheinlich die Erziehungsberechtigten damit sofort zum Rechtsanwalt gehen würden. Und daß das mindere Niveau “von oben” so gewünscht wäre… Und dann erzählte er mir, daß z. B. bei der Einstellungsprüfung für Polizeianwärter in einem halbseitigen DIN A4 Text 20 Fehler erlaubt wären. In der praktischen Arbeit mit Studenten habe ich auch die Erfahrung gemacht, dass die Allgemeinbildung der jungen Leute fast im Minusbereich liegt - wenn das denn ginge. Klar, die haben das Gehirn in der Gesäßtasche, “googlen” ist angesagt. Aber teils sind die nicht mal in der Lage, eine vernünftige Frage bei der Suche einzugeben, sodass ich “fast Greis” denen verbal unter die Arme greifen muss. Und sinnerfassendes Lesen ist auch längst aus der Mode gekommen. Die Flutung der Deutschen Schriftsprache aus dem Grunde mit Bindestrichworten ist mittlerweile ja erschreckend. Bereit anfangs des neuen Jahrtausends hatte ich oft den Eindruck, daß Politiker so wie kleine Kinder im Sandkasten agieren, drauflos und ohne Sinn und Verstand. War aber lange nicht auf die Idee gekommen, daß das bereits ansatzweise der Realität in der Politik entsprach. Heute, als alter weißer Mann weiß ich es besser. Und bin froh, daß ich das Deutsche Irrenhaus nicht mehr so lange aushalten muß...

Karsten Dörre / 03.05.2021

Mich tangieren Prozentrechnungen kaum, weil man verschiedene Grundwerte als Berechnung nehmen kann. Wahlbeteiligung drei Personen, zwei von drei Personen sind 66 Prozent. Eine überwältigende Mehrheit entschied sich…

Helmut Driesel / 03.05.2021

  Indien: 2 Mill. HIV-Infizierte, 5600 davon sterben monatlich daran, normalerweise sollte so etwas wie Corona da voll reinhauen. Dazu kommt, dass in solchen Mangelzuständen bestimmt Spritzen aller Art mehrfach verwendet werden. Brasilien vermutlich derselbe Sachverhalt. Wenn HIV-Patienten auch vor Ausbruch der akuten Phase anfälliger für Infektionen sind, wird die Krankheit HIV/AIDS daran aussterben.

Rolf Menzen / 03.05.2021

Unser geschätzter Herr Bundesgesundheitsminister ist auch ne echte Mathe-Koryphäe. Sagte er doch letztens ” Wir haben schon jeden vierten Bürger geimpft. Bald wird es sogar jeder fünfte sein!”.

G. Haubold / 03.05.2021

Lieber Herr Peymani! Seit vielen Jahren verwende ich bei den ominösen Prozentspielereien ein ähnliches Beispiel wie Sie: In der ruhmreichen Sowjetunion wurde 1923 ein Paar Schuhe produziert, 1924 waren es zwei Paar; Steigerung um 100 %! Im Prinzip gab es aber keine Schuhe

Bernhard Büter / 03.05.2021

Die Dummheit ist das Brot und die Habgier der Hunger um als Betrüger “satt zu werden”. Und wie auch die jüngsten Wahlergebnisse zeigen ist bei den 83 Millionen Deutschen noch reichlich Potenzial vorhanden. Null Mitleid. Achtung! Geimpft? - Dann kein Zutritt. Spike-Protein freie Selbstdenkerzone!

Peter Jkoljaiczek / 03.05.2021

Die Regierung erinnert mich an dieses soziale Experiment in der Fußgängerzone, in dem die Leute folgendes gefragt wurden: Das neue Gesetz gibt Ihnen beim Überfahren einer roten Ampel 2 Möglichkeiten: a) Sie zahlen 100 Euro und gehen zusätzlich eine Milliarde Sekunden in den Knast oder b) Sie zahlen 10.000 Euro und gehen zusätzlich eine Million Sekunden in den Knast.  Die große Mehrheit entscheidet sich für a) . Das verdutzte Gesicht wenn Ihnen eröffnet wird, dass eine Million Sekunden 11 Tage sind und eine Milliarde Sekunden 32 Jahre. Diese ganzen Lehrer, Gewerkschaftler, Soziologen und Germanisten haben von Zahlen und rechnen keine Ahnung. Solche Leute würde kein Unternehmen mit Verantwortung betrauen, die Mehrheit aber gibt Ihnen die Zügel eines ganzen Landes in die Hand. Das muss schief gehen.

Engelbert Gartner / 03.05.2021

Noch ein schönes Beispiel.  In den Medien wurde berichtet, dass durch Deutschland allein, 2% CO2 pro Jahr freigesetzt wird. Es wurde dabei unterschlagen, dass 97% des freigestzten CO2 aus der Natur selber stammt. Fängt man an zu rechnen, dann kommt man zu dem Ergebnis, dass Deutschland nur 0,06 % der Gesamtmenge pro Jahr freisetzt.    ( Zur besseren Vorstellung )    Rechnet man dies in Längenanteile um, 100 % = 10 Meter, dann ist der Anteil Deutschlands nur bei 6 mm. Selbst wenn wir unseren Anteil auf 0 % senken könnten ( Wir müßten dazu auch das Atmen verbieten ), müßte jedem klar sein, dass wir so gut wie keinen Einfluß aufs Klima haben. 

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